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 Schon Aschenputtel wusste:                                Wald schützt Gams
 die schlechten ins Kröpfchen!                                 ie Alpen-Gämse (Rupicapra rupicapra rupicapra) ist eine in
 ie Rückkehr des Wolfes (Canis lupus) nach Mitteleuropa ist ein viel   Europa endemische, auch in den bayerischen Alpen leben-
 und hitzig diskutiertes Thema, sorgt sie doch für zahlreiche Kon-  Dde Huftierart. Wie andere Arten des Hochgebirges auch,
 WISSENSCHAFT FÜR BESSERWISSER
 Dflikte (siehe auch Ausgabe 01/2021). Seine Wiederansiedelung im   sind Gämsen gegenüber hohen Temperaturen empfindlich. Wird
 Jahr 1995 im Yellowstone Nationalpark hat jedoch eindrucksvoll und wis-  es ihnen zu warm, suchen sie kühlere Bereiche auf. Dabei gibt es
 senschaftlich belegt, welche positiven Effekte er auf ganze Ökosystem   Gämsen, die eher im Wald leben und solche, die zumindest zeit-
 haben kann. Jüngst haben Wissenschaftler den Einfluss von Wölfen auf   weise höher liegende Bereiche bevorzugen. Dies hängt auch von
 Elche (Alces alces) im ebenfalls in den USA liegenden Isle Royal National-  der Verfügbarkeit geeigneter Lebensräume ab. Untersuchungen
 park untersucht. Dafür werteten sie Daten aus 33 Jahren aus und fanden   an 20.573 zwischen 1993 und 2019 in Österreich geschossenen
 dabei Interessantes heraus. Teile der lokalen Elche leiden unter Osteo-  Gämsen haben jetzt ergeben, dass die Gämsen, die in Bereichen
 arthritis, also einer Gelenksentzündung. Davon betroffene Elche wurden   mit einem geringeren, und damit weniger Schatten spendenden,
 häufiger von Wölfen gerissen als gesunde Elche. Dies ist erst einmal we-  Waldanteil leben, über die Jahre hinweg an Körpermasse verloren
 nig überraschend, denn Elche mit entzündeten Gelenken sind auf der   haben. Der Gewichtsverlust betrug je nach Geschlecht durch-
 Flucht vor Beutegreifern eingeschränkt. Interessant wird es, wenn man   schnittlich 500-800 Gramm. Der genaue Grund hierfür ist
 berücksichtigt, dass die Erkrankung genetisch beeinflusst ist. Werden   noch nicht bekannt, allerdings bedingen höhere Temperaturen
 Beutetiere mit genetisch bedingten Erkrankungen bevorzugt   beispielsweise eine schlechtere Futterqualität oberhalb der Baumgrenze und mehr Energieaufwand für die Thermoregu-
 erbeutet und können diese dann nicht mehr weitervererben,   lation. Wald kann also anscheinend die negativen Auswirkungen höherer Temperaturen auf Gämsen abschwächen. Die
 so kann dies dazu führen, dass die Population der Beutetiere   Frühjahres- und Sommertemperaturen stiegen während des Untersuchungszeitraumes an. Sollten sich mehr Gämsen auf-
 an sich gesünder wird. https://doi.org/10.3389/fevo.2022.819137  grund steigender Temperaturen in den Wald zurückziehen, so wird es hier zu vermehrten Konflikten mit den
             menschlichen Interessen daran kommen. Ein stärkerer Verbiss durch die Tiere an jungen Bäumen kann den
             Bergwald schädigen und damit seine Schutzfunktion vor Lawinen, Hangrutschen, Erosion und Steinschlägen
 Auf den Leim gegangen  beeinflussen. https://doi.org/10.1111/gcb.15711
 ass in Misteln (Viscum album) etwas ganz Besonderes stecken muss, wissen
 wir, seitdem Druide Miraculix sie mit goldener Sichel für seinen Zauber-
 Dtrank erntete. Dabei steckt in ihren Beerenfrüchten in der Tat eine ganz   Kultivierende Käfer
 besondere Kraft. Zerdrückt sind diese sehr klebrig. Dadurch haften die darin ent-  on Termiten und Blattschneiderameisen ist bekannt, dass
 haltenen Samen der parasitisch lebenden Pflanze besser auf den Ästen potentiel-  sie im Inneren ihrer Baue Pilze als Nahrung züchten. Jetzt
 ler Wirtspflanzen und können hier keimen. Diese Eigenschaft wurde jetzt genauer   Vwurde dieses Verhalten auch bei einem nicht-staatenbil-
 untersucht, denn das für die Haftung verantwortliche Viscin klebt an verschie-  denden Insekt nachgewiesen: dem Kleinen Holzbohrer (Xylebo-
 densten Oberflächen. Dadurch eröffnen sich interessante biomedizinische Ver-  rus saxeseni). Dabei handelt es sich um einen Rüsselkäfer, der zu
 wendungsmöglichkeiten,  beispielsweise  als  Wundverschluss.  Dies  zeigt  einmal   den Borkenkäfern gehört. Die Art ist in Europa verbreitet und
 mehr den Wert der Natur auf, die für uns eine wahre Schatztruhe sein   besiedelt wenig wählerisch das Holz verschiedener Laub- und
 kann. Vielleicht liegt in der Fähigkeit, zwei Dinge miteinander zu ver-  Nadelbaumarten. Dabei tragen die Käfer Sporen von Ambrosia-
 binden ja der Grund dafür, warum man sich unter Mistelzweigen küsst.   pilzen (Raffaelea spp.) in ihrem Verdauungstrakt und am Körper,
 https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac026  die, wenn sich die Käfer in das Holz bohren, die Tunnelwände
             besiedeln und den Käfern und ihren Larven als Nahrung dienen.
