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Ich war nie wirklich weg, hab mich nur versteckt… Wie Dr. Dolittle für Delfine
r. Dolittle konnte mit Tiere sprechen und sie fragen, wie es ihnen
ine sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen findet sich vermut- geht. Wir können das leider nicht. Wie können wir das Wohlbefin-
lich leichter, als eine nur 18-28 Gramm schwere Maus auf ei- Dden von Tieren dennoch beurteilen? Diese Frage stellt sich nicht
WISSENSCHAFT FÜR BESSERWISSER
Ener Fläche von mehr als 70.500 Quadratkilometern. Dennoch nur regelmäßig bei Nutztieren, sondern auch bei unseren Zootieren. Dabei
ist es dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) gelungen und stellen wir diese Frage einerseits selbst, andererseits ist dies auch ein zent-
es ist eine Sensation: Die seit 1962 vermisste Bayerische Kurzohr- raler Punkt in der Diskussion um Tierhaltung und Zoos ganz allgemein. Um
maus (Microtus bavaricus) wurde jetzt in der Nähe von Mittenwald sie wissenschaftlich und damit objektiv beantworten zu können, wurde
wiederentdeckt! Bisher war nur noch ein kleines Vorkommen der jetzt erstmalig für Große Tümmler (Tursiops truncatus) ein Instrument ent-
Mäuse in Tirol bekannt. Deshalb hat der Alpenzoo Innsbruck bereits wickelt, das dies ermöglicht. Ein internationales Team aus Wissenschaft-
vor einigen Jahren mit dem Aufbau einer Erhaltungszucht begon- lerinnen und Wissenschaftlern hat unter Federführung des Tiergartens
nen. Bayerische Kurzohrmäuse sind „vom Aussterben bedroht“, die Nürnberg das sogenannte Dolphin-WET (Dolphin Welfare Evaluation Tool)
letzte Stufe bevor eine Art als in der Natur ausgestorben entwickelt, welches Anhand von 49 Kriterien die Erstellung eines objekti-
gilt. Die Art gehört zu den zehn am stärksten bedrohten ven und präzisen Bildes des Wohlergehens eines jeden einzel-
Nagetierarten Europas. nen Delfins ermöglicht. Dadurch lässt sich die Haltung der Tiere
über Meinungen hinaus immer weiter verbessern - und es bietet
anhand klarer Kriterien die Möglichkeit zu überprüfen, ob der ei- FORSCHUNG IM TIERGARTEN NÜRNBERG
gene Eindruck vom Tier richtig ist. Katrin Baumgartner, Tim Hüttner, (…) Lorenzo von
Fersen et al. (2024): Dolphin-WET - Development of a Welfare Evaluation Tool for Bottlenose Dol-
Unerhört laut! phins (Tursiops truncatus) under Human Care. Animals 2024, 14, 701. doi.org/10.3390/ani14050701.
r wird noch nicht einmal 14 Millimeter lang,
dafür aber über 140 Dezibel (dB) laut. Der
EFisch mit dem wissenschaftlichen Namen Unerklärbare Walstrandungen: Spitzenforschung aus dem Tiergarten
Danionella cerebrum stammt aus dem Süden My- liefert vielleicht die Lösung
anmars und wurde erst 2021 wissenschaftlich be-
schrieben. Er gehört zu den kleinsten Wirbeltieren eder kennt die Bilder gestrandeter
überhaupt. Um seine Leistung zu vergleichen: In J Wale und Delfine. Immer wieder gab
einem Meter Entfernung kann ein Afrikanischer es Theorien und Erklärungsversuche,
Elefant (Loxodonta africana), das größte Landsäu- warum die Tiere stranden und in der Fol-
getier der Erde, noch 112 dB laut sein. Der Fisch er- ge sterben. Manche Tiere kehren auch an
reicht dann immerhin noch rund 100 dB; bei der den Strand zurück, wenn sie ins Wasser
Entfernungsverdopplung von einer Schallquelle zurückgebracht werden und eigentlich in
nimmt der Schallpegel um rund 6 dB ab. Der Fisch das offene Meer schwimmen könnten. Die
schafft diese Lautstärke mit Hilfe eines Trommel-Knorpels, besonders angepassten Rippen und Muskeln, Entdeckung eines bisher unbekannten Sin-
sowie seiner Schwimmblase. Die männlichen Fische nutzen diese Laute zur Kommunikation, denn in der nes bei Großen Tümmlern (Tursiops trunca-
Natur leben sie Gewässern mit geringer Sichtweite. tus) hat weitreichende Folgen und bietet
vielleicht auch eine Erklärung für Stran-
dungen. Sie können schwache elektrische
Tödliche Anpassung Felder wahrnehmen, was ihre Fähigkeit zur
Nahrungssuche verbessert, da sie die ge-
iren verändern sich und passen sich ständig an. Deswegen naue Position ihrer Beute bestimmen kön-
wird zum Beispiel jedes Jahr eine neue Grippeschutzimp- nen. Beutetiere erzeugen durch ihre Mus-
Vfung entwickelt, die den bestmöglichen Schutz gegen die kelbewegungen solche elektrischen Felder,
aktuelle Variante bieten soll. Manche Viren schaffen es dabei bei- wodurch sie sich auch in der Dunkelheit
spielsweise, von Vögeln auf Säugetiere überzuspringen - so auch oder im Boden versteckt aufspüren lassen.
bei der hochpathogenen Vogelgrippe. Das Virus wurde 2021 in Forscher aus dem Tiergarten Nürnberg und
Europa nachgewiesen, 2022 erreichte es Südamerika und jetzt die der Universität Rostock haben jetzt herausgefunden, dass Delfine mit ihren empfindlichen Vibrationsgruben
Antarktis. Zugvögel können das Virus leicht verbreiten. Vor allem den Strom messen können, der entsteht, wenn sie sich in einem Magnetfeld bewegen. Dies könnte
in Südamerika kam es bereits zu Massensterben von Wildvögeln, ihre Orientierung am Erdmagnetfeld erklären und es ihnen ermöglichen, sich in verschiedenen Ma-
aber auch bei verschiedenen Robbenarten, also Säugetieren, nahm die Virusinfektion für zahlreiche Tiere ein töd- gnetfeldbereichen zu orientieren. Diese Erkenntnisse werfen Licht auf die seit langem bestehende
liches Ende. In der Antarktis befürchtet man jetzt ähnliches. Hier könnte das Virus verheerend sein, tritt Frage nach Massenstrandungen von Walen und Delfinen in Gebieten mit magnetischen Störungen.
es beispielsweise in Pinguinkolonien auf. Die Vögel leben hier sehr dicht beieinander, was eine Übertra- Tim Hüttner, Lorenzo von Fersen, Lars Miersch and Guido Dehnhardt (2023): Passive electroreception in bottlenose dolphins (Tursiops
gung von Tier zu Tier sehr leicht macht. truncatus): implication for micro- and large-scale orientation. Journal of Experimental Biology (2023) 226, jeb245845.
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