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                             Dominanz einer Art auf großer Fläche über eine Vielzahl von Standorten
                             und die damit verbundene Ausprägung von vielen Typen.



                             Größte nutzungsfreie Laubwaldfläche Deutschlands


                             Einer dieser Wälder ist der Nationalpark Hainich in Westthüringen, keine
                             200 Kilometer Luftlinie nördlich von Nürnberg. Dominiert wird der Hainich
                             von artenreichen Buchenwäldern auf Kalk. Entstanden ist der Nationalpark
 EUROPÄISCHES                Ende 1997 mit einer Größe von 7.500 Hektar auf zwei ehemaligen Truppen-
                             übungsplätzen. Der Nationalpark weist die größte nutzungsfreie Laubwald-
 NATURERBE                   fläche in Deutschland auf. Hier gilt der Leitgedanke der deutschen National-
                             parks: „Natur Natur sein lassen“. Das bedeutet, grundsätzlich gibt es keine
 Schwerpunktthema Unser Wald
                             Eingriffe des Menschen, weder aus wirtschaftlichen Gründen, noch um die
 BUCHENWÄLDER                Entwicklung in eine bestimmte Richtung zu lenken oder bestimmte Zu-
                             stände zu erhalten. Es geht um die freie Entwicklung natürlicher Prozesse
                             und Abläufe. Auf seinem Weg zum „Urwald mitten in Deutschland“ braucht
                             der Hainich nur noch eines: Zeit!
 Buchenwälder haben im Naturschutz lange Zeit ein Schattendasein geführt.
 Dabei gehören sie zu den eindrucksvollsten Naturerscheinungen Europas.  Je länger die Nutzungseinstellung im Wald zurückliegt, umso wilder und
                             vielfältiger werden unsere Wälder.
 Manfred Großmann, Leiter Nationalpark Hainich





 on Natur aus würden sie über 900.000 Quadratkilometer  Echte Europäerin Buchen kommen
 bedecken, eine Fläche fast dreimal so groß wie Deutsch-  auf dem gesamten Kontinent vor.
 Vland. Die Buche (Fagus sylvatica) besiedelt hier ein extrem
 breites Standortspektrum: von der Meeresküste und nährstoff-
 armen Dünensanden bis hin zur Waldgrenze in den Bergen, von
 sauren Schiefergesteinen bis hin zu reichen Lehmböden und Kalk-
 gestein. Die Buche ist eine echte Europäerin. Ein Viertel des natür-
 lichen Buchenareals entfällt auf Deutschland, das zu zwei Dritteln
 seiner Fläche von Buchenwäldern bedeckt wäre – und das führt zur
 globalen Verantwortung Europas und Deutschlands.

 Aber: Im einstigen Waldland Deutschland sind Buchenwälder auf
 nur noch 6,6 Prozent ihrer potenziellen Fläche zu finden. Die ver-
 bliebenen Flächen sind von einem Mangel an Strukturen, vor al-
 lem Totholz, gekennzeichnet. Nur 6 Prozent dieser Buchenwälder
 sind älter als 160 Jahre. Größere zusammenhängende Flächen sind
 selten. Echte Buchen-Urwälder sind bei uns längst verschwunden.
 Erst seit wenigen Jahrzehnten können sich auch in Deutschland
 wieder Buchenwälder in Schutzgebieten natürlich entwickeln.

 2011 wurde die Welterbestätte „Buchenurwälder der Karpaten“ um
 fünf alte Buchenwälder in Deutschland erweitert (2017 und 2021
 wurde diese Welterbestätte nochmals deutlich erweitert und da-
 bei auch umbenannt). Sie repräsentieren die wertvollsten Relikte
 relativ großflächiger naturnaher Buchenwälder. Die besondere
 Stellung der Buchenwälder auch im globalen Kontext, die Wieder-
 ausbreitung dieser Art nach der Eiszeit und die noch anhaltende
 Dynamik dieses Vorganges sind Punkte, die dazu führten, dass Bu-         Zuhause Buchenwälder bieten
 chenwälder als Weltnaturerbe ausgewiesen wurden – ebenso die             einen Lebensraum für zahlreiche
                                                                          Pilz-, Pflanzen- und Tierarten.

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