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Schwerpunktthema Unser Wald manatimagazin 24|01
Die wichtigsten in Bayern und Deutschland leidlich verbreiteten „Hohenester-Mehlbeere“ (Sorbus hohenesteri), die heu- die enthaltene Sorbinsäure senkt die Schimmel-
einheimischen Mehlbeeren-Arten seien die Echte Mehlbeere, die te mit nur etwa zwölf Exemplaren zu den höchst selte- grade.“ Früher nutzte man getrocknete, verriebene
Eberesche und die Elsbeere. nen und am meisten gefährdeten Baumarten Europas Mehlbeeren zum Konservieren von Nahrungsmit-
zählt. teln wie auch als Streckmittel für – genau – Mehl!
„Spannend wird die Sache“, führt Meyer aus, „durch Kreuzungen
zwischen diesen dreien, von denen manche durch genetische Fixie- Auf vereinzelten Felsköpfen steht sie im Seebachtal Da die Bäume langsam wachsen und ohne Förderung
rung eigene Arten gebildet haben, die oft recht selten und nur lokal bei Leutenbach (daher auch „Leutenbacher Mehlbee- keinen für den Markt ausreichenden Stammumfang
verbreitet sind, sogenannte Endemiten. Hier liegt mein Arbeitsgebiet“, re“), das vom „Walberla“ aus zu sehen ist. Erst 1992 erreichen, spielt das Holz wirtschaftlich kaum eine
umschreibt er seine wissenschaftlichen Forschungen samt regelmäßiger wurde sie als eigene Art von Experte Norbert Meyer Rolle. „Die Qualität aber ist gut bis ausgezeichnet“,
Touren ins Fränkische, ständig auf der Suche nach Mehlbeeren und deren entdeckt. „Das war auf einer meiner Erkundungen“, betont Meyer, weshalb das Holz auch im Instrumen-
Variationen. Exakt vermerkt er Standort und Zahl der Arten und Exemplare. murmelt er bescheiden, während Welß aus einem der tenbau (Klarinetten, Gitarren), bei der Drechslerei oder
Regale ein Buch zieht: Meyers 2005 veröffentlichte Kunstschreinerei begehrt sei. Für einen Festmeter Els-
Wo sich Mehlbeeren wohlfühlen? „Im Licht. Auf kalkhaltigen, steinigen Bö- Erstbeschreibung. Benannt wurde die Art nach dem beere oder Speierling berappt man immerhin bis zu
den.“ Gerne stehen sie auf Felskuppen, am Rand von Wäldern und Hecken Hellschichtig Drei Blattunterseiten 1999 verstorbenen Adalbert Hohenester, einst Profes- 2200 Euro, für besonders hochwertige Furnierstämme
oder an Hangkanten, etwa in der Fränkischen Schweiz. mit der charakteristisch weißlich- sor für Geobotanik in Erlangen und ein herausragender an die 8000 Euro pro Kubikmeter.
hellen Fläche: „Fränkische Mehlbee- Pflanzensoziologe in Süddeutschland.
„Sie sind Vorwaldarten, wurzeln sehr schnell in die Tiefe und tackern die re“ (S. franconica), gelbgrün Zwar sind Mehlbeeren, die eher Waldklima im Rücken
lebende Bodenschicht geradezu am Hang fest, so dass sie bei schweren Re- filzig (links); „Hügel-Mehlbeere“ Die Rettung der „Hohenester-Mehlbeere“ soll mit dem brauchen, für die Stadt als Extremstandort im Klima-
genfällen nicht so schnell rutscht“, beschreibt der 69-Jährige. „Zudem sind (S. collina), weißfilzig mit Tennis- Aufbau einer Erhaltungszucht in den Botanischen Gär- wandel weniger geeignet, doch bieten sie mit herrli-
sie als Pioniere tätig, wenn sich – zum Beispiel durch einen Erdrutsch – die schläger-Blattform (Mitte) – häu- ten Erlangen, Regensburg und Bayreuth gelingen. „Für cher Blüte, Früchten, schöner Herbstfärbung und ihrer
Landschaft öffnet.“ Die Hügel-Mehlbeere (Sorbus collina) wächst in bis zu figste Art in der Frankenalb und ein bedrohte Arten wäre es, mit Hilfe der Botanischen Gär- Sonnenliebe als Gartenzierbaum genussreiche Vortei-
700 Metern Höhe (niedrigere Mittelgebirge), die Zwerg-Mehlbeere (Sorbus Elternteil bei der Entstehung der ten, eigentlich eine hoheitliche Aufgabe des Staates, le. „Baumschulen oder Gärtnereien bieten zwar ver-
chamaemespilus) in den Bayerischen Alpen oder in den Vogesen bis zur beiden anderen; „Gößweinsteiner Exemplare vorzuhalten, von denen man nachzüchten schiedene Formen wie rot- oder weißfrüchtige Eber-
Baumgrenze. Mehlbeere“ (S. pulchra), silbergrün könnte“, sagt Meyer. „Es könnte besser laufen, wenn eschen aus dem Himalaya an, doch sind einheimische
filzig, schmäleres Blatt und gezack- spezialisierte Baumschulen vernünftige Stückzahlen Arten dort nicht zu kriegen.“ Mayers betrübte Miene
ter/schärfer gelappt (rechts) durch
Wo Wälder einst durch die Beweidung mit Schafen und Rindern offengehal- den Einfluss der Eberesche. bereithalten würden. Botanische Gärten können we- spricht Bände. Eine ökologisch wertvolle Marktlücke,
ten wurden, hatten Mehlbeeren bessere Chancen. „In Franken stehen auch gen Platzmangels nur nachziehen – und das dauert!“ die gewitzte Gärtner füllen könnten!
deshalb etliche Arten auf der Roten Liste, weil diese auflichtenden Tätig-
keiten weniger werden und mehr Wert auf große Stämme eines Hochwalds So lange jedoch die Kenntnisse über Mehlbeeren we-
denn auf Brennholz aus einer Nieder- oder Mittelwaldnutzung gelegt wird“, Wertvolle Früchte für Mensch und Tier der bei Waldbesitzern noch in der Bevölkerung zuneh-
erläutert der Experte. men, scheint der Schutz und die Vermehrung bedroh-
Was würde geschehen, wenn etliche Arten verschwin- ter Arten und einzigartiger Vorkommen ein Fall für
den? „Vermutlich würde man es kaum bemerken“, Experten zu bleiben.
Selten und oft kaum beachtet befürchtet Walter Welß, wenngleich die Existenz der
Mehlbeeren natürlich zur Biodiversität des Ökosys-
„Viele Landwirte haben die Mehlbeeren meist gar nicht auf dem Schirm.“ tems und zu dessen Stabilität beitrage. „Ob es ein Tier
So kann es passieren, dass Fichten absterben, der Bauer deshalb den Wald gibt“, überlegt Meyer laut, „das nur von Mehlbeeren
abräumt und damit unbewusst auch 50 Prozent einer seltenen Mehlbee- lebt, ist mir nicht bekannt.“ Bienen könnten sicher an-
ren-Art. Fällt ihm ein besonderer Baum auf, sucht Meyer oft den Kontakt zu dere Blüten besuchen, doch seien hierzulande im Zeit-
Waldbesitzern, und nicht selten reagieren sie positiv: lassen die Mehlbee- raum Ende April bis Anfang Mai eben nicht beliebig
ren stehen oder verschaffen ihnen, durch gezielte Entnahme beschattender viele Futterquellen für die rund 450 Wildbienenarten
Gehölze, sogar mehr Sonne. Wie aber erkennt der Laie, dass es sich über- und weitere Blütenbesucher verfügbar.
haupt um eine Mehlbeeren-Art handeln könnte?
„Vergleichbares gilt für die Früchte, die vor allem für
Deutliche Unterschiede bestehen in der Rinden- und Blattausprägung. Am Vögel, Mäuse, aber auch für Dachs, Wildschwein und
meisten hilft jedoch der Blick auf die Blatt-Unterseite: Sie ist deutlich hell weitere als Ernährungsbestandteil dienen. Ohne die
und zeigt meist eine weißliche, filzige Behaarung. Dass gerade die einhei- Früchte wäre ihr Lebensraum weniger stabil und ihre ei-
mischen Arten derart unbekannt sind, macht besonders den extrem selte- gene Population eventuell anfälliger für Schwankungen.“
nen, die nur in begrenzten Arealen vorkommen, das Überleben schwer.
Für den Menschen liegen die Potentiale unter an-
So ergeht es beispielsweise der „Gößweinsteiner Mehlbeere“ (Sorbus pul- derem in der Verarbeitung der mehlig-süß schme- Mehlbeeren-Kenner Norbert Meyer (links) und Walter Welß
chra) im Raum Gößweinstein, der „Schnizlein-Mehlbeere“ (Sorbus schnizlei- ckenden „Miniatur-Äpfelchen“ zu Saft, Essig und im Botanischen Garten Erlangen mit einem Exemplar der
niana) in der nördlichen Frankenalb – ein Exemplar ist im Tiergarten neben Konfitüre. „Die Gerbstoffe der Elsbeere etwa wir- von Meyer als Art beschriebenen „Hohenester-Mehlbeere“
der Anlage der Dybowski-Hirsche zu bewundern –, insbesondere aber der ken wie Aktiv-Kohle als Antidurchfall-Mittel, und (S. hohenesteri). Von dieser stark gefährdeten Art gibt es nur
noch zwölf Exemplare in Franken.
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