Page 26 - Manatimagazin 23/02
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Schwerpunktthema Auswilderung
pionier Dr. Hans Frey baute
1975 die erste Auffangstation
für Eulen- und Greifvögel in
Österreich auf und trieb die
Auswilderung von Bartgeiern
maßgeblich voran.
Hoffnungsträger Das Bartgeierküken „Wastl“ kam im Frühjahr dieses Jahres in den
Tiergarten und wurde fürsorglich von seinen Ammeneltern aufgezogen. Nun zieht er
über den Berchtesgadener Alpen seine Kreise.
tion sehr gut. Wir hatten viele Wildvögel, bei deren Altmaterialen perfekt funktionierende Brutschränke
Auswilderung wir Erfahrung sammeln konnten. Die gefertigt. Zu einem späteren Zeitpunkt ist dann die
Methode, die wir letztlich gewählt haben, ist die Zoologische Gesellschaft Frankfurt eingestiegen. Da-
sogenannte Hacking-Back-Methode, die bereits bei mit hatten wir zum ersten Mal ein solides Budget.
Wanderfalken erprobt war. Die Küken kommen dafür
in eine spezielle Box, in der sie heranwachsen und 1986 haben Sie die ersten jungen Bartgeier ausgewil-
gefüttert werden. Sobald sie fliegen können, öffnet dert. Wie hat sich dieser moment angefühlt?
man die Box und sie können hinaus in die Natur. Das war für uns alle natürlich ein unglaubliches Ereig-
Diese Methode haben wir auf den Bartgeier übertra- nis. Ich selbst war sehr sicher, dass es funktionieren
gen und statt einer Box einen Horst in einer Fels- wird, denn wir haben zuvor die Hacking-Back-Metho-
wand errichtet. Wir haben praktisch den natürlichen de mit Schwarzmilanen erfolgreich erprobt. Bis jetzt
Prozess der Emanzipation imitiert. Diese sanfte haben wir mehrere hundert Bartgeier und andere
Auswilderung, auch „soft release“ genannt, ist heute Geierarten mit dieser Methode in die Natur entlassen,
bei vielen Tieren das Mittel der Wahl. sehr effektiv und mit sehr wenigen Verlusten.
Trotzdem haben uns bei der ersten Auswilderung
Ein wichtiger Punkt ist, dass bei der Aufzucht von natürlich die Knie geschlottert. Wir wussten ja nicht,
Jungvögeln in Gehegen jede Prägung auf den Men- was passiert. Die Jungen kommen im Alter von drei
schen vermieden werden soll. Eine Handaufzucht Monaten in die Berge – als Nestlinge. In den ersten
erfolgt bei uns deshalb nur in den ersten Lebensta- Nächten hat auch immer einer von uns unterm Horst
gen. Und falls ein Jungvogel nicht von seinen Eltern übernachtet, um die Jungvögel im Blick zu haben.
großgezogen werden kann, arbeiten wir mit Ammen-
eltern, die das Küken adoptieren – wie zum Beispiel Dank Ihrer projekte ist die Bartgeier-population in
dieses Jahr in Nürnberg sehr erfolgreich. den Alpen wieder stabil und wächst sogar. Könnte
man die Aktivitäten nicht einstellen?
für den Aufbau eines komplett neuen Zuchtpro- Es gibt Modelle, nach denen hätten wir die Projek-
gramms braucht es auch eine passende technische te bereits vor gut zehn Jahren einstellen können.
Ausstattung, oder? Trotzdem machen wir weiter, aus zwei Gründen: Zum
Hier war zu Beginn die mangelnde Finanzierung ein einen besteht die genetische Basis der ausgewilder-
Problem. Die Volieren haben wir in Eigenregie mit Eh- ten Bartgeier aus nur etwas mehr als 40 Gründertie-
renamtlichen gebaut. Und ein genialer Bastler hat aus ren. Wir versuchen deshalb, gezielt neue Linien an
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