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Schwerpunktthema Seuchen                          manatimagazin 25|01



 Noch einmal zurück zu den Infektions-  Dass sich das FLI auf immer neuen Forschungs-  Wenn es um Tierversuche geht, wird die Diskussion
 Pionier – Friedrich Loeffler gilt durch seine
 Entdeckung des Maul- und Klauenseuche-Virus    krankheiten: Bei welchen schätzen    feldern betätigt, zeigt auch das neue Fachinstitut    in der Gesellschaft oft hochemotional.
 als Begründer der Virologie.  Sie aktuell das weltweite Verbreitungs-  für „One Health“, das Sie 2020 gegründet haben.    Welche Erfahrungen machen Sie damit in der
 risiko am höchsten ein?   Wie gehen Sie das Thema an?        Öffentlichkeitsarbeit und wie begegnen Sie
 dem Landesuntersuchungslabor in Bran-  Das ist schwer zu sagen. Im Moment hört   Wir haben schon lange auf dem Schirm, dass wir bei   Kritikerinnen und Kritikern?
 denburg bei uns angekündigt wurde – das   man  häufig,  dass  H5N1 in den USA  das   der Bekämpfung von Infektionskrankheiten einen  Wir haben selten Anfragen von Tierschutzorganisatio-
 FLI führt das nationale Referenzlabor für   nächste Pandemievirus werden könnte.   ganzheitlichen Ansatz verfolgen müssen. Hier arbei- nen und wenn, dann meist sehr sachliche. Es ist schon
 MKS – schrillten bei uns alle Alarmglocken, weil die Aus- Das kann, muss aber nicht so sein. Wenn man sich die   ten wir auch eng mit Partnern wie dem Helmholtz-  fast kurios, dass viele  Menschen uns als Bundesfor-
 wirkungen so immens sind. Das Laborpersonal nahm die  großen Pandemien des 20. Jahrhunderts vor Augen   Institut für One Health in Greifswald zusammen.  schungsinstitut für Tiergesundheit gar nicht mit Tier-
 Probe mitten in der Nacht entgegen und startete sofort  hält, hatten wir es immer mit Grippe-Viren zu tun. Auch   Unser Fachinstitut für internationale Tiergesund- versuchen in Verbindung bringen. Aber vielleicht hängt
 mit der Untersuchung. Am Morgen konnten wir bereits  Ebola ist natürlich ein großes Thema – eine Virusinfek-  heit / One Health zielt darauf ab, in anderen Ländern  es auch gerade damit zusammen, dass wir ein Bundes-
 das Ergebnis mitteilen. Die weiteren elf Büffel in der Hal- tion, die häufig tödlich verläuft. Bis vor ein paar Jahren   präsent zu sein, um an der Schnittstelle zwischen  forschungsinstitut sind und eben für die Gesundheit
 tung mussten vorsorglich getötet werden, da bei MKS die  waren hier hauptsächlich kleine Regionen und Dörfer   Wildtier, Nutztier und Mensch zu arbeiten und vor  von Nutztieren forschen. Man muss auch berücksich-
 Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass alle Tiere in einem  betroffen. Die Mobilität des Menschen macht es den   Ort auch ein Bewusstsein dafür aufzubauen. Wir sind  tigen: Nicht bei jedem Tierversuch müssen die Tiere
 Bestand positiv sind. Das hatte sich auch hier bestätigt.   Erregern aber zunehmend leicht, in große Ballungs-  zum Beispiel gerade dabei, auf Sansibar, Tansania,  am Ende eingeschläfert werden.
 Über unser Fachinstitut für Epidemiologie wurde dann  zentren vorzudringen – mit weitreichenden Folgen. Für   mit einem dortigen Partnerinstitut eine Basisstation  Sehr gute Erfahrungen haben wir mit unserem Tag
 ein Team zusammengestellt, das die Behörden vor Ort  Nutztiere schauen unsere Wissenschaftlerinnen und   zu gründen.  der offenen Tür zum 100-jährigen Bestehen des Ins-
 auf deren Anfrage unterstützte. Wir hatten in der An- Wissenschaftler über die genannten Infektionskrank-  tituts gemacht. Es kamen mehr als 8.000 Gäste, die
 fangszeit tägliche Videokonferenzen mit dem Bundes- heiten über den Tellerrand und behalten die Situation     Ein Interview mit dem Leiter des Helmholtz-  beispielsweise unsere neuen Labore und Tierversuchs-
 ministerium  für  Landwirtschaft,  um  uns  auszutau- auf internationaler Ebene im Blick.  Instituts für One Health, Prof. Dr. Fabian   ställe besichtigen  konnten.  Und  auch  durchaus  das
 schen und auf den neuesten Stand zu bringen.   Leendertz finden Sie auf Seite 41.  Gespräch zum Thema Tierversuche suchten. Wir waren
 Die Forschung findet bei Ihnen in Laboren                    aber auch schon mal nominiert für den Negativ-Preis
 Wodurch wird die Verbreitung von Seuchen   verschiedener Sicherheitsstufen statt – je nachdem,   Für die Forschung, die das FLI betreibt, sind   „Herz aus Stein“ vom Verein Ärzte gegen Tierversuche.
