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Schwerpunktthema Die menschliche Dimension im Artenschutz  manatimagazin 23|01



 VON DELFINEN UND MENSCHEN  und Arten einordnet und wahrnimmt. Die Ethnoökologie erforscht die Beziehung einer Gesell-
             schaft zu den Ökosystemen, die sie umgeben.
 BEVÖLKERUNG UND WISSENSCHAFT    Traditionelles Wissen über die Natur nutzen

 GEMEINSAM FÜR DEN ARTENSCHUTZ  Alteingesessene Gemeinschaften besitzen Gebiete und nutzen Ressourcen hauptsächlich, um
             ihren Eigenbedarf zu decken und sich damit den Lebensunterhalt zu verdienen. Dafür stützen
             sie sich auf die Arbeitskraft der Familie und wenden Techniken an, die sie über Generationen
 Fischernetze stellen eine ernste Gefahr für   hinweg entwickelt und die sich für sie bewährt haben. Dieses Wissen über die Natur ist Teil
 Delfine dar, die in Küstennähe leben. Aus   der Tradition und wird mündlich von den Alten an die Jungen weitergegeben.
 diesem Grund haben sich in der Agenda
 2030 der Vereinten Nationen 193 Länder   An der Küste Brasiliens leben traditionelle Fi-
 darauf geeinigt, die Bevölkerung mit ins   schergemeinschaften, die ständig im Kontakt
 Boot zu nehmen, um die maritime Fau-  mit der Natur sind: Das ermöglicht es, ihr tra-
 na zu schützen. Studien über das Zusam-  ditionelles Wissen über die Fauna zu erfassen   WISSEN AUF EINEN BLICK
 menspiel von menschlichem Wirken und   - zum Beispiel über die Delfine, die in Küsten-
 den  Meeressäugern  tragen  zum  Dialog   gewässern leben (Zappes et al., 2016).
 zwischen den Beteiligten bei und sie re-
 gen  dazu  an, gemeinsame Bildungs-  und   Studien über die menschliche Dimension im   AGENDA 2030 DER UNO - ZIEL 14
 Schutzmaßnahmen für verschiedene ge-  Leben der Delfine versuchen zu verstehen, wie
 sellschaftliche Gruppen zu entwickeln und   Fischergemeinden diese Tiere einordnen und   Ozeane und Küstengebiete sind ein essenzieller Bestand-
 zu verbreiten.  wie das Fischen mit kleinen Booten den Erhalt   teil der Ökosysteme der Erde: Sie bedecken über zwei Drit-
             der Populationen beeinträchtigt.               tel der Oberfläche und enthalten 97 Prozent des gesamten
 Camilah  Antunes Zappes  &  Maria Luiza  Furtado  Cardo-   Wassers unseres Planeten. Wir sind weit davon entfernt,
 so arbeiten im Fachbereich Sozioökologische Meeresfor-  Dadurch, dass die Fischer täglich mit den Mee-  die Artenvielfalt in diesen Lebensräumen komplett zu
 schung der Staatlichen Universität von Espírito Santo in   ressäugern in Kontakt sind, bietet sich die ein-  erfassen. Zugleich bilden Ozeane die Lebensgrundlage für
 Brasilien und sind dort Teil der Forschungsgruppe Human-  malige Chance, die Beeinträchtigungen der an   mehr als 3 Milliarden Menschen. 80 Prozent des weltwei-
 ökologie des Ozeans. Einige ihrer Projekte führen sie in en-  der Küste lebenden Kleinwale durch familiäre   ten Warenhandels wurden 2020 auf dem Seeweg abge-
 ger Zusammenarbeit mit Unterstützung von Yaqu Pacha   Fischerei zu beobachten und sie einzuordnen   wickelt. Im Ziel 14 der Agenda 2030 geht es darum, die
 e.V. durch – etwa Projekte zum Schutz des Franciscana Del-  (Souza & Begossi, 2007). Das Wissen der loka-  Interessen von Menschen mit denen der Tiere und Pflan-
 fins oder des Guiana Delfins.  len Bevölkerung mit den wissenschaftlichen   zen der Ozeane in Einklang zu bringen, um das Überleben
             Erkenntnissen zu verknüpfen, kann uns dabei    aller nachhaltig zu sichern.
             helfen, Schutz- und Erhaltungsstrategien für
 m Jahr 2017 haben die Vereinten Nationen (UNO) die   die Walpopulationen in Gebieten auszuarbei-
 Zeit von 2021 bis 2030 als Dekade der Ozeanwissen-  ten, in denen Fischerei mit Fangnetzen betrie-
 Ischaften für nachhaltige Entwicklung ausgerufen. In   ben wird.
 Feinfühlig Der Franciscana Delfin gehört zu den   diesem Jahrzehnt besteht das Ziel darin, die Wissenschaft,
 kleinsten Delfinarten der Welt. Da er überwiegend in   Gesetzgeber, die Privatwirtschaft und die Zivilgesellschaft   In Küstennähe lebende Walarten sind in Brasilien die Säugetiere, die am meisten von der Fi-
 Küstennähe lebt, ist er besonders empfindlich gegen-
 über menschlichen Einflüssen.   zu mobilisieren, damit sie gemeinsam Informationen sam-  scherei mit kleinen Booten betroffen sind: Da sie sich unbeabsichtigt in den Netzen verfangen
 meln und Maßnahmen im Sinne der Agenda 2030 treffen.   oder mit den Booten kollidieren, kann ihre Population dadurch langfristig zurückgehen.

