Page 22 - TGN_manatimagazin_24-04_FPX-JS8
P. 22

Schwerpunktthema Unser Wald                                                                                                                                     manatimagazin 24|01




             Untersuchungen zeigen, dass im Wirtschaftswald  Selbst naturnahe Wälder sterben – ein Alarmzeichen                     Wir sollten darauf achten, dass die nächste Waldge-  arten liegt ein unbekanntes Gefahrenpotential vor,
             nicht alle Arten in ausreichenden Populationen ge-                                                                     neration – hoffen wir und tun alles dafür, dass es die  die Wald-Lebensgemeinschaften könnten sich stark
             sichert werden können. Ebenfalls klar ist, dass un-  Unser Wald, wie wir ihn die letzten Jahrzehnte ken-               veränderten Klimaverhältnisse wieder auf allen der-  verändern. Hier gilt es, sehr vorsichtig zu sein. Es gibt
             bewirtschaftete Wälder allein unsere Waldlebensge-  nen, wird sich in den nächsten Jahren sehr schnell und             zeitigen Waldflächen zulassen – naturnäher, laubholz-  von Natur aus mindestens 50 Baumarten bei uns – ist
             meinschaften nicht  ausreichend  sichern  können. Es  umfassend verändern. Das gilt besonders für die na-              reicher und vielfältiger wird und diese Wälder wirklich  deren Potential wirklich ausgereizt?
             braucht also auch den Wirtschaftswald für den Arter-  turfernen Altersklassenwälder mit Fichte und Kiefer,             nachhaltig bewirtschaftet werden. Gerade beim Wald
             halt, den Klimaschutz und für den Rohstoff Holz. Aber  den  beiden häufigsten Baumarten in Deutschland.                mit seinen langen Entwicklungszeiträumen sind un-  Schöpfen wir Kraft aus der Natur, aus Wanderungen
             müssen tatsächlich 100 Prozent unserer Wälder ge-  Aber grundsätzlich werden durch den Klimawandel                     überlegte Schnellschüsse fehl am Platz. Der Wald der  durch alte Laubwälder und versuchen Einfluss zu neh-
             nutzt sein? Reichen nicht auch 95 Prozent?       alle  Waldgesellschaften  in  Mitleidenschaft  gezogen,               Zukunft muss zur Risikominimierung mehr Baumar-  men auf die nächste Waldgeneration im eigenen Um-
                                                              insbesondere Wälder  auf Trockenstandorten  oder in                   ten pro Fläche aufweisen als in der Vergangenheit. Es  feld. „Es gehört für mich zu den zentralen Aufgaben
                                                              Feuchtgebieten. Das Sterben selbst naturnaher Wälder                  sollte mehr natürliche Verjüngung zugelassen werden,  einer zukunftsorientierten Politik, das reiche Natur-
             Naturschutzbelange in die Bewirtschaftung integrieren  ist ein Alarmzeichen! Um den einzigartigen Lebens-              eine künstliche Bepflanzung sollte die Ausnahme sein  erbe für unsere Kinder und Enkel zu bewahren“. Die-
                                                              raum Wald zu erhalten, müssen weltweit deutlich ver-                  und wenn, dann nur punktuell. Beim zum Teil propa-  ser Satz von Bundespräsident Horst Köhler sollte uns
             Wie viel nutzungsfreie Fläche soll es nun sein? Die  stärkte Anstrengungen gegen den Klimawandel unter-                gierten großflächigen Einsatz von exotischen Baum-  dabei Auftrag und Verpflichtung sein – es lohnt sich.
             Bundesregierung hat in der Nationalen Biodiversitäts-  nommen werden. Es gilt, die Ursachen zu bekämpfen
             strategie 2007 als Ziel formuliert, dass der Flächen-  und nicht die Symptome.
             anteil der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung 5
             Prozent der Waldfläche betragen soll. Zwar ist es nicht
             wie angestrebt gelungen, dieses Ziel bis 2020 zu er-
             reichen – aktuell sind es rund 3 Prozent –, aber die Be-
             mühungen zur Zielerreichung gehen weiter. Erreicht
             werden kann es nur, wenn im Staatswald – das ist der
             Wald, der allen Bürgern gehört – deutlich mehr Flä-
             chen aus der Nutzung genommen werden als bisher.
             Wir brauchen einen nachhaltig genutzten Wald auf
             der weit überwiegenden Fläche und wir brauchen „Ur-
             wälder“ auf wenigen Prozent. Wir brauchen Integrati-
             on von Naturschutzbelangen in die Bewirtschaftung,
             um ökologische Mindeststandards zu erreichen und
             wir brauchen die Segregation in Form des völligen
             Nutzungsverzichts.

             Dem Wald insgesamt stehen aber schwierige Zeiten
             bevor, durch den Klimawandel ist er bereits mitten-
             drin. Schon heute sind vor allem in den Mittelgebirgen
             riesige Flächen, einstmals mit Fichte bepflanzt, abge-
             storben. Die dadurch entstandenen Freiflächen, zum
             Teil komplett beräumt und – man glaubt es kaum –
             wieder mit Fichten bepflanzt, fallen als Lebensraum
             für Waldbewohner auf lange Sicht aus, von den sons-
             tigen negativen ökologischen Folgen ganz zu schwei-
             gen. Erschreckend sind auch große Kahlschläge in Flo-
             ra-Fauna-Habitat(FFH)-Gebieten mit Buchenwäldern,
             begründet mit den Auswirkungen des Klimawandels.

             Hitze und Trockenheit haben seit 2018 auch den Wäl-
             dern im Nationalpark Hainich zugesetzt, insbeson-
             dere an südwestexponierten, steilen Hängen oder
             flachgründigen Standorten. Nahezu im gesamten Na-
             tionalpark sind einzelne abgestorbene Altbuchen oder
             kleine Gruppen toter Buchen zu finden. Im Rahmen
             der Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung hat die
             Nationalparkverwaltung das Thema „Trockenschäden“                                                                                                                                  Prozessschutz Im Nationalpark
             aufgegriffen, um zu sensibilisieren und mit Infotafeln                                                                                                                             bleibt die Natur weitestgehend
             die Gefahren des Klimawandels zu unterstreichen.                                                                                                                                   sich selbst überlassen, auch
                                                                                                                                                                                                nach Stürmen.
                                                            22
   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26   27