Page 37 - Manatimagazin 22/02
P. 37
manatimagazin 22|02 manatimagazin 22|02
Schon Aschenputtel wusste: Wald schützt Gams
die schlechten ins Kröpfchen! ie Alpen-Gämse (Rupicapra rupicapra rupicapra) ist eine in
ie Rückkehr des Wolfes (Canis lupus) nach Mitteleuropa ist ein viel Europa endemische, auch in den bayerischen Alpen leben-
und hitzig diskutiertes Thema, sorgt sie doch für zahlreiche Kon- Dde Huftierart. Wie andere Arten des Hochgebirges auch,
WISSENSCHAFT FÜR BESSERWISSER
Dflikte (siehe auch Ausgabe 01/2021). Seine Wiederansiedelung im sind Gämsen gegenüber hohen Temperaturen empfindlich. Wird
Jahr 1995 im Yellowstone Nationalpark hat jedoch eindrucksvoll und wis- es ihnen zu warm, suchen sie kühlere Bereiche auf. Dabei gibt es
senschaftlich belegt, welche positiven Effekte er auf ganze Ökosystem Gämsen, die eher im Wald leben und solche, die zumindest zeit-
haben kann. Jüngst haben Wissenschaftler den Einfluss von Wölfen auf weise höher liegende Bereiche bevorzugen. Dies hängt auch von
Elche (Alces alces) im ebenfalls in den USA liegenden Isle Royal National- der Verfügbarkeit geeigneter Lebensräume ab. Untersuchungen
park untersucht. Dafür werteten sie Daten aus 33 Jahren aus und fanden an 20.573 zwischen 1993 und 2019 in Österreich geschossenen
dabei Interessantes heraus. Teile der lokalen Elche leiden unter Osteo- Gämsen haben jetzt ergeben, dass die Gämsen, die in Bereichen
arthritis, also einer Gelenksentzündung. Davon betroffene Elche wurden mit einem geringeren, und damit weniger Schatten spendenden,
häufiger von Wölfen gerissen als gesunde Elche. Dies ist erst einmal we- Waldanteil leben, über die Jahre hinweg an Körpermasse verloren
nig überraschend, denn Elche mit entzündeten Gelenken sind auf der haben. Der Gewichtsverlust betrug je nach Geschlecht durch-
Flucht vor Beutegreifern eingeschränkt. Interessant wird es, wenn man schnittlich 500-800 Gramm. Der genaue Grund hierfür ist
berücksichtigt, dass die Erkrankung genetisch beeinflusst ist. Werden noch nicht bekannt, allerdings bedingen höhere Temperaturen
Beutetiere mit genetisch bedingten Erkrankungen bevorzugt beispielsweise eine schlechtere Futterqualität oberhalb der Baumgrenze und mehr Energieaufwand für die Thermoregu-
erbeutet und können diese dann nicht mehr weitervererben, lation. Wald kann also anscheinend die negativen Auswirkungen höherer Temperaturen auf Gämsen abschwächen. Die
so kann dies dazu führen, dass die Population der Beutetiere Frühjahres- und Sommertemperaturen stiegen während des Untersuchungszeitraumes an. Sollten sich mehr Gämsen auf-
an sich gesünder wird. https://doi.org/10.3389/fevo.2022.819137 grund steigender Temperaturen in den Wald zurückziehen, so wird es hier zu vermehrten Konflikten mit den
menschlichen Interessen daran kommen. Ein stärkerer Verbiss durch die Tiere an jungen Bäumen kann den
Bergwald schädigen und damit seine Schutzfunktion vor Lawinen, Hangrutschen, Erosion und Steinschlägen
Auf den Leim gegangen beeinflussen. https://doi.org/10.1111/gcb.15711
ass in Misteln (Viscum album) etwas ganz Besonderes stecken muss, wissen
wir, seitdem Druide Miraculix sie mit goldener Sichel für seinen Zauber-
Dtrank erntete. Dabei steckt in ihren Beerenfrüchten in der Tat eine ganz Kultivierende Käfer
besondere Kraft. Zerdrückt sind diese sehr klebrig. Dadurch haften die darin ent- on Termiten und Blattschneiderameisen ist bekannt, dass
haltenen Samen der parasitisch lebenden Pflanze besser auf den Ästen potentiel- sie im Inneren ihrer Baue Pilze als Nahrung züchten. Jetzt
ler Wirtspflanzen und können hier keimen. Diese Eigenschaft wurde jetzt genauer Vwurde dieses Verhalten auch bei einem nicht-staatenbil-
untersucht, denn das für die Haftung verantwortliche Viscin klebt an verschie- denden Insekt nachgewiesen: dem Kleinen Holzbohrer (Xylebo-
densten Oberflächen. Dadurch eröffnen sich interessante biomedizinische Ver- rus saxeseni). Dabei handelt es sich um einen Rüsselkäfer, der zu
wendungsmöglichkeiten, beispielsweise als Wundverschluss. Dies zeigt einmal den Borkenkäfern gehört. Die Art ist in Europa verbreitet und
mehr den Wert der Natur auf, die für uns eine wahre Schatztruhe sein besiedelt wenig wählerisch das Holz verschiedener Laub- und
kann. Vielleicht liegt in der Fähigkeit, zwei Dinge miteinander zu ver- Nadelbaumarten. Dabei tragen die Käfer Sporen von Ambrosia-
binden ja der Grund dafür, warum man sich unter Mistelzweigen küsst. pilzen (Raffaelea spp.) in ihrem Verdauungstrakt und am Körper,
https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac026 die, wenn sich die Käfer in das Holz bohren, die Tunnelwände
besiedeln und den Käfern und ihren Larven als Nahrung dienen.
Diese Pilze wurden bisher nicht außerhalb der Käfer und ihrer
Passt nicht zusammen! Fraßgänge gefunden, beide sind also für ihr Überleben aufeinander angewiesen. In einem Experiment konnte jetzt erstma-
er Schutz von wandernden Tieren, wie Fischen, Vögeln und Säugetieren, lig bewiesen werden, dass die Käfer durch ihre Tätigkeit ihre Nahrungspilze fördern, nicht nur verbreiten. Dafür
stellt im internationalen Artenschutz immer wieder ein Problem dar, da wurden Käfer und Larven aus ihren Gängen entfernt. In Gängen ohne Käfer wurden danach Schimmelpilze und
Ddiese nicht nur zwischen Ländern, sondern oft auch zwischen Kontinen- Bakterien häufiger, Ambrosiapilze jedoch seltener. Die Käfer nehmen also Einfluss auf die Artenzusammen-
ten hin und her ziehen. So auch im Meer. Wissenschaftlerinnen und Wissen- setzung in ihren Bruträumen. https://doi.org/10.1098/rspb.2022.1458.
schaftler haben Telemetriedaten von 36 verschiedenen marinen Wirbeltierarten
aus fünf Taxa (Wale, Knorpelfische, Robben, Meeresvögel und Meeresschild-
kröten) ausgewertet und diese mit der Lage von Meeresschutzgebieten vergli- FORSCHUNG IM TIERGARTEN NÜRNBERG: WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATION
chen. Ergebnis: Noch nicht einmal 1 % der Schutzgebiete kann dabei die Arten
mit dem größten Streifgebiet, wie Steller's Albatrosse (Phoebastria albatrus) 1 Horch amol: Seekühe lassen sich an ihren 3 Mindestens haltbar bis: wie sich Tiefküh-
und Lederschildkröten (Dermochelys coriacea), auf ihren Wanderungen durch- individuellen Lauten unterscheiden. lung und Auftauen auf die Qualität von
gängig schützen. Nur auf die Größe, nicht die Lage der Schutzgebiete bezogen, Dietrich, A., von Fersen, L., Hammerschmitt, K. Futterfischen für Zootiere auswirken.
könnten jedoch zumindest 40 % dieser Gebiete die Arten mit dem kleinsten (2022). Signature Calls in West Indian Manatees Gimmel, A., Baumgartner, K., (…) (2022). Effects of
Streifgebiet, La-Plata-Delphine (Pontoporia blainvillei) und Maskentölpel (Sula (Trichechus manatus manatus)? Aquatic Mammals, 48(4), 349-354 Storage Time and Thawing Method on Selected Nutrients in Whole Fish
dactylatra), vollständig schützen. Werden zukünftig die Telemetriedaten von for Zoo Animal Nutrition. animals., 12(20), 2847
verschiedenen Arten zusammengefasst, um Gebiete mit besonderer Bedeutung 2 Spieglein, Spieglein am Beckenrand…
für mehrere Arten ausfindig zu machen, können Schutzgebiete effizienter aus- Forschung mit Delphinen im Zoo zur 1 https://doi.org/10.1578/AM.48.4.2022.349
gewiesen werden. Jüngst sollten in der Antarktis drei neue Meeres- Selbsterkenntis. 2 https://doi.org/10.1007/s10071-022-01680-y
schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von fast vier Millionen Qua- Loth, A., Güntürkün, O., von Fersen, L., Janik, 3 https://doi.org/10.3390/ani12202847
dratkilometern geschaffen werden. Dies scheiterte jedoch am Veto V.M. (2022). Through the looking glass: how do marked dolphins use
von Russland und China. https://doi.org/10.3389/fmars.2022.897104 mirrors and what does it mean? Animal Cognition
36 37