 begünstigt?  wie gefährlich der jeweilige Erreger ist. Wie sieht   Tierversuche unerlässlich. Wie bewerten Sie die   Darauf bereiten wir uns natürlich vor und überlegen
 Zum einen spielen der globale Handel, der Reisever-  der Arbeitsalltag für Ihre Kolleginnen und Kollegen   Notwendigkeit von Tierversuchen und welche   uns, wie wir die Diskussion versachlichen und unsere
 kehr und Tiertransporte eine große Rolle, zum ande-  aus, die in den Hochsicherheitslaboren arbeiten?  Alternativen ziehen Sie jeweils in Betracht?  Tierversuchsstudien erklären können.
 ren die Art der Tierhaltung: Wir hatten in den letzten  Die höchste Sicherheitsstufe 4 gibt es zwei Mal am In-  Natürlich versuchen wir, wo es geht, auf Tierversuche
 Jahrzehnten den Trend zu eher großen Tierhaltungen,  stitut, einmal im Bereich „Tier“ und einmal im Bereich   zu verzichten. Wir prüfen immer, welche Fragestel-  Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft, wenn
 in  denen  sehr viele empfängliche Tiere  zusammen- „Zoonosen“. Bei ersterem geht es um hochanstecken-  lungen sich auch mit Zell- oder Gewebekulturen be-  es um die Debatte rund um Tierhaltung geht?
 stehen. Wenn dort ein Virus auftritt, trifft es natürlich  de Tierseuchen wie MKS, Schweinepest und die Blau-  antworten lassen. Auch Organoide können uns helfen.  Grundsätzlich brauchen wir in der Gesellschaft ein rea-
 viele Tiere. Aber auch Bio- und Freilandhaltungen sind  zungenkrankheit. Das heißt: höchster Schutz der Um-  Dabei wird aus bestimmten Zellen durch Zugabe von  listischeres Bild was die Tierhaltung angeht. Die Wirk-
 davor nicht gefeit: Viele kleine Haltungen machen die  welt vor einem Entweichen der Erreger. Das gesamte   Wachstumsfaktoren etwas hergestellt, was beispiels- lichkeit sieht eben nicht aus wie in Bullerbü und davor
 Überwachung von Tierseuchen schwieriger.   Gebäude steht unter permanentem Unterdruck, ist   weise mit einer Lunge vergleichbar ist. Aber all das re- dürfen wir uns nicht verschließen. Hier würde ich mir
 Wir  bewegen  uns  hier  in  einem  Spannungsfeld  und  mit doppelten Hochleistungsschwebstofffiltern aus-  agiert letztlich nicht so wie ein komplexer ganzer Or- in der Gesellschaft mehr Offenheit wünschen. Gerne
 müssen die Balance finden zwischen tiergerechter Hal- gerüstet und wird technisch ständig überwacht. Die   ganismus. Und wenn Sie Impfstoffe entwickeln wollen,  diskutieren, aber nicht anklagen. Und versuchen, sei-
 tung und dem Schutz der Tiere vor Infektionskrank- Kolleginnen und Kollegen dort können aber ganz nor-  muss man das Ganze irgendwann auch an einem Tier  ne Meinung in angemessener Form zu äußern, sich die
 heiten. Das ist eine große Herausforderung.  mal in ihrer weißen Laborkleidung arbeiten, weil die   testen. Die Devise dabei ist immer: so wenig Tierver- Argumente anzuhören und zu verstehen, was dahin-
 Erreger eben kein Risiko für uns Menschen darstellen.   suche wie möglich und so viele wie nötig.  tersteckt. Alles andere bringt uns nicht weiter.
 Neben den Forschungen zu Seuchen, Zoonosen,   Im Bereich Zoonosen sieht das anders aus: Hier wird
 Nutztiergenetik oder der Tierernährung steht    mit Erregern gearbeitet, die auf den Menschen über-
 das Thema Tierwohl heute stark im Fokus des FLI.    tragbar sind und gegen die es in der Regel noch keinen
 Was machen Sie in diesem Bereich konkret?  Impfstoff und kaum Therapiemöglichkeiten gibt. Zu
 Da geht es um verschiedene Fragestellungen. In der  den bekanntesten Vertretern gehören hier Ebola, das   Höchste Vorsicht – Mit Ganzkörper-Schutzanzügen
 Schweinehaltung beschäftigen wir uns beispielsweise  Nipah-Virus oder Arenaviren. Wer hier arbeitet, arbei-  arbeiten Mitarbeitende im Hochsicherheitslabor der Stufe 4
 mit dem Schwanzbeißen. Dieses Problem betrifft kon- tet in einem Ganzkörper-Schutzanzug, der an eine ex-  „Zoonosen“. Das FLI ist das einzige Institut in Europa,
 ventionelle Betriebe genauso wie Bio- und Freilandhal- terne Luftversorgung angeschlossen ist.  das unter diesen Bedingungen mit Rindern, Schweinen und
 tungen. Hier gibt es Projekte wie das Schwanzbeiß-In- Das Besondere: Wir haben in Europa als einziges Ins-  Schafen arbeiten kann.
 terventionsprogramm, kurz SchwIP genannt. Darüber  titut die Möglichkeit, unter diesen Bedingungen auch
 können wir erkennen, welche Tiere zu diesem Verhal- mit Großtieren wie Schweinen, Rindern und Schafen
 ten neigen.   zu arbeiten.
 Grundsätzlich geht es  auch  darum, Indikatoren  für
 Tierwohl zu finden. Welches Tierverhalten spricht da-
 für, dass es dem Tier gut geht oder eben nicht? Das   Wie das Arbeiten im Hochsicherheitslabor der Stufe 4
 Ganze muss natürlich auch praxistauglich sein und   „Zoonosen“ aussieht, zeigt das FLI in einem Film:
 gut vor Ort angewendet werden können.


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