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Schwerpunktthema Seuchen manatimagazin 25|01
FORSCHUNG, HERAUSFORDERUNGEN, FORTSCHRITTE:
IMPFSTOFFENT WICKLUNG
GEGEN DIE AFRIKANISCHE SