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 GEFÄHRDUNG HEIMISCHER






 AMPHIBIEN UND REPTILIEN








 Wenn von bedrohten Amphibien und Reptilien gesprochen wird, denken vermutlich
 viele Menschen nicht unbedingt an Tiere vor unserer Haustür. Dennoch gelten zahl-
 Schwerpunktthema Freie Natur?
 reiche heimische Arten inzwischen als gefährdet. Dies wird sich in Zukunft nur ver-  Das Aussetzen von Tieren ist grundsätzlich aus guten Gründen
 bessern, wenn wir unseren Lurchen und Kriechtieren tatkräftig helfen.  illegal.  Einerseits  sind  die  hiesigen  Bedingungen  für  die  Arten
                     oftmals ungeeignet. Es ist vorher schwer abzuschätzen, ob ein
 Dr. Johannes Penner, Biologe und Kurator für Forschung und Zoologie bei Frogs & Friends e. V. und Heiko Werning,   Ort geeignet ist und die Individuen dort überleben können. Vie-
 mitverantwortlich für Kommunikation & Management sowie Artmanager für Amphibien bei der Citizen Conser-  le ausgesetzte Tiere sterben deshalb relativ schnell. Dramatisch
 vation Foundation gGmbH  können die Einflüsse auf heimische Arten sein. Dies kann durch
                     direkte Konkurrenz verursacht werden. Zum Beispiel sind nicht-
                     heimische Schildkröten oftmals größer, stärker und effizienter in
                     der Nahrungsbeschaffung als die heimische Europäische Sumpf-
 n Deutschland gelten aktuell 20 Am- ihres Verbreitungsgebietes in Deutschland   schildkröte. Gelegentlich sind nicht-heimische Arten Räuber hei-
 phibien- und 14 Reptilienarten als hei- etabliert. Zornnattern (Coluber) aus Italien   mischer bedrohter Arten oder bringen Krankheiten mit fatalen
 Imisch. Dazu gehören bei den Amphibien  werden in einem kleinen Gebiet im Saarland   Folgen mit. So wird angenommen, dass mit Krallenfröschen die
 14 Froschlurcharten (Frösche, Kröten und  gefunden.  Bei  den  Schildkröten  ist  die  Situ-  Verbreitung einer neuen Linie eines Amphibienpilzes für lokale
 Unken) und sechs Schwanzlurcharten  (Sala- ation noch unübersichtlich. Ähnlich wie bei   Aussterbeereignisse gesorgt hat. In Nordamerika haben nicht-hei-
 mander und Molche), bei den Reptilien eine  den Mauereidechsen wurden Individuen der   mische Schlangen Lungenparasiten verbreitet, die nun den dorti-
 Schildkrötenart sowie sechs Echsen- (Blind- heimischen  Europäischen  Sumpfschildkrö-  gen Schlangen zusetzen.
 schleiche und Eidechsen) und sieben Schlan- te (Emys orbicularis) aus anderen Regionen   Genetische Vielfalt ist für viele Arten wahrscheinlich enorm wich-
 genarten (Nattern und Vipern). Der Kenntnis- Europas bei uns ausgesetzt. Aber auch nicht   tig, um sich an verändernde Umweltbedingungen, wie sie mit dem
 stand kann sich dabei durchaus noch ändern:  heimische Arten aus Europa, Amerika und   Klimawandel beobachtet werden, anpassen zu können. Das Ein-
 So wird seit 2017 die Barrenringelnatter (Na- Asien werden regelmäßig bei uns in der Na-  schleppen nicht-heimischer Individuen gefährdet die genetische   Nicht heimisch – Falsche Landkartenhöcker-
 trix  helvetica) als eigenständige Art aner- tur gefunden, und mittlerweile pflanzen sich   Vielfalt heimischer Populationen akut und kann dazu führen, dass   schildkröten kommen ursprünglich aus
 kannt, die ihr Verbreitungsgebiet in Deutsch- mindestens drei nicht-heimische Schildkrö-  viele lokale Anpassungen verloren gehen, und damit zur Gefähr-  Nordamerika. Dennoch sind sie inzwischen
 land im Westen hat, aber auch ganz im Süden  ten selbständig bei uns fort.  dung von Arten beitragen.  auch in Deutschland weit verbreitet und
 Bayerns zu finden ist.                                                         reproduzieren zumindest in Freiburg
 Hinzu  kommen  nicht-heimische  Arten, die                                     selbständig in der Natur.
 durch anthropogene Aktivitäten, also durch
 den Menschen, in jüngerer Zeit teilweise ab-
 sichtlich und teilweise unabsichtlich ausge-
 setzt wurden. So werden Nordamerikanische
 Ochsenfrösche (Lithobates catesbeianus) im
 Rheingraben bei Karlsruhe gefunden und Ita-
 lienische Höhlensalamander (Speleomantes
 italicus) im Solling in Niedersachsen. Süd-  Auf dem Rückzug – Die Populationen der Kreuzotter an vielen Standorten
 afrikanische Krallenfrösche (Xenopus laevis)   erfahren deutliche Rückgänge. Gründe in der Vergangenheit sind Veränderungen
 wurden zeitweise in Hamburg ausgesetzt,   der Lebensräume. Aktuell kommt vermutlich zusätzlich der Rückgang der
 aktuell breiten sie sich in Frankreich aus. In   Beutetiere hinzu. Inwieweit Populationen genetisch schon zu stark dezimiert
 Belgien konnten sie wieder erfolgreich ent-  wurden, um langfristig überleben zu können, ist bei uns bisher noch nicht
 fernt werden. Mauereidechsen (Podarcis mu-  untersucht. Kreuzottermännchen vergleichen im Frühjahr ihre Stärke in soge-
 ralis) haben ein großes Verbreitungsgebiet in   nannten Kommentkämpfen.
 Europa, und neben den heimischen wurden
 über 110 Populationen aus anderen Regionen



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