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 WELCHE ART HAT   Invasive Arten konkurrieren häufig mit heimischen  Forsten und Tourismus zeigen: Wurden in den 1990er
             Arten um Lebensraum oder Ressourcen und verdrän- Jahren noch um die hundert Waschbären pro Jahr in
             gen diese, so beispielsweise die Kanadische Goldru- Bayern erlegt, stiegen die Zahlen in den letzten zehn
 VORRANG?    te oder das Drüsige Springkraut (Impatiens glanduli- Jahren stark an, auf über 5.000 im Jahr 2021.
             fera), das die Ufer vieler Bäche säumt. Auch invasive
             Pilzarten wie die inzwischen stark verbreitete Krebs- Vom Land ins Wasser: Auch in bayerischen Flüssen und
             pest (Aphanomyces astaci) oder der Salamanderfres- Seen kommen mehrere gebietsfremde, invasive Tiere
 VOM KAMPF GEGEN INVASIVE ARTEN UND DEM    ser-Pilz Bsal (Batrachochytrium salamandrivorans)  vor. Dem Landesamt für Umwelt (LfU) bereiten vor al-
             sind auf dem Vormarsch. Bsal beispielsweise, ein  lem Krebsarten aus Nordamerika Sorge: Sie schleppen
 SCHUTZ DER HEIMISCHEN ARTENVIELFALT  vermutlich aus Ostasien eingeschleppter Chytrid- mit der Krebspest eine invasive Pilzart ein und über-
             pilz, bedroht akut den heimischen Feuersalamander  tragen diese auf die in Bayern heimischen Edelkrebse
 Sie tragen Namen wie Drüsiges Springkraut, Japanischer Staudenknöterich oder   (Salamandra salamandra).  Und auch für uns Men- (Astacus astacus) und Steinkrebse (Austropotamobius
 Bsal – so unterschiedlich diese Tier-, Pilz- und Pflanzenarten auch sind, haben   schen werden invasive Pflanzen ganz unmittelbar  torrentium). „Während die nordamerikanischen Krebse
 Schwerpunktthema Freie Natur?
 sie doch eine Gemeinsamkeit: Sie breiten sich rasant aus, verdrängen heimische   zur Gefahr: Die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia  trotz Infektion nicht erkranken, liegt die Sterberate bei
 Arten und verursachen teilweise wirtschaftliche oder sogar  gesundheitliche   artemisiifolia) oder der Riesen-Bärenklau (Heracleum  den infizierten heimischen Krebsen bei 100 Prozent“,
             mantegazzianum) können starke Allergien oder Ver- so ein Sprecher des LfU. Damit haben die invasiven
 Schäden.
             brennungen verursachen.                          Krebse bereits in vielen Gewässern zum Aussterben
                                                              heimischer Arten geführt. Die noch bestehenden Edel-
 Luisa Rauenbusch, Journalistin und stellvertretende Pressesprecherin des Tiergartens
             Wenn der natürliche Feind fehlt                  und Steinkrebspopulationen Bayerns sind daher stark
                                                              bedroht und bedürfen besonderer Schutz- und Förder-
             Auf  der  Liste  der  invasiven  Tierarten  steht  auch  der  maßnahmen.
 igentlich sieht sie doch ganz hübsch   Gebietsfremd ist nicht gleich invasiv  Waschbär (Procyon lotor). Er hat hierzulande kaum na-
 aus – diese goldgelbe Wiese. Das mag   türliche Feinde und vermehrt sich stark. Auch wenn  Für manche Arten ist es schon zu spät
 E sich mancher Passant denken, wenn er   Die Kanadische Goldrute ist nur eine von   die possierlichen Tiere nett anzusehen sind, für heimi-
 vom Nürnberger Stadtteil Herpersdorf nach   vielen invasiven Arten, die sich immer wei-  sche Vogelarten können sie zum Problem werden. Sie  Für die Bekämpfung der invasiven Arten sind in Bayern
 Gaulnhofen spaziert. In einer guten Stunde   ter  ausbreiten  und  so heimische  Arten  ver-  holen immer wieder Jungvögel aus Nestern, sogar jun- unter anderem die unteren Naturschutzbehörden An-
 wird von der Blütenpracht der Kanadischen   drängen. Sie kam im 17. Jahrhundert nach   ge Uhus (Bubo bubo) aus ihren Brutnischen. Nach dem  sprechpartner. In Nürnberg arbeitet die Behörde eng
 Goldrute (Solidago  canadensis) wenig übrig   Europa und hat sich hier schnell wohl ge-  Bundesjagdgesetz hat der Waschbär keine Schonzeit  mit den Flächeneigentümern und bei Bedarf mit dem
 sein. Landwirt Martin Vogel und sein Sohn   fühlt – auch in vielen Gärten fand sie Einzug.   und darf ohne Einschränkung bejagt werden. Das  Landschaftspflegeverband zusammen, der wiederum
 Christoph drehen gerade Runde  um Runde   „Sie ist robust, braucht wenig Wasser, keinen   passiert immer häufiger, wie Zahlen des Bayerischen  Landwirte wie Martin Vogel mit entsprechenden Maß-
 mit ihrem Traktor, an dem ein Kreiselmäh-  Dünger und lockt Honigbienen an“, erklärt   Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,  nahmen beauftragt.
 werk befestigt ist. Zügig bringt es die Stau-  Lajoie. Dabei gilt nicht jede gebietsfremde
 den zu Fall. In wenigen Tagen wird Vogel das   Art automatisch auch als invasiv. Als gebiets-
 Schnittgut  abholen  und  es  auf  seinem  Hof   fremd werden Arten bezeichnet, die „durch
 kompostieren. Ein halbes Jahr muss das Ma-  menschlichen  Einfluss beabsichtigt oder
 terial dort ablagern. Erst dann sind die Samen   unbeabsichtigt eingebracht [wurden] oder   Zu Fall gebracht – Christoph Vogel rückt der invasiven
 der Goldrute inaktiv, und der Landwirt kann   unter Beteiligung gebietsfremder Arten evo-  Kanadischen Goldrute mit dem Kreiselmäher zu Leibe.
 es – gemischt mit dem Mist seiner Pferde –   lutionär entstanden [sind]“, so die Definition
 wieder auf seinen Feldern ausbringen.   des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Dabei
 wird nochmal unterschieden zwischen Arten,
 Ein ziemlicher Aufwand für eine Fläche von   die vor der Entdeckung Amerikas 1492 einge-
 nur knapp einem Hektar, könnte man mei-  bracht wurden (sog. Archäobiota) und Arten,
 nen.  Aus  naturschutzfachlicher  Sicht  aber   die danach dazu kamen (sog. Neobiota). Un-
 dringend nötig, weiß Britta Lajoie vom Land-  ter den Neobiota wiederum gelten laut BfN
 schaftspflegeverband Nürnberg e. V. Sie und   solche Arten als invasiv, die „unerwünschte
 ihre Kollegen arbeiten mit  ortsansässigen   Auswirkungen auf andere Arten, Lebensge-
 Landwirten zusammen, um Flächen ökolo-  meinschaften oder Biotope haben“. Darunter
 gisch aufzuwerten. Gemeinsam mit Martin   fallen derzeit 88 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten
 Vogel läuft Britta Lajoie in ein Feld, an dem   in der Europäischen Union. Sie sind nach der
 die Staude etwa 1,50 Meter hoch und dichtge-  EU-Verordnung 1143/2014 als invasiv gelistet.
 drängt wächst. „Hier sieht man ganz deutlich,   Mindestens 46 davon kommen in Deutsch-
 warum die Goldrute so ein großes Problem   land wildlebend vor. Für sie gibt es Manage-
 ist. Der Boden ist fast kahl, hier haben andere   mentpläne, sie sollen beobachtet und gege-
 Pflanzen keine Chance.“  benenfalls bekämpft werden.



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