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 FEUER ODER FREI?    dafür aber gesetzmäßig. Die Verordnung zur   schaft wird man auch immer Wildtierbestän-
                     Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes
                                                              nur von seiner Anzahl ab. In der Kulturland-
                     formuliert es unmissverständlich:  „Jagdre-
                                                              de regulieren müssen, dies bleibt nicht aus
                     viere, soweit sie außerhalb eines Rotwildge-
 DER FALL ROTHIRSCH  bietes oder eines Wildgeheges liegen, sind   und es gehört dazu, es muss nur mit Vernunft
                     rotwildfrei zu machen und zu halten“. Auch
                                                              getan werden. Würden wir unser eigenes Han-
                                                              deln immer ähnlich kritisch mit Blick auf dar-
                     in den anderen Bundesländern sieht es oft
                     nicht besser aus. Dies gibt es so für keine an-  aus resultierende Schäden betrachten, wie wir
 Rothirsche sind die derzeit größte, landlebende Säugetierart in Deutschland, die   dere einheimische Tierart. Interessant daran   es bei Tieren tun, dann würden wir uns wohl
 noch Populationen bildet. Eigentlich benötigen sie große Wandergebiete, doch   ist auch, dass ein Rothirsch außerhalb eines   alle anders verhalten.
 die werden ihnen gesetzlich verwehrt.  Rotwildgebietes gar keinen Schaden ange-  Um dem Rothirsch zu helfen, muss er nicht
                     richtet haben muss, damit man ihn quasi   unbedingt  flächendeckend  in  großen  Stück-
 Jörg Beckmann       per land- und forstwirtschaftlichem finalem   zahlen vorkommen. Er muss sich aber gene-
 Schwerpunktthema Freie Natur?
                     Rettungsschuss unschädlich machen darf.   tisch austauschen können. Dafür müssen wir
                     Wölfe (Canis lupus), selbst Biber (Castor fiber)   ihm erlauben, zwischen den einzelnen Vor-
 J eder hat sie schon einmal im Fernsehen ge- zum sogenannten intermediären Typ. Dies   hingegen müssen sich in der Regel erst durch   kommen zu wandern. So lassen sich langfris-
 sehen, die großen Tierwanderungen. Wenn  bedeutet, dass sie sowohl Gräser und Kräu-
                     fressen an ungeeigneter Stelle und Nahrung
                                                              tig überlebensfähige Populationen erhalten,
 über eine Millionen Streifengnus (Conno- ter, aber auch Blätter und Triebe von Bäu-  den Namenszusatz „Schad“ verdienen, bevor   deren genetische Vielfalt ihr Rüstzeug gegen
 chaetes taurinus) auf der Suche nach guten  men fressen. Je nach Region und Geschlecht   man sie letal entnehmen darf. Allerdings ha-  Veränderungen ist, auch gegen den men-
 Weidegründen durch die Serengeti ziehen,  kann er 80 bis 250 Kilogramm auf die Waage   ben beide Arten auch einen anderen Schutz-  schenverursachten  Klimawandel. Deutsch-
 dann  sind  dies  faszinierende  Bilder.  Drama- bringen und er lebt gesellig in Rudeln, als   status als der Rothirsch.  land ist nach wie vor sehr wohlhabend, ein
 turgisch unterbrochen von Flußquerungen,  Wiederkäuer muss er seinen Pansen regel-  Wir  leben  in  einer  Kulturlandschaft,  keiner   paar Hirsche in der Landschaft könnten wir
 in denen Krokodile und reißende Strömun- mäßig  füllen.  Dies  kann  zu  Konflikten  mit   Wildnis mehr. Wir haben Ansprüche an unse-  uns auch leisten. In manchen Bundesländern
 gen lauern. Freiheit hat auch hier ihren Preis.   uns Menschen führen, wenn er auf land-  re Landschaft, auch deswegen heißt es Land-   bessert sich die Situation des Rothirsches
 Ähnliches spielt sich bei Rentieren (Rangifer  wirtschaftlichen Nutzflächen oder im Wald   und Forstwirtschaft. Es geht also um Zahlen,   und  die  Tiere  dürfen  zumindest  teilweise
 tarandus) oder Karibus, wie die Tiere in Nord- frisst. Rothirsche sind durchaus in der Lage,   auch beim Rothirsch. Ob eine Art bedroht ist,   wandern. Frei ist der „König des Waldes“ aber
 amerika genannt werden, ab. Auch hier gibt  aus unserer Sicht Schäden zu verursachen.   einen günstigen Erhaltungszustand erreicht   noch lange nicht.
 es wandernde Herden, die aus vielen 100.000  Vor allem sogenannte Schälschäden sind in
 Individuen bestehen können. Wandern ge- der Fortwirtschaft gefürchtet. Diese entste-
 hört zu ihrem Leben und ohne Wanderungen  hen, wenn die Tiere Baumrinde fressen, für
 könnten sie nicht überleben. Sie brauchen die  sie nur eine Notnahrung, wenn ihnen nichts
 Freiheit, dorthin ziehen zu können, wo sich  Anderes  zur  Verfügung  steht.  Das  schadet
 die für sie besten Lebensbedingungen bieten.  natürlich dem Baum und dem Wald. Dabei
 Vergleichbar große Tiere gibt es auch bei uns:  leben Rothirsche eigentlich lieber in halb-
 den Rothirsch (Cervus elaphus). Dabei stellt er  offenen Landschaften und fressen hier Gras,
 bei uns die derzeit größte landlebende Säu- nicht Rinde im dichten Wald. Doch dorthin
 getierart dar, die noch Populationen bildet.  drängen wir Menschen ihn.
 Unzählige Wirtschaften „Zum Hirschen“ las- Allein schon aufgrund seines Schadpoten-  Grenzüberschreitung – Sobald der Rothirsch sein
 sen sich finden, traditionell ziert sein Geweih  tials darf sich der Rothirsch in Deutschland   gesetzlich definiertes Gebiet verlässt, ist er oft zum
 so manche Försterei, manches Forstamt oder  nicht frei bewegen, seinen Lebensraum nicht   Abschuss freigegeben.
 manchen Forstbetrieb, auch das Wappen  frei wählen. Es gibt gesetzlich festgelegte
 von Baden-Württemberg. Sogar den heiligen  Rotwildgebiete. Dort darf er sich bewegen
 Hubertus von Lüttich soll er bekehrt haben.  und etwas wandern, leben und wird durch
 Noch heute wird ihm am 3. November, dem  den Menschen reguliert, sprich gejagt. Da-
 Hubertustag, gedacht. Viele haben ihn schon  bei werden in der Regel ungefähr so viele
 im Urlaub in den Bergen an der Winterfütte- Tiere geschossen, wie geboren werden. Die
 rung gesehen, noch mehr kennen und schät- Population bleibt stabil und wird nachhaltig
 zen ihn als Gulasch.  genutzt. So versucht man, die unterschied-
 Bei all dieser Aufmerksamkeit sollte man  lichen Interessen in Einklang zu bringen. Da-
 meinen,  dass  wir  als  Gesellschaft  verant- bei ist Wildfleisch auch ein sehr hochwerti-  Quellen
 wortungsvoll  mit  ihm umgehen, gehört  ges und lokal produziertes Lebensmittel.  Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes,
 er doch in unsere Natur und offensichtlich  Gejagt wird er jedoch auch außerhalb dieser   § 17 Rotwildgebiete (2) Jagdreviere https://www.gesetze-
 auch in unsere Kultur. Das tun wir aber nicht.  Gebiete, die in Bayern 14 Prozent der Landes-  bayern.de/Content/Document/BayAVJG-17)
 Rothirsche sind Pflanzenfresser und zählen  fläche ausmachen, nur eben nicht nachhaltig,



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