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Schwerpunktthema Nachhaltigkeit im Tiergarten     manatimagazin 22|02




 BILDUNG FÜR   1921


                          wurde das Gut Mittelbüg bei Schwaig von der Stadt Nürnberg übernommen. Vor gut 50
                          Jahren ging die Zuständigkeit an den Tiergarten Nürnberg über, womit der Tiergarten als
 NACHHALTIGE   ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Bereits 1997 konstituierte sich ein stadtinterner Arbeitskreis, um das
                          einziger Zoo Deutschlands einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet –
             Gut Mittelbüg auch zu einem eigenen außerschulischen Lernort zu entwickeln. Seit 2014 schließlich wird
 ENTWICKLUNG   das heutige umweltpädagogische Konzept umgesetzt.

             Jetzt gibt es zahlreiche unterschiedliche Programme auf Gut Mittelbüg. Die Resonanz zeigt, dass ein ech-
             ter Bedarf an Angeboten besteht, die Kindern und Erwachsenen einen multisensorischen Kontakt zu The-
 IM TIERGARTEN UND   men wie Boden, Pflanzen und Tieren ermöglichen. Ein Vorteil dabei ist, dass diese Angebote auf dem bio-
             zertifizierten Gut Mittelbüg vollkommen unbeeinflusst von anderen Personengruppen wie Besucherinnen
             und Besuchern stattfinden können.
 AUF GUT MITTELBÜG  Die originale Begegnung mit der belebten Natur ist dabei stets das zentrale Ziel sämtlicher umwelt- und

             naturpädagogischer Aktivitäten auf Mittelbüg. Bei der gemeinsamen Arbeit auf dem Schulacker, dem
             Säen, Pflanzen und Pflegen der Kulturen werden UN-Ziele wie „Kein Hunger“ oder „Gesundheit und Wohl-
 Der Tiergarten Nürnberg betreibt seine Zooschule bereits seit 1986. Das Ange-  ergehen“ scheinbar nebenbei problematisiert. Auf den Ackerflächen arbeiten Schulklassen mit dem Ele-
 bot ist sehr umfangreich und umfasst neben verschiedenen Freizeitangeboten   ment Erde. Dabei reift ein nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung gesunder Böden. Interessant ist
 wie Kindergeburtstagen, Tierbegegnungen und Führungen während und außer-  dabei, zu beobachten, dass der anfängliche Widerwille in die Erde zu greifen, bei ersten Ernteerfolgen
 halb der Öffnungszeiten auch Angebote für Bildungseinrichtungen wie Schulen,   sofort überwunden ist und die Kinder sprichwörtlich „geerdet“ werden. Idealerweise wird auf dem Gelän-
 Kindergärten oder Universitäten. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz   de außerdem die Verwandlung der großen Misthaufen, die aus dem Dung der Pflanzenfresser aufgetürmt
 BNE, bekommt in all diesen Angeboten einen immer größeren Stellenwert.   werden, in wertvollen Dünger für die Felder wie auch Erde für den Gartenbau sichtbar: Diese multisenso-
             risch erlebbare Kreislaufwirtschaft zeigt einen Aspekt einer nachhaltigen Produktion auf.
 Christian Dienemann, Zoopädagoge, und Barbara Reinhard, Zoopädagogin des Tiergartens, stellen die An-
 sätze der BNE des Zoos vor.  Außerdem wird ein praktischer Bogen von der Ernte der Feldfrüchte bis zum gemeinsamen Verzehr gespannt.
             Andere Unterrichtselemente zielen auf den bewussten Konsum. Dabei stehen die Milch- und Eierproduktion
             exemplarisch für das Themengebiet Ernährung, der angebaute Textilhanf und die stets verfügbare Wolle von
             Schaf und Alpaka für die Thematik Kleidung. Der Aspekt des Artenschutzes im eigenen Umfeld wird beim
 er Tiergarten Nürnberg ist mit seiner zoopädagogischen Stabstelle der größte außerschuli-  Programm „Querbeet&Querfeldein“ beleuchtet. Die Beschäftigung mit „Leben an Land“ ist auf dem Gut in
 sche Lernort Nordbayerns. Hierbei sollte man die gesamte Fläche der Einrichtung von über   vielfältiger Weise möglich: Boden, Wiese, Hecke, Wald liegen geradezu „aufgereiht“ nebeneinander und kön-
 D65 Hektar als Erlebnisort und Klassenzimmer verstehen. An und zwischen den Gehegen wird   nen im Kausalzusammenhang oder einzeln betrachtet werden. Für die unterrichtliche Auseinandersetzung
 Jung und Alt die Faszination für die belebte Natur nähergebracht. Wichtig ist der Zoopädagogik hier-  mit Leben am und im Wasser bietet Mittelbüg ebenfalls „Raum für echte Begegnung“. Im „Lebens-Raum-
 bei, dass Raum gelassen wird für die originale Begegnung mit dem Tier. Das multisensorische Erle-  Garten“ kommen im kleinen Tümpel Wasserläufer, Rückschwimmer, Gelbrandkäfer und der Kleine Wasser-
 ben sorgt dafür, dass so selbst scheinbar trockene Zooschulthemen wie „Die Vielfalt der Säugetiere“,   frosch vor und wecken stets das Interesse der Gruppen. Im Biotop am westlichen Entwässerungsgraben le-
 „Reptilien“ oder „Evolution der Primaten“ lebendig werden. Neben der Vermittlung von biologischen   ben unter anderem Eisvogel und Biber. • Barbara Reinhard
 Fakten und  ökologischen Zusammenhängen werden  auch  die Auswirkungen  der Aktivitäten des
 Menschen aufgezeigt. Immer wieder stellt sich dann die Frage „Was kann ich tun?“ Hierbei werden
 nicht richtige oder falsche Antworten gesucht, sondern im Gespräch werden Optionen erörtert und
 Möglichkeiten aufgezeigt. Der eigenen Kreativität wird dabei eine Plattform geboten: Wir vermitteln
 Gestaltungskompetenzen.
                                                                                      Originale Begegnung Wie
 Die Methoden hierfür sind vielfältig: Manchmal ist eine einfache Frage völlig ausreichend, um die Be-  fühlt sich eine Schafsnase
 sucher zum Nachdenken zu bringen. Wenn man beispielsweise über die Wilderei-Problematik beim   an?
 Tiger spricht, ist es sehr einfach, die Wilderer zu verdammen. Doch wie würde man sich fühlen, wenn
 eine solche Großkatze im eigenen Umfeld wild leben würde? Plötzlich werden die Probleme im mo-
 dernen Naturschutz nachvollziehbar, der Stereotyp des bösen Wilderers wird relativiert.

 Unterschiedliche Zielgruppen erfordern unterschiedliche Ansätze. Gerade Kinder, die Entscheidungs-
 träger der Zukunft, sollen diese Zukunft auch nachhaltig gestalten können. Deshalb liegt hier auch
 im Bereich BNE ein Schwerpunkt der zoopädagogischen Arbeit. Als besonders erfolgversprechend er-
 weisen sich dann interaktive Ansätze. So werden beispielsweise spielerisch die Bedrohungsfaktoren
 der Meere vermittelt, erste Lösungsansätze finden die Kinder allein. Doch auch die Verarbeitung von
 Rohwolle „frisch vom Schaf“ zu einfachen Wollfäden und der damit verbundene Aufwand bietet die
 Möglichkeit, über den Wert von Kleidung zu sprechen, über Kinderarbeit und Geschlechterungerech-
 tigkeit: Themen, die man in der Zooschule nicht erwarten würde. • Christian Dienemann




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