             Diese Pilze wurden bisher nicht außerhalb der Käfer und ihrer
 Passt nicht zusammen!  Fraßgänge gefunden, beide sind also für ihr Überleben aufeinander angewiesen. In einem Experiment konnte jetzt erstma-
 er Schutz von wandernden Tieren, wie Fischen, Vögeln und Säugetieren,   lig bewiesen werden, dass die Käfer durch ihre Tätigkeit ihre Nahrungspilze fördern, nicht nur verbreiten. Dafür
 stellt im internationalen Artenschutz immer wieder ein Problem dar, da   wurden Käfer und Larven aus ihren Gängen entfernt. In Gängen ohne Käfer wurden danach Schimmelpilze und
 Ddiese nicht nur zwischen Ländern, sondern oft auch zwischen Kontinen-  Bakterien häufiger, Ambrosiapilze jedoch seltener. Die Käfer nehmen also Einfluss auf die Artenzusammen-
 ten hin und her ziehen. So auch im Meer. Wissenschaftlerinnen und Wissen-  setzung in ihren Bruträumen. https://doi.org/10.1098/rspb.2022.1458.
 schaftler haben Telemetriedaten von 36 verschiedenen marinen Wirbeltierarten
 aus  fünf  Taxa  (Wale,  Knorpelfische,  Robben,  Meeresvögel  und  Meeresschild-
 kröten) ausgewertet und diese mit der Lage von Meeresschutzgebieten vergli-  FORSCHUNG IM TIERGARTEN NÜRNBERG: WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATION
 chen. Ergebnis: Noch nicht einmal 1 % der Schutzgebiete kann dabei die Arten
 mit dem größten Streifgebiet, wie Steller's Albatrosse (Phoebastria albatrus)   1  Horch amol: Seekühe lassen sich an ihren   3  Mindestens haltbar bis: wie sich Tiefküh-
 und Lederschildkröten (Dermochelys coriacea), auf ihren Wanderungen durch-  individuellen Lauten unterscheiden.   lung und Auftauen auf die Qualität von
 gängig schützen. Nur auf die Größe, nicht die Lage der Schutzgebiete bezogen,   Dietrich, A., von Fersen, L., Hammerschmitt, K.   Futterfischen für Zootiere auswirken.
 könnten jedoch zumindest 40 % dieser Gebiete die Arten mit dem kleinsten   (2022). Signature Calls in West Indian Manatees   Gimmel, A., Baumgartner, K., (…) (2022). Effects of
 Streifgebiet, La-Plata-Delphine (Pontoporia blainvillei) und Maskentölpel (Sula   (Trichechus manatus manatus)? Aquatic Mammals, 48(4), 349-354   Storage Time and Thawing Method on Selected Nutrients in Whole Fish
 dactylatra), vollständig schützen. Werden zukünftig die Telemetriedaten von   for Zoo Animal Nutrition. animals., 12(20), 2847
 verschiedenen Arten zusammengefasst, um Gebiete mit besonderer Bedeutung   2  Spieglein, Spieglein am Beckenrand…
 für mehrere Arten ausfindig zu machen, können Schutzgebiete effizienter aus-  Forschung mit Delphinen im Zoo zur   1  https://doi.org/10.1578/AM.48.4.2022.349
 gewiesen werden. Jüngst sollten in der Antarktis drei neue Meeres-  Selbsterkenntis.   2  https://doi.org/10.1007/s10071-022-01680-y
 schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von fast vier Millionen Qua-  Loth, A., Güntürkün, O., von Fersen, L., Janik,   3  https://doi.org/10.3390/ani12202847
 dratkilometern geschaffen werden. Dies scheiterte jedoch am Veto   V.M. (2022). Through the looking glass: how do marked dolphins use
 von Russland und China. https://doi.org/10.3389/fmars.2022.897104  mirrors and what does it mean? Animal Cognition


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