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Schwerpunktthema Die menschliche Dimension im Artenschutz
DER MENSCH IM
ARTENSCHUTZ:
PROBLEM UND LÖSUNG
Menschen und deren Handeln spielen bei den Bemühungen, Biodiversität zu erhal-
ten, eine entscheidende Rolle. Denn der Mensch hat auf dem gesamten Planeten
Einfluss auf die Gestaltung der Lebensräume, von denen das Überleben von Tier-,
Pflanzen- und Pilzarten abhängig ist. Daher ist es auf der Suche nach wirksamen
Schutzmaßnahmen unabdingbar, die Einstellungen, Verhaltensweisen und Motiva-
tionen der Menschen in Bezug auf Natur- und Artenschutz zu verstehen.
Dr. Lorenzo von Fersen ist Kurator für Forschung und Artenschutz im Tiergarten Nürnberg. Der Biologe koordiniert ein
internationales Netzwerk von Experten, das sich für den Schutz von Kleinwalen einsetzt.
s besteht kein Zweifel, dass menschliches Verhalten die Hauptursache für die
zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen von Pflanzen und Tie-
Eren auf diesem Planeten ist. Zwar gibt es durchaus Fälle, in denen solche Um-
weltveränderungen als Folge natürlicher Prozesse auftreten, doch die meisten sind
das Ergebnis menschlichen Handelns.
Phänomene wie der Klimawandel, der Verlust von Lebensräumen für Tier-, Pflanzen-
und Pilzarten und die Versauerung der Meere sind selten das Ergebnis eines Zufalls,
sondern vielmehr die Folge des Lebensstils von Milliarden von Menschen. Dement-
sprechend müssen die Bemühungen zur Förderung des Natur- und Artenschutzes
Strategien umfassen, die unter anderem eine Änderung des Verhaltens der Men-
schen bewirken. Wie Schultz (2011) treffend formuliert, sollten neben dem Arterhalt
Verhaltensänderungen das Hauptanliegen des Artenschutzes sein.
Artenschutz gelingt nicht allein mit Naturwissenschaften
In der Vergangenheit war der Artenschutz fast immer eine Disziplin, die von Natur-
wissenschaftlern dominiert wurde, die in der Regel nur biologische und physikali-
sche Faktoren berücksichtigen. Ihr Wissen ist sicherlich die Grundlage des Arten-
schutzes, da sie Populationsschwankungen bewerten, Bedrohungen erkennen und
Erhaltungsmaßnahmen empfehlen können.
Allerdings führte dieser Weg nie oder nur selten zu einer Verhaltensänderung der
Menschen, die in unmittelbarer Nähe zu den Arten leben, auf deren Schutz die
Maßnahmen zielen. Das ist eine wichtige Erklärung dafür, dass so viele In-situ-Ar-
tenschutzprojekte – also solche im natürlichen Lebensraum der Tiere – ihre Ziele
nicht erreicht haben. Ein entscheidendes Versäumnis liegt sicherlich darin, dass der
Mensch lange Zeit aus diesem ganzen Prozess ausgeklammert wurde. Erst mit der
Veröffentlichung des einflussreichen Artikels What Is Conservation Biology? von Soule
(1985) wurde der Sozialwissenschaft ein Platz im Artenschutz eingeräumt.
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Etwa zehn Jahre später kam der Durchbruch mit der Veröffentlichung des Journals Nachbarschaft Fluss- und
Human Dimensions of Wildlife unter der Leitung von Mike Manfredo: Er argumen- Küstendelfine müssen sich
tierte, dass der Schutz von Wildtieren durch ein besseres Verständnis der sozialen Lebensraum und Ressourcen
und wirtschaftlichen Situation der Menschen optimiert werden kann. Da bei den mit Menschen teilen.
meisten Umweltproblemen menschliche Faktoren eine Rolle spielen, wurde fortan
empfohlen, Sozialwissenschaftler in den Lösungsprozess einzubeziehen.
Der Begriff „Human Dimensions in Species Conservation“ (menschliche Dimension
im Artenschutz) wird verwendet, um diesen neuen Ansatz für den Artenschutz zu
beschreiben.
Mit Hilfe dieses Ansatzes können zum Beispiel individuelle Eigenschaften wie Werte,
Motivationen, Präferenzen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen berücksichtigt
werden – sehr wichtige Parameter, wenn es darum geht, das Verhältnis einer Gesell-
schaft oder eines Individuums zu den Ökosystemen, die sie umgeben, zu verstehen.
Auch soziale Prozesse wie lokale Entwicklung, Marketing und soziale Organisation
von Gesellschaften spielen dabei eine Rolle. Erkenntnisse der Sozialwissenschaften
werden tatsächlich benötigt, um eine richtige Diagnose eines Umweltproblems zu
erstellen – vor allem aber sind sie für eine aussichtsreiche Therapie unerlässlich.
Armut behindert Artenschutz
Ein wichtiger Faktor, der häufig außer Acht gelassen wird, ist, dass die Erhaltung der
biologischen Vielfalt mit wirtschaftlichen Faktoren verbunden ist. Eine Möglichkeit, die
Akzeptanz für Artenschutzmaßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen, ist die Moneta-
risierung der Ökosystemleistungen für den Menschen. Es ist wichtig zu erkennen, dass
der wirtschaftliche Druck oft auf globale und historische Einflüsse zurückzuführen ist.
Immer wieder liest man vom Wettlauf zwischen denjenigen, die an der Zerstörung
der biologischen Vielfalt verdienen, und denjenigen, die sich Gedanken darüber