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Schwerpunktthema Freie Natur?                     manatimagazin 24|02




 Eine flächendeckende Bekämpfung ist dabei  melt und nach Großbritannien eingeführt.   Report hat gezeigt, dass wir noch Zeit haben,
 nicht bei allen Arten sinnvoll und verhält- Nach vielen umfangreichen Versuchen im   etwas zu tun. Und wir müssen ja nicht alle
 nismäßig – oft ist sie auch unmöglich: Der  Labor werden die Psylliden nun zum ersten   gebietsfremden Arten bekämpfen. Manche
 Asiatische  Marienkäfer  (Harmonia axyridis)  Mal an Staudenknöterich-Beständen in der   sind  aufgrund  des  Klimawandels  auch  auf
 beispielsweise hat sich durch seine hohen  Natur getestet. „Dass die Insekten den Stau-  neue Lebensräume angewiesen. Als ich ange-
 Vermehrungsraten und seine Konkurrenzfä- denknöterich komplett vernichten, ist natür-  fangen habe, in diesem Bereich zu arbeiten,
 higkeit bereits so massiv ausgebreitet, dass  lich unwahrscheinlich. Aber es wäre ja schon   war ich eine der Wenigen. Außerdem gab es
 ihm nicht mehr beizukommen ist. Er wurde  ein toller Erfolg, wenn wir die Bestände durch   kaum Geld für Forschung. Das hat sich deut-
 seit den 1980er Jahren im großen Stil zur bio- die biologische Kontrolle etwas eindämmen   lich geändert und das gibt Hoffnung.“
 logischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt.  können“, sagt Dehnen-Schmutz.
                                                                     Zurück nach Nürnberg: Bis Christoph und
 Überhaupt stecken hinter vielen  invasiven  Bei ihrer Forschung zu invasiven Pflanzen   Martin Vogel die Wiese endgültig  von der
 Arten eigentlich gute Absichten. Der Japani- holt sie auch die Bevölkerung ins Boot. Über   Goldrute befreit haben, werden sie noch vie-
 sche Staudenknöterich (Reynoutria japonica)   das Citizen-Science-Projekt  „Plant Alert“,   le Male mit ihrem Mäher anrücken müssen.
 beispielsweise wurde im 19. Jahrhundert  sind Gärtnerinnen und Gärtner dazu aufgeru-  Vogel ist optimistisch:  „Nach drei bis fünf
 hauptsächlich als Äsungspflanze für Rot- fen, ihre Zierpflanzen zu beobachten und Ar-  Jahren sollte es schon deutlich besser wer-
 hirsche  eingebracht. Das heimische  Wild  ten zu melden, wenn sie den Eindruck haben,   den. Wichtig ist einfach: Wenn wir ökologisch
 war davon allerdings weniger angetan. Die  dass sie sich zu stark verbreiten. Auf diesem   wertvolle Flächen wollen, dürfen wir die Na-
 Folge: der Staudenknöterich verbreitete sich  Weg haben sie und ihr Team seit dem Start   tur nicht vollkommen sich selbst überlassen.“
 massiv und ist inzwischen nur schwer in den  des Projekts 2019 fast 1.000 Meldungen be-  Zwischen Herpersdorf und Gaulnhofen wird
 Griff zu bekommen. Das Problem: „Er kann  kommen. Ziel ist es, das Projekt künftig auch   das gelbe Blütenmeer langfristig einer arten-
 sich unterirdisch fortpflanzen. Mähen reicht  in anderen Ländern zu etablieren. Das Poten-  reichen Feuchtwiese weichen, die Schmetter-
 hier lange nicht aus“, erklärt Lajoie. Vom Ab- tial ist groß, denn: „Zierpflanzen waren und   lingen,  Wildbienen,  Zauneidechsen  und  vie-
 decken mit Teichfolie bis hin zum Behandeln  sind der Haupteinführungsweg für invasive   len anderen Arten Lebensraum bietet.
 der Wurzeln mit Starkstrom werden hier alle  Pflanzen.“
 Register gezogen.  Auf dem Vormarsch – Invasive Arten wie der Waschbär,    Quellen
 Eine erst vor kurzem in der Fachzeitschrift   der Asiatische Marienkäfer, der Kamberkrebs oder die    Roy, H.E., Pauchard, A., Stoett, P.J. et al. Curbing the major and
 Auch die Biologin Dr. Katharina Dehnen- „Nature Ecology & Evolution“ erschienene Pu-  Beifußblättrige Ambrosie verdrängen heimische Arten und    growing threats from invasive alien species is urgent and
 Schmutz von der Coventry University in Eng- blikation, an der sie mitgearbeitet hat, macht   können teilweise auch für Menschen zum Risiko werden.  achievable. Nat Ecol Evol 8, 1216–1223 (2024).
 land beschäftigt sich seit vielen Jahren mit  das globale Ausmaß deutlich: Weltweit wur-  doi.org/10.1038/s41559-024-02412-w
 biologischen  Invasionen,  insbesondere  den  den  mindestens  37.000  etablierte  gebiets-  www.wildtierportal.bayern.de
 Auswirkungen invasiver Pflanzenarten, die  fremde Arten durch menschliche Aktivitäten   www.umweltbundesamt.de
 ursprünglich als Zierpflanzen eingebracht  über  ihr  natürliches  Verbreitungsgebiet  hin-  neobiota.bfn.de
 worden sind. Als Leitautorin hat sie auch am  aus in alle Regionen der Erde eingeführt. Mehr
 ersten Bericht des Weltbiodiversitätsrats IP- als 3.500 davon wurden invasiv. Dr. Dehnen-
 BES zum Ausmaß invasiver Arten weltweit  Schmutz ist aber zuversichtlich: „Der IPBES-
 mitgearbeitet, der 2023 erschienen ist.
                         WIR ALLE KÖNNEN                             … verhindern, dass durch Gartenabfälle

 Bekämpfung mit dem natürlichen Feind                                oder das Entsorgen von Aquarienpflanzen
                         EINEN BEITRAG                               gebietsfremde, invasive Arten in die Natur
 Der Japanische Staudenknöterich steht aktu-                         gelangen.
 ell im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts   LEISTEN, UM
 in Coventry. Er soll mit seinem natürlichen                         … bei der Auswahl der Gartenpflanzen auf
 Feind, einem Insekt aus der Familie der Psyl-  INVASIVE ARTEN       einheimische Arten zurückgreifen. Das ist
 liden bekämpft werden. Fachleute haben die                          in der Regel auch für Insekten besser, da sie
 Parasiten in Japan an den dort heimischen   EINZUDÄMMEN.            an diese besser angepasst sind.
 Populationen des Staudenknöterich gesam-
                         UND ZWAR                                    … keine nicht heimischen Tiere für Garten-
                         INDEM WIR …                                 teiche kaufen.

 Strategiebesprechung – Britta Lajoie vom Landschafts-               … auf  keinen Fall überzählige  Tiere aus
 pflegeverband Nürnberg und Praktikant Robin Blum                    Aquarien, Terrarien, Gartenteichen oder an-
 (links) beraten mit Landwirt Martin Vogel, wie sie die              deren Gehegen in die vermeintliche Freiheit
 Kanadische Goldrute eindämmen können.                               entlassen.



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