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 Dumm wie ein Fisch? Von wegen!           Talk to me – Natur trifft Technik
 enschen  erkennen  sich  selbst  im  Spiegel,  Schimpansen  eben-  enn Vögel singen, dann geht dies mit Bewegungen des Schnabels,
 falls, auch Delfine tun dies. Also vermeintlich „höhere“ Wesen.   Kopfes und Halses einher. In Kombination mit den Lautäußerun-
 MDoch diese Fähigkeit ist weiterverbreitet, als man meinen und   Wgen ist der Gesang der Vögel also ein sehr komplexer Vorgang. Die
 WISSENSCHAFT FÜR BESSERWISSER
 anderen Tieren auch zutrauen mag. Die Fähigkeit, sein eigenes Bild von   Rolle der Bewegungen dabei war bisher Gegenstand wissenschaftlicher Dis-
 dem eines Artgenossen unterscheiden zu können, wurde jetzt auch beim   kussionen. RoboFinch, ein kleiner Roboter, der wie ein Zebrafink (Taeniopygia
 Blaustreifen-Putzerlippfisch (Labroides dimidiatus) nachgewiesen. Durch   castanotis) aussieht, wurde extra zur Klärung dieser Frage entwickelt. Er kann
 solche Erkenntnisse wandelt sich unser Bild und unser Verständnis von   die Lautäußerungen und Bewegungen von Zebrafinken detailliert nachahmen
 der Natur stetig, führen sie uns doch immer wieder vor Augen, wie viel wir noch nicht wissen und was   und sie jungen Finken vormachen. So lassen sich über diese Art des
 wir Gefahr laufen, zu verlieren. Kinder sind übrigens erst ab 15-24 Monaten in der Lage, sich selbst im   „digitalen Lernens“ spannende Erkenntnisse über den Gesang und das Lernen bei Vögeln gewinnen.
 Spiegel zu erkennen.  Beides faszinierende Eigenschaften.



 Kot, die nahrhaftere Alternative!  Blut und Spucke bei Delfinen: alles andere als Kaffeesatzleserei
 xkremente stecken für Pflanzen voller wertvoller Nährstoffe. Deswe-  b es (Zoo-)Tieren gut geht oder nicht, ist Gegenstand zahlreicher Dis-
 gen werden mit Mist und Gülle auch Felder gedüngt, um uns zu er-  kussionen. Um das Wohlbefinden von Tieren richtig beurteilen zu kön-
 Enähren. Es gibt jedoch Pflanzenarten, die Nährstoffe nicht nur über   Onen, gibt es zwei wesentliche Möglichkeiten: Verhaltensbeobachtungen   FORSCHUNG IM TIERGARTEN NÜRNBERG
 ihre Wurzeln und Spaltöffnungen aufnehmen, sondern überwiegend In-  und Hormonmessungen, für beides braucht es Fachwissen. Hormonmessungen
 sekten nutzen, um an zusätzliche Nährstoffe zu kommen – sogenannte   gehen meist mit einer Probennahme einher. Dabei kommt es darauf an, unter
 „Fleischfressende Pflanzen“ wie Kannenpflanzen (Nepenthes spec.). Dabei   welchen Umständen dies geschieht, ansonsten läuft man Gefahr, die Ergebnisse
 gibt es Kannenpflanzenarten, die Insekten fangen und andere, die sich   falsch zu interpretieren und falsche Rückschlüsse daraus zu ziehen. Aus diesem Grund wurden jetzt Cortisol-Wer-
 auch von Spitzhörnchenkot (Tupaia spec.) ernähren. An diesen kommen sie, wenn die Tiere beim Ablecken von   te aus Speichel und Blut bei Großen Tümmlern (Tursiops truncatus) im Tiergarten Nürnberg verglichen.
 Nektar Kot in die Kannen der Pflanzen fallen lassen. Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass diese dadurch mehr   Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, dass die Diskussion um das Tierwohl auf wissenschaft-
 Nährstoffe erhalten, als ihre auf Insekten spezialisierten Verwandten. Ob diese Erkenntnis einen neuen   lichen Fakten basiert, nicht auf emotional geprägten Meinungen.
 Ernährungstrend auslösen wird, bleibt abzuwarten. Wenn ja, dann stehen Zoos goldene Zeiten bevor,
 hätten wir dank unseres diversen Tierbestands doch für jeden Geschmack etwas zu bieten.
                                           Zählen wir Eisbären statt Schäfchen!
                   erhaltensbeobachtungen bei Tieren gehören schon lange zum Standard in
 Flosse, Genosse!  der Forschung. Dabei denkt man automatisch an Menschen, die mit Klemm-
 ooperationen bringen uns weiter, ganz nach dem Motto „gemein-  Vbrett und Stift stunden-, wochen- oder gar jahrelang Tiere beobachten. Klingt
 sam sind wir stark“. Eine besondere Form der Kooperation gibt es   romantisch und einfach, ist es aber nicht immer. Man stößt dabei schnell an Gren-
 Kin Brasilien. Hier arbeiten Lahille Tümmler (Tursiops truncatus gephy-  zen: Tiere lassen sich nicht über 24 Stunden hinweg durchgängig von einer Person
 reus) und Fischer koordiniert zusammen, zu beiderseitigem Vorteil: die Fi-  beobachten, auch nicht im Zoo. Irgendwann muss jeder einmal schlafen und in der
 scher fangen mehr Fische, die Delfine fressen einige wenige Fische aus den   Nacht fällt uns das Sehen einfach schwer, bei manchen Arten und großen Gruppen
 Netzen und haben ein um rund 13 Prozent geringeres Risiko, als Beifang   auch die Unterscheidung der Individuen. Künstliche Intelligenz kann hier helfen,
 in Netzen zu ertrinken als Artgenossen, die nicht kooperativ   sofern man sie vorher lehrt, was sie „sehen“ soll. Unter anderem mit Hilfe der Eisbären (Ursus maritimus) des Tier-
 fischen. Diese Zusammenarbeit existiert schon seit Generation, wird derzeit jedoch durch sinkende   gartens wurde jetzt eine spezielle Software entwickelt, die mit einer Genauigkeit von fast 97 Prozent
 Fischbestände bedroht. Auch dies ist ein Aspekt der menschlichen Dimension im Artenschutz.  verschiedene Eisbären an ihren Bewegungen unterscheiden kann. Diese Errungenschaft kann auch in
                       der Feldforschung nützlich sein, wenn es darum geht, Eisbären in der Natur zu zählen.

 Ferngesteuerte Wölfe
 oxoplasma gondii ist ein parasitisch in warmblütigen Tieren lebender Einzel-  WEITERE WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATIONEN DES TIERGARTENS NÜRNBERG
 ler, für den Katzen den Endwirt, andere Säugetiere den Zwischenwirt darstel-
 T len. Dazu zählt auch der Mensch. Mit Toxoplasmose infizierte Mäuse verlieren   Navi für Fleder-  Vom Lernen lernen.   Vom Fernsehen allein
 durch diesen die Angst vor dem Geruch von Katzenurin und laufen dadurch eher   mäuse. Wie Blüten   Noch mehr neues   lernt kein Fink das
 Gefahr, von einer Katze gefressen zu werden. So schließt sich der Zyklus zwischen   Fledermäusen den   vom Zebrafink.   Singen.
 beiden Wirten. Eine Langzeitstudie an Wölfen (Canis lupus) im Yellow Stone Natio-  Weg weisen.    Varkevisser, J. M., Mendoza, E.,   Varkevisser, J. M., Simon, R.,
 nalpark (USA) hat jetzt ergeben, dass Wölfe, deren Lebensraum sich mit dem von   Simon, R., Matt, F., Santillán, V., Tschap-  Simon, R., Manet, M., Halfwerk, W., Scharff, C.,   Mendoza, E., How, M., van Hijlkema, I., Jin, R.,
 Pumas (Puma concolor) überschneidet, ein höheres Infektionsrisiko mit Toxoplas-  ka, M., Tuttle, M., & Halfwerk, W. (2023).   & Riebel, K. (2022). Multimodality during live   ... & Riebel, K. (2022). Adding colour-realistic
 mose haben. Spannend daran ist, dass die infizierten Wölfe wegen der Wirkung des   An ultrasound-absorbing inflorescence   tutoring is relevant for vocal learning in zebra   video images to audio playbacks increases
 Parasiten größere Risiken eingehen, so zum Beispiel bei der Erkundung neuer Ge-  zone enhances echo-acoustic contrast of   finches. Animal Behaviour, 187, 263-280.   stimulus engagement but does not enhance
 biete oder beim Versuch, Anführer eines Rudels zu werden. Toxoplasmose kann also einerseits zu einem   bat-pollinated cactus flowers. Journal of   vocal learning in zebra finches. Animal Cogni-
 erhöhten Todesrisiko führen, andererseits aber auch den Fortpflanzungserfolg erhöhen. Übrigens: In   Experimental Biology, 226(5), jeb245263   tion, 25(2), 249-274.
 Deutschland zeigen 50 Prozent der Erwachsenen spezifische Antikörper gegen Toxoplasmose.



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