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2. Christentum und Freiheit: 3. Freiheit als gesellschaftliche Vereinbarung
Von Luther bis Lateinamerika und als Auftrag, Verantwortung zu übernehmen
Auch in christlichen Traditionen spielt Freiheit an sehr In der Ethik steht der Begriff der Freiheit niemals für
verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle: Martin Lu- sich allein, das gilt für die Philosophie genauso wie
thers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ für die Theologie. Das freie Individuum steht immer in
war im Jahr 1520 vielleicht die entscheidende Antwort einem sozialen Kontext, die Freiheit des Individuums
auf die Vorwürfe des Papstes gegen ihn. Die paradox findet ihre Grenzen nicht nur an der Freiheit des An-
klingende Verbindung, dass Christen gleichzeitig frei deren, sondern auch an der sozialen Ordnung, in der
und Diener sind, zeigt ein besonderes christliches Ver- es lebt.
ständnis von Freiheit: Es geht Luther nicht nur darum, In diesem Sinne ist Freiheit immer verbunden mit dem
Freiheiten für sich selbst einzufordern, sondern auch, Konzept der Verantwortung. Die Möglichkeit, zwischen
Freiheit als Selbstkritik zu verstehen. Nicht Selbstver- verschiedenen Optionen frei zu wählen, ist überhaupt
wirklichung und Durchsetzung der eigenen Interessen die Grundlage, für das eigene Handeln Verantwor-
stehen im Mittelpunkt, sondern das Bewusstsein, dass tung übernehmen zu können. Gleichzeitig muss der
Freiheit nicht ohne Befreiung möglich ist. Für die Re- Mensch sich für seine frei gewählte Entscheidung ver-
formatoren (und in anderen christlichen Traditionen) antworten und kann sich nicht darauf berufen, keine
war und ist selbstverständlich, dass diese Befreiung Wahl gehabt zu haben. Das kann – siehe Sartre – auch
von Gott kommt, als Widerspruch zu menschlichen zur Belastung werden: Wo in der Vergangenheit etwa
Allmachtsphantasien. Im 20. Jahrhundert spielte die klar geregelt war, dass der Sohn des Müllers ebenfalls
Idee von Freiheit und Befreiung eine zentrale Rolle im Müller wird, liegt es heute an jedem selbst, sich frei für
globalen Süden, insbesondere in Lateinamerika: Die eine berufliche Karriere zu entscheiden. Scheitern oder
Theologie der Befreiung verfolgt die Idee, als Stimme Brüche in der Biographie werden dann – zurecht oder
der Armen deren Selbstbefreiung aus der Abhängig- nicht – in der eigenen Verantwortung gesehen.
keit zu ermöglichen. Der Philosoph Hans Jonas beschäftigt sich in seinem
Eine Gemeinsamkeit der christlichen Tradition mit Hauptwerk „Das Prinzip Verantwortung“ mit der Fra-
den Menschenrechten ist übrigens das Prinzip, dass ge, was dies angesichts der Freiheiten des Menschen
es sich jeweils um zugesprochene Rechte handelt: Im in der Moderne bedeutet: mit den Möglichkeiten (und
Christentum (oder auch in anderen religiösen Tradi- Konsequenzen), die etwa der Einsatz von Atomwaffen,
tionen) erhält der Mensch Würde und daraus folgende die Gentechnologie oder die rücksichtslose Ausbeu-
Rechte von Gott zugesprochen. Die Menschenrechte tung natürlicher Ressourcen mit sich bringen. Jonas
fußen auf derselben Logik. Sie sind zugesprochenes betont, dass ethische Entscheidungen daher immer
Recht, für das es keine Begründung gibt: Es gilt, weil auch kollektives Handeln bedenken müssen, dessen
beschlossen wurde, dass es gilt. Dass Menschen frei Folgen vielleicht erst in ferner Zukunft sichtbar wer-
sind, wird in der Präambel der Menschenrechte nicht den. In Anlehnung an Kants kategorischen Imperativ
begründet oder logisch hergeleitet, sondern lediglich formuliert er einen ökologischen Imperativ: Handle so,
festgestellt – und gerade das macht sie so mächtig. dass die Wirkungen deiner Handlung nicht die künfti-
ge Möglichkeit von Leben zerstören. Auch diese Form
von Verantwortung für die Zukunft ist eng verbunden
mit der menschlichen Freiheit.
Literatur
Huber, Wolfgang: Von der Freiheit. Perspektiven für eine solidarische Welt, hg. v. Helga Kuhlmann und Tobias Reitmeier,
München 2012.
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a.M. 1979.
Luther, Martin: Von der Freiheit eines Christenmenschen, Gütersloh 2006 [Wittenberg 1520].
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WIE DIE AFRIKANISCHE
SCHWEINEPEST GANZE
ARTEN BEDROHT
Die Corona-Pandemie hat uns zwei Dinge gelehrt: Erstens, wie schnell sich Viren glo-
bal mit welch dramatischen Folgen ausbreiten können und zweitens, wie wertvoll
Impfstoffe sind. Doch was, wenn sich ein tödliches Virus weltweit ausbreitet und wir
nichts dagegen tun können? Wir über keinen Impfstoff verfügen, um dem globalen
Seuchenzug entgegenzutreten?
Jörg Beckmann, Biologe, Forstwissenschaftler, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens
Nürnberg
Schwerpunktthema Freie Natur?
o verhält es sich derzeit beim Afri- Er braucht ihn, um sich darin zu vermehren und sich
kanischen Schweinepest-Virus. Dies über ihn zu verbreiten. Auch wenn ein Virus selbst-
Sstellt zwar keine direkte Gefahr für die verständlich kein Interesse an irgendwas haben kann,
menschliche Gesundheit dar, hat aber welt- da es kein Bewusstsein besitzt, ja noch nicht einmal
weit massive ökonomische und ökologische einen eigenen Stoffwechsel.
Auswirkungen. 2007 wurde das Virus vom Für Eurasische Wildschweine (Sus scrofa) und Haus-
Menschen über Schweine oder Schweine- schweine (S. s. domesticus) ist das Virus jedoch fast
fleischprodukte von Afrika nach Georgien immer tödlich, binnen vier bis sieben Tagen. Es ist ein
verschleppt. Seitdem verbreitet es sich von qualvoller Tod: Die Tiere siechen vor sich hin, haben
hier aus rund um den Globus. 2020 erreichte blutige Durchfälle und hohes Fieber. Gleiches gilt für
es Deutschland, diesen Sommer kam es zu elf Arten wilder Schweine in Asien. Für sie ist das Vi-
Ausbrüchen in verschiedenen Bundesländern, rus ebenfalls tödlich. Die meisten von ihnen leben auf
die bis dato nicht betroffen waren – begleitet Inseln, von denen sie nicht wegkönnen. Hier grassiert
von zum Teil abenteuerlichen Theorien zu die Seuche und wandert vor allem in Indonesien und
dessen Verbreitung. Fakt ist, dass bereits Mil- den Philippinen von Insel zu Insel. Auch bei diesem
lionen von Schweinen an dem Virus starben „Islandhopping“ hilft der Mensch, indem er das Vi-
oder zum Seuchenschutz präventiv gekeult rus beispielsweise durch Handel von Schweinen und
wurden und werden. Manche Arten wilder Schweinefleischprodukten verbreitet. Diese Schweine-
Schweine drängt es sogar an den Rand des arten sind hier endemisch, das bedeutet, sie kommen
Aussterbens. nur hier und nirgendwo sonst auf der Welt vor. Viele
Für die nur in Afrika vorkommenden Schwei- von ihnen gibt es jeweils nur auf einer einzigen Insel.
nearten wie Pinselohrschwein (Potamochoe- Sterben sie hier aus, sind sie für immer von dieser Erde
rus porcus) und Warzenschwein (Phacochoe- verschwunden. Der Mensch hat sie in diese Situation
rus africanus) stellt das gebracht – damit ist der Mensch auch verantwortlich,
Virus dagegen kein Pro- zu handeln.
blem dar. Sie können Was im Immunsystem der afrikanischen Arten vor ei-
sich zwar mit dem Vi- nem tödlichen Krankheitsverlauf schützt, war bisher
rus infizieren, erkran- völlig unbekannt. Dies herauszufinden, war Gegen-
ken aber nicht daran. stand eines bisher einmaligen Forschungsprojektes,
Dies ist das Ergebnis einer in dem Zootiere die entscheidende Rolle spielten.
Koevolution und eigentlich Entschlüsselt man diesen Mechanismus, kann dies
hat ein Virus auch gar kein essentiell zur Entwicklung von Impfstoffen beitragen.
Interesse daran, seinen Wirt Mehr darüber erfahren Sie in der nächsten Ausgabe
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zu töten, denn dieser stellt des manatimagazins mit dem Schwerpunktthema
seine Lebensgrundlage dar. „Tierseuchen“.
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