Page 7 - TGN_manatimagazin_24-04_FPX-JS8
P. 7
manatimagazin 24|01 manatimagazin 24|01
WAS IST EIN Fche von 0,5 Hektar haben, seine Bäume müssen mindestens
ür die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
Vereinten Nationen (FAO) muss der „forest“ eine Mindestflä-
WALD? der Fläche beschatten. Städtische Parks, Obstplantagen und ande-
fünf Meter hoch sein und ihre Kronen mindestens zehn Prozent
re landwirtschaftlich genutzten Areale sind ausgenommen.
Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klima-
änderungen (UNFCCC) lässt den Ländern dagegen mehr Definiti-
onsfreiheit und folglich mehr politischen Spielraum beim Schutz
des Waldes. Die Mindestfläche darf zwischen 0,01 und einem Hek-
tar variieren, die Baumhöhen zwischen zwei und fünf Metern und
die Mindestkronenabdeckung zwischen zehn und 30 Prozent.
Schwerpunktthema Unser Wald
Wenn wir das „große Ganze“ nicht mehr erkennen, „sehen wir den
Wald vor lauter Bäumen nicht“. Die Frage, was ein Wald ist oder sein In der Schweiz gilt eine mit Bäumen und Sträuchern bewachsene
soll, hängt jedoch stark vom Zeitgeist ab und wird nicht zuletzt von Fläche als Wald, wenn sie breiter als 50 Meter ist und die Baumkro-
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Interessen be- nen mehr als 20 Prozent des Bodens bedecken. In Österreich muss
einflusst. Ein Jäger nimmt den Wald anders wahr als ein Forstwirt, die mit Holzgewächsen bewachsene Fläche dagegen nur zehn Me-
ein Spaziergänger anders als ein Pilzsammler, ein Waldtherapeut, Vo- ter breit und mindestens 0,1 Hektar groß sein, um als Wald ange-
gelfreund, Käferspezialist, Märchenerzähler oder Hydrologe. Die Liste sprochen zu werden.
ließe sich endlos fortführen. Nach einer Studie von 2008 gibt es welt-
weit über 800 Definitionen von Wald. Das deutsche Bundeswaldgesetz entstand vor fast 50 Jahren. Kli-
mawandel und Artenschutz spielten in der öffentlichen Diskus-
Dr. Mathias Orgeldinger, Biologe und Journalist sion damals noch keine Rolle. In Paragraf 2, Absatz 1 definiert es
den Wald als „jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als
Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen,
Waldwege, (…) Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze so-
wie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.“
Diese Walddefinition orientiert sich einzig an der forstwirtschaftli-
chen Nutzung. Das Bayerische Waldgesetz folgt dieser Sichtweise in
Artikel 2, ersetzt allerdings die „Forstpflanzen“ durch „Waldbäume“.
In der aktuellen Debatte um eine Novellierung des Bundeswald-
gesetzes haben der NABU, der WWF, der Deutsche Naturschutzring
und die Deutsche Umwelthilfe einen gemeinsamen Gesetzent- Beinahe unberührt Ein Buchenwald
wurf vorgestellt. Paragraf 2, Absatz 1 soll künftig lauten: „Dieses im Naturwaldreservat bei Ebrach im
Gesetz gilt für jede mit Waldpflanzen bestockte Grundfläche von Steigerwald.
mindestens 0,5 ha einschließlich des Bodens, der Funga (Pilze,
Red.), der Flora, der Fauna und des Klimas des Waldökosystems…“
Damit würde die ökologische Funktion des Waldes bereits in sei-
Durchwachsen Darüber, was ner Definition verankert.
einen Wald ausmacht, gibt es sehr
unterschiedliche Ansichten.
Der Wald als Ökosystem
Jenseits von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, in denen es
hauptsächlich um die Rechte und Pflichten von Waldbesitzern,
den Gemeingebrauch und um den Schutz der verschiedenen Funk-
tionen des Waldes geht, kann eine bewaldete Fläche auch natur-
wissenschaftlich definiert werden. Eine Ansammlung von Bäumen
gilt erst dann als Wald, wenn sie ein eigenes Ökosystem bildet.
Das Kosmos Wald- und Forstlexikon schlägt folgende Definition
vor: „Wald ist ein vernetztes Sozialgebilde und Wirkungsgefüge
6 7