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Nachfahren des Wolfes rein vegetarisch oder vegan ernähren sollte, nicht. Wir orientieren uns an der einer ebenso bedrohten Addax Antilope (Addax nasomaculatus) mag paradox erscheinen, ist es aber
Biologie der Tiere, die wir pflegen. nicht. Die Tiere auszuwildern, statt sie zu töten um sie zu verfüttern, ist keine realistische Lösung:
Jährlich verfüttern wir rund 25 Tonnen Fleisch (überwiegend Rind), ungefähr 70 Tonnen Fisch und Praktisch alle vom Aussterben bedrohte Tierarten leiden unter dem massiven Verlust des Lebensrau-
60.000 Eintagsküken. Dazu kommen noch andere Futtermittel tierischen Ursprungs, wie Eier, Hun- mes und / oder einer nicht nachhaltigen Nutzung, wie Wilderei. So lange diese Probleme im Freiland
defutter, Futtergarnelen usw. Genaue Angaben dazu kann man unseren Jahresberichten entnehmen. nicht gelöst sind, macht auch Auswilderung keinen Sinn, da den Tieren schlicht die Lebensgrundlage
Vom gesamten Fleischbedarf des Tiergartens decken wir aber nur einen Teil aus dem eigenen Tierbe- und Sicherheit für ein langfristiges Überleben in der Natur fehlt. Dabei liegt es aber
stand. 2021 haben wir insgesamt 20 Wildtiere wie Alpensteinböcke (Capra ibex), Prinz-Alfred Hirsche in der Verantwortung der Zoos, langfristig überlebensfähige Populationen der Ar- JÄHRLICH VERFÜT-
(Rusa alfredi) und Przewalski-Pferde (Equus przewalskii), aber auch 24 Hausziegen- (Capra aegagrus ten zu erhalten. Dafür sind Geburten unerlässlich, denn auch im Artenschutz gilt: TERN WIR RUND 25
hircus) und -schafe (Ovis gmelini aries) mit einem Gesamtgewicht von über vier Tonnen getötet und ohne Fortpflanzung kein Fortbestand. In der Biologie vieler Arten, insbesondere TONNEN FLEISCH
(ÜBERWIEGEND
verfüttert. Dieses Fleisch ist dabei ein sehr hochwertiges Futtermittel. Es ist frisch, wir kennen die der auch von uns Menschen zu Speisezwecken gehaltenen Huftiere liegt es, dass RIND), UNGEFÄHR
genaue Herkunft und Lebensbedingungen der Tiere und auch, wann sie wo und wie gestorben sind. man in der Regel oft nur ein oder einige wenige geschlechtsreife Männchen mit 70 TONNEN FISCH
Wir verfüttern nur gesunde Tiere, wie bei der menschlichen Ernährung auch. vielen Weibchen halten kann. Sonst kommt es zu Konflikten in der Gruppe, da die UND 60.000 EIN-
Tierhaltung in Gehegen nun einmal bedingt, dass Tiere nicht abwandern können. TAGSKÜKEN.
Die für die Verfütterung vorgesehenen Tiere werden in ihrer vertrauten Umgebung von Beschäftig- Allerdings ist das Geschlechterverhältnis bei neugeborenen Tieren genauso wie
ten des Tiergartens getötet. Kleinere Nutztiere, wie Ziegen und Schafe, werden per Bolzenschuss bei uns Menschen in der Regel eins zu eins. Folglich werden mehr Männchen geboren, als gehalten
betäubt und anschließend per Blutentzug mittels Kehlschnitt getötet. Unsere Wildtiere, die keinen werden können und zur Zucht benötigt werden. Ein Teil dieser Männchen wird dann später verfüttert.
direkten Umgang mit den Menschen gewohnt sind oder zulassen, werden per Kugelschuss getötet. Daneben werden aber auch ältere und alte Tiere getötet, die ihre Gene entweder schon ausreichend
Je nach Art und abhängig davon, ob die Anlage in Anwesenheit der Tiere betreten oder bei großen oft in die Zoopopulation eingebracht haben oder die altersbedingt aus der Reproduktion herausfal-
Arten auch mit Maschinen zum Bergen befahren werden kann, werden die zur Tötung vorgesehenen len, aber einen wertvollen Platz belegen, der für ein junges, fortpflanzungsfähiges Tier benötigt wird.
Individuen entweder alleine aus dem Stall auf die Außenanlage gelassen oder sie werden in Anwe- Nicht nur in der Natur ist der Platz für wilde Tiere begrenzt, auch in Zoos. Dies ist der Kreislauf des
senheit der Artgenossen aus der Gruppe herausgeschossen. Dies passiert selbstverständlich, ohne Lebens, der von Elton John in Disneys „König der Löwen“ besungene „cirlce of life“, der letzten Endes
dabei die anderen Tiere zu gefährden. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit dem Tierschutzgesetz. auch für uns Menschen gilt.
Das Tier stirbt mit einem Schuss. Die Reaktion der Artgenossen auf
den Schuss folgt, obwohl wir zur Belastungsreduzierung von Men-
schen und Tier überwiegend Schalldämpfer benutzen, immer dem
gleichen Schema: Erschrecken, flüchten und zusammenschließen,
sondieren, routinieren. Bei manchen Arten nähern sich die Tiere
dann dem getöteten Tier noch einmal kurz an, da das „Verhalten“
des Artgenossen, dass regungslose Liegen auf der Anlage trotz der
Flucht der Artgenossen, untypisch ist. Anschließend, nach der Ber-
gung des toten Tieres, kehren sie aber innerhalb kurzer Zeit wieder
zu ihrem normalen Verhalten zurück. Auch in der Natur ist es nor-
mal, dass Gruppenmitglieder sterben oder durch Raubtiere getötet
werden. Würde beispielsweise eine Herde Kaffernbüffel (Syncerus
caffer) nachdem ein Individuum von einem Löwenrudel gerissen
wurde, geschockt oder unter Trauer reaktionsunfähig in der Savan-
ne stehen, dann wäre die Art längst ausgestorben, da sie so eine
zu leichte Beute wäre. Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt.
Damit soll aber nicht behauptet werden, dass Tiere untereinander
keine Bindungen haben.
Wer entscheidet, wie welches Tier stirbt
Die Entscheidung, welches Tier getötet wird, fällen wir dabei nicht
leichtfertig, sondern wir wägen sie gründlich ab. Sie hängt grund-
sätzlich auch von der Art der Tiere ab. Tierarten, die innerhalb des
europäischen Zooverbands EAZA (European Association of Zoos
and Aquaria) im Rahmen eines EEP (EAZA Ex-situ Programme / Er-
haltungszuchtprogramm) gezüchtet werden, werden von einer Ko-
ordinatorin oder einem Koordinator in einem europäischen Zoo zentral organisiert und die einzelnen
Individuen werden entweder an andere Zoos vermittelt oder auch für die Tötung freigegeben. Bei Ende oder Neubeginn? In der Natur gibt es nur noch rund 2.000 der stark gefährdeten Grevy
anderen Arten werden die abzugebenden Tiere im Zoonetzwerk zur Abgabe angeboten. Wenn derzeit Zebras, Zoos bewahren eine wertvolle Reservepopulation. Dieser Hengst, der zum Verfüttern
kein anderer Zoo einen Bedarf an den Tieren hat, dann nutzen wir sie zur Deckung unseres Fleisch- an Raubtiere getötet wurde, hatte seine Gene in dieser Population bereits ausreichend oft
bedarfs. Dabei spielt der Bedrohungsstatus der Art grundsätzlich keine Rolle. Das Töten eines jungen, weitergegeben. Seinen Platz hat jetzt ein Hengst eingenommen, dessen Erbinformationen
vitalen und fortpflanzungsfähigen hochbedrohten Somali-Wildesels (Equus asinus somaliensis) oder noch selten sind.
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