Page 9 - Manatimagazin 22/02
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Schwerpunktthema Nachhaltigkeit im Tiergarten     manatimagazin 22|02















 Stolz    ...und
 Der   Vorurteil
 bereits vor   Angeblich
 Jahrzehnten   besteht ein
 begonnene   Großteil unserer
 Waldumbau trägt   Wälder nach wie
 schon Früchte in   vor aus nur überwie-
 Form eines artenrei-  gend einer Baumart,
 chen Mischwaldes. Auf-  wie hier der Waldkiefer
 grund der großen Flächen   (Pinus sylvestris). Tatsäch-
 und der Tatsache, dass die   lich nimmt der Anteil solcher
 Bäume hierfür überwiegend von   Reinbestände jedoch stetig ab.
 Hand gepflanzt werden müssen,   Paradox daran ist, dass dieser ver-
 bedarf es dafür jedoch Zeit und Geld.  meintlich ökologisch wenig wert-
      volle Kiefernwald mehrere bedrohte
      Flechtenarten beheimatet, die nur in
      solchen Wäldern vorkommen.


 AUF DEM HOLZ WEG ANS ZIEL








 Nachhaltigkeit. Kaum ein Begriff scheint so modern und den aktuellen Zeit-  Der Tiergarten besitzt nicht nur eine Zulassung als Zoolo-  Forsttechnik. So ist sicheres, schonendes und effizientes
 geist so passend zu verkörpern, wie dieser. Tatsächlich wurde das Prinzip der   gischer Garten und betreibt eine eigene Biolandwirtschaft,  Arbeiten möglich. Fachlich betreut vom Amt für Ernäh-
 verantwortungsvollen Nutzung von natürlichen Ressourcen bereits vor über   er ist auch ein zertifizierter Forstbetrieb. Betreut werden die  rung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Fürth-Uffenheim
 300 Jahren formuliert und ist heute dennoch wichtiger denn je.  230 Hektar Wald der Stadt inzwischen vom Tiergarten. Aktu-  und eng kooperierend mit dem Forstbetrieb Nürnberg der
             ell liegen die Hauptaufgaben des Betriebes auf der Beseiti-  Bayerischen Staatsforsten, ergibt sich eine fachlich sehr
 Jörg Beckmann, biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens Nürnberg sowie studierter   gung von Trockenschäden, dem Waldumbau und der Pflege.  gut aufgestellte und tatkräftige Abteilung. Dazu kommen
 Forstwissenschaftler folgt dem Weg des Holzes.  Die letzten Jahre mit heißen und niederschlagsarmen Som-  noch Tiergartenmitarbeiter mit abgeschlossenem Forst-
             mern, wie auch wieder 2022, haben zahlreiche Bäume direkt  studium an Fachhochschule und Universität. Das geern-
 ans Carl von Carlowitz formulierte 1713  durch bleiben die Wälder erhalten und auch   absterben lassen oder sie so geschädigt, dass sie in den  tete und anfallende Holz wird je nach Qualität entweder
 in seinem Buch „Sylvicultura oeconomi-  nachfolgende Generationen können sie nutzen.   Folgejahren eingehen werden. Der Klimawandel führt dazu,  als Stammholz verkauft, zur Einrichtung von Gehegen ge-
 Hca“ oder auch  „Haußwirthliche Nach-  Noch viel früher, nämlich schon 1368, legte der   dass viele bei uns eigentlich heimische Baumarten mit den  nutzt oder dient in Form von Hackschnitzeln der Energie-
 richt und Naturmäßige Anweisung zur Wilden  Nürnberger Ratsherr und Montanunternehmer   neuen Bedingungen nicht klarkommen. Daraus ergibt sich  versorgung des Tiergartens.
 Baum-Zucht“ das Prinzip der Nachhaltigkeit.  Peter Stromer einen weiteren wichtigen Grund-  die Notwendigkeit des Waldumbaus – auch aus der Ver-
 Dem sächsischen Oberberghauptmann be-  stein in Sachen Forst und Nachhaltigkeit. Er ließ   antwortung für nachfolgende Generationen, die mit nach-  Im Gegensatz zur Landwirtschaft sind die Produktionszeit-
 reitete die Holznot Sorge, die der wachsende  unter anderem Waldkiefern (Pinus sylvestris) sä-  haltiger Forstwirtschaft einhergeht. Waldumbau bedeutet,  räume in der Forstwirtschaft lang, sehr lang sogar. Je nach
 Verbrauch des Rohstoffs im Bergbau mit sich  hen  und  damit  neue Bestände  begründen,  zu   dass in diesem Fall Baumarten gepflanzt werden, die dem  Baumart und Standort rechnet man mit 80 bis 200 Jahren
 brachte. Holz war damals der Baustoff und  der Zeit revolutionär. Dadurch wurde der Nürn-  Klimawandel standhalten sollen und so die zahlreichen  bis zum Erntealter der Bäume. Dafür braucht es viele Gene-
 Energieträger schlechthin. Der Mangel daran  berger Reichswald zum ersten künstlich ange-  Waldfunktionen auch in der Zukunft sicherstellen. Ziel ist  rationen von Försterinnen und Förstern hintereinander, die
 bedrohte weite Teile Europas mit einer Ener-  legten Forst der Welt und auch zum „Stegger-  es außerdem, Mischwälder mit mehreren Baumarten zu  den Wald einerseits mit Weitblick behandeln und ande-
 gie-  und  Wirtschaftskrise.  Auch  dies  ist  mehr  laswald“. Damals herrschte auch ein massiver   begründen. Fällt eine Baumart beispielsweise klimatisch  rerseits verstehen, wie er in der Vergangenheit behandelt
 als drei Jahrhunderte später modern, wenn  Mangel an Holz und -kohle. Nürnberg war eine   oder durch Insekten bedingt aus, so verbleiben immer  wurde und warum. In der Landwirtschaft kann man oft
 auch aus anderen Gründen und nicht im posi-  Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich und   noch genügend Bäume anderer Arten auf der Fläche und  noch im selben Jahr auf derselben Fläche eine ganz andere
 tiven Sinne. Dabei ist die Idee der nachhaltigen  entsprechend groß war der Bedarf an Energie   der Wald an sich bleibt bestehen. Stabilität durch Diversi-  Nutzpflanze anbauen, im Wald geht das nicht. Hier muss
 Forstwirtschaft einfach: man entnimmt dem  und Baumaterial.  Die Grundlagen, die Stromer   tät. Zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt der Tiergarten  man sich heute überlegen, welche klimatische Bandbreite
 Wald immer nur so viele Bäume, wie in einem  im 14. Jahrhundert gelegt hat, prägen den Nürn-  über eine eigene Forstabteilung mit gelernten Forstwirten  die jetzt noch kleinen Bäume die nächsten ein- bis zwei-
 überschaubaren Zeitraum nachwachsen. Da-  berger Reichswald noch heute.   und einem Fuhr- und Maschinenpark mit professioneller  hundert  Jahre  auszuhalten  haben  –  zum  Beispiel  heute


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