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WildTrack – Spezialist für Überwachung von Wildtierbeständen

Irgendwo in der Arktis. Der alter Inuit untersucht eine Reifenspur im Schnee. Sein Sohn neben ihm „horcht“ gespannt auf das Ergebnis. Zuerst erfährt er die Automarke, dann das Modell. Ein richtig guter Werbespot!
Schade nur, dass PS-starke Autos unnötig zur Erderwärmung beitragen und damit den arktischen Ureinwohnern die Lebensgrundlage entziehen. Und nicht nur ihnen. Den Eisbären schmilzt das Eis unter den Pfoten weg. Können sie sich anpassen oder sterben sie aus?

Footprint Identification Technique (FIT)

Die Organisation WildTrack, spezialisiert auf die Überwachung von Wildtierbeständen (Wildlife Monitoring Organisation) hat nun ein kostengünstiges Verfahren entwickelt, mit dem man die Tiere zählen und den Bestand kontrollieren kann. Die Technik zur Identifikation von Fußabdrücken (Footprint Identification Technique, FIT) verbindet das traditionelle Wissen der Inuit mit moderner Foto- und Computertechnik.

Die Methode ist denkbar einfach: Der Fährtensucher braucht nur eine digitale Kompaktkamera, ein GPS-Gerät und einen Zollstock. Hat er eine frische Spur im Schnee entdeckt, legt er mit dem Zollstock einen Rahmen um den linken vorderen Fußabdruck. Auf einer schmalen Tafel werden Datum, Position und andere Beobachtungen aufgeschrieben. Dann macht der Inuit ein Foto vom Fußabdruck und samt Notizen. Ohne Stativ, ohne Vermessungstechnik, einfach so – aus der Hand.

Anschließend werden die Aufnahmen von den WildTrack-Gründern Zoe Jewell und Sky Alibhai in Portugal ausgewertet. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit der wir hoffen, Eisbärpopulationen überwachen zu können, ohne die Tiere zu stören“, sagt Zoe Jewell. Die Methode nutzt das ökologische Wissen der Einheimischen und verursacht nur geringe Kosten.

Bisherige Methoden der Bestandskontrolle: Teuer und gefährlich

Bisher mussten die Polarbären betäubt, markiert und gegebenenfalls erneut gefangen werden, um abschätzen zu können, wie viele Tiere in einem Gebiet leben. Sie wurden vom Hubschrauber aus mit Betäubungsgewehren gejagt, mit Zahlen bemalt, tätowiert oder mit Radiosendern ausgestattet. Nebenbei konnte man die „schlafenden“ Bären wiegen, medizinisch untersuchen, sowie Haar- und Gewebeprobe entnehmen.

Eine Bestandsschätzung nach der alten Methode kostet nach Presseberichten für jede der 13 kanadischen Eisbärpopulationen circa 1,3 Millionen Euro. Eine solche Untersuchung dauert mehrere Jahre. Daher können die Tiere einer bestimmten Region bestenfalls alle zehn Jahre gezählt werden.

Eisbären zu fangen ist nicht ungefährlich. Das Gewicht eines Bären ist vom Helikopter aus nur schwer abzuschätzen. Wird die Betäubungsdosis zu schwach gewählt, bleibt das Tier wehrhaft, ist sie zu stark, droht der Atemstillstand. In den Anfangsjahren mussten die Wissenschaftler mehrfach künstlich beatmen, um ihre Forschungsobjekte am Leben zu halten.

Neuste Untersuchungsergebnisse zu Fangmethoden

Die Immobilisationstechnik konnte in den letzten Jahrzehnten zwar stark verbessert werden, doch ein Restrisiko bleibt immer bestehen. Untersuchungen an Spitzmaulnashörnern zeigen inzwischen, dass sich die Betäubungsmittel negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken können. Braun- und Schwarzbären legen möglicherweise ein verändertes Wanderverhalten an den Tag. Nach neuesten Untersuchungen könnte die Prozedur des Einfangens und Betäubens bei Eisbären gesundheitliche Beeinträchtigungen und einen geringeren Fortpflanzungserfolg hervorrufen. Deshalb hat sich das Forscherehepaar Zoe Jewell und Sky Alibhai schon vor vielen Jahren auf das Spuren suchen verlegt. Die Tierärztin und der Zoologe gründeten 1992 in Simbabwe das Projekt Rhinowatch. Zwischen 1994 und 2000 betreuten sie eine Population von 15 Spitzmaulnashörnern, deren Aufenthaltsort durch Scouts oder Sender bekannt war. Während dieser Studie entwickelten sie die FIT-Technik.

Dabei zeigte sich, dass sich Nashornindividuen mit einer Genauigkeit von 87 bis 95 Prozent anhand ihrer Fußabdrücke identifizieren lassen.
Später gelang es dem Rhinowatch-Team, Breit- und Spitzmaulnashörner anhand ihrer Fußabdrücke mit mindestens 98-prozentiger Sicherheit zu unterscheiden. Damit war die Artengrenze übersprungen. Die Trefferquote bei der Identifikation bekannter Nashörner konnte erhöht werden. Außerdem wiesen die Forscher nach, dass die FIT-Methode in der Lage ist, den Bestand einer unbekannten Nashornpopulation mit einer Genauigkeit von 91 bis 95 Prozent vorherzusagen.

Seit 2004 laufen die Projekte unter dem Dach von WildTrack. Die Methode ist inzwischen beim Bengalentiger sowie dem Flachlandtapir und Bairds Tapir im Einsatz. Die neusten Projekte arbeiten mit Geparden, Leoparden, Streifenhyänen und Kleinsäugern (Bilche).
Die Analyse des Fußabdrucks muss natürlich für jede Tierart neu angepasst werden.

Arktisprojekt des WildTrack in Kooperation mit National Geographic

Im Fall des Eisbären kam noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: Sind Spuren im Schnee in ihren unterschiedlichen Ausprägungen überhaupt aussagekräftig? Um dies herauszufinden startete WildTrack mit Unterstützung von National Geographic ein Projekt in der kanadischen Arktis. Unter Leitung von Peter de Groot von der Queens University in Kingston, Ontario gingen einheimische Spurensucher im Mai 2007 und 2008 mit einer Kamera auf die Jagd. Sie entdeckten 17 Fährten, vier davon stammten ganz offensichtlich von Weibchen mit Jungtieren. Aus der Vielzahl von Spuren wurden 241 Abdrücke der linken Vorderpfote digitalisiert.

Die FIT-Technik basiert auf dem Statistikprogramm JMP der amerikanischen Softwarefirma SAS. Zunächst wird der Fußabdruck am Bildschirm vermessen. Dabei definieren die Wissenschaftler anatomische „Landmarken“, wie zum Beispiel den höchsten Punkt der mittleren Zehe oder den unterster Punkt der Ferse. Die mathematischen Beziehungen (Längen, Winkel, Flächen) zwischen den Landmarken ergeben ein „geometrisches Profil“, das für jede Tierart spezifisch ist.

Beim Eisbären wurden anfangs pro Fußabdruck nicht weniger als 106 Messungen erhoben. Mittels der JMP-Software suchte das WildTrack-Team diejenigen Messungen heraus, welche es ermöglichen, die Tiere individuell, nach Geschlecht oder sogar nach Altersklassen zu unterscheiden. Hierbei kommen multivariate statistische Verfahren zum Einsatz.

Die SAS-Software ist sehr vielseitig. „JMP erkennt Cluster mit ähnlichen Mustern“, erläutert Wolfgang Schwab, Business Advisor von SAS Deutschland. Eine Krankenkasse nutzt beispielsweise JMP, um Betrugsfälle bei Abrechnungen festzustellen. Das Statistikprogramm erkennt, wenn ein Arzt überdurchschnittlich häufig teure Medikamente verschreibt. „Unsere Software ist dazu da, um aus Daten Wissen zu regenerieren“, sagt Schwab.

Die Eisbären im Nunavut-Territorium im Norden Kanadas konnten bisher nur etwa alle 13 bis 14 Jahre gezählt werden. Diese Abstände sind zu groß, um zu sehen, wie sich die dramatischen Umweltveränderungen in der Arktis auf die Polarbären auswirken. Mit der FIT-Methode wurden im Norden von King William Island und Gates Head Island 17 unbekannte Bären entdeckt, ohne dass ein einziger gefangen werden musste. Die Kosten lagen bei etwa 32 000 Euro pro Jahr.

Momentan ist die Methode beim Eisbären noch nicht voll einsatzfähig, es fehlt noch die Nagelprobe an Tieren, deren Alter und Geschlecht bekannt sind. Diese Studie soll im Herbst im kanadischen Churchill durchgeführt werden.

Dennoch: Das Arktisprojekt, das noch bis 2010 läuft, ist schon jetzt ein großer Erfolg. WildTrack konnte erstmals nachweisen, dass auch Spuren im Schnee mit der FIT-Methode analysiert werden können. „Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, Eisbären über ihre Fußabdrücke störungsfrei und kostengünstig zu identifizieren“, schreibt das Forscherehepaar. In Verbindung mit genetischen Untersuchen, beispielsweise der Analyse von Kotproben, könnte daraus eine neue Form der Bestandskontrolle entstehen, die auf die Inuit und ihr ökologisches Wissen zugeschnitten ist. „Die Wächterfunktion der Ureinwohner könnte für die Zukunft der Eisbären entscheidend sein“, so Zoe Jewell und Sky Alibhai.

Möglicherweise wird der Fußabdruck eines bedrohten Tieres für Naturschützer bald dieselbe Bedeutung erlangen, wie der menschliche Fingerabdruck, der seit über 100 Jahren zur Personen-Identifikation eingesetzt wird.

Mathias Orgeldinger

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