 Es geht darum, Ozeane, Meere und ihre Ressourcen zu schützen und sie nachhaltig zu nutzen. Sie sollen   An der Küste des brasilianischen Bundesstaates Espírito Santo im Südosten des Landes stellt
 zum einen nachhaltig bewirtschaftet werden, damit die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicher gestellt   der Beifang durch Stellnetze die schwerste negative Folge der Fischerei für den Franciscana
 ist. Zugleich soll aber auch ein gesunder und widerstandsfähiger Ozean erhalten werden, in dem marine   Delfin (Pontoporia blainvillei) und den Guiana Delfin (Sotalia guianensis) dar.
 Ökosysteme kartiert und geschützt sind. Diese Dekade steht im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen
 Entwicklung der Agenda 2030 der UNO - insbesondere mit dem Ziel Nummer 14: „Leben unter Wasser“.   Die Berichte von Fischern über diese negativen Zusammenstöße zeigen, wie wichtig es ist,
             das Wissen der lokalen Bevölkerung in Studien zu erfassen und zu nutzen. Auf diese Weise
 Das Ziel Nummer 14 macht deutlich, wie wichtig es ist, die Gesellschaft in Entscheidungsprozesse   wird es möglich, die unterschiedlichen Auffassungen von den Interaktionen zwischen der Fi-
 mit einzubeziehen. Dafür muss man zunächst verstehen, wie Bewohner Küste und Meer wahrneh-  scherei und den Delfinpopulationen zu verstehen.
 men, was sie darüber gelernt haben und wie sie ihre Nutzung durch den Menschen verstehen. Stu-
 dien zur menschlichen Dimension regen interdisziplinäre Diskussionen und die Einbeziehung der   Die Gruppe der Humanökologie des Meeres der Staatlichen Universität Espírito Santo führt
 Beteiligten an, wenn es darum geht, umweltpolitische Entscheidungen zu treffen.   in dieser brasilianischen Küstenregion Projekte zur menschlichen Dimension in Fischerge-
             meinden durch, in denen die Interaktionen zwischen Kleinwalen und den Fischergemeinden
 In der Diskussion spielen Ethnobiologie und Ethnoökologie eine Rolle. Die Ethnobiologie befasst sich mit   erfasst und erforscht werden. Finanziert werden diese Forschungsarbeiten von Yaqu Pacha e.V.
 den zahlreichen kulturellen und spirituellen Gewohnheiten einer Bevölkerung, mit der Art, wie sie Natur   zum Schutz der Meeressäuger Lateinamerikas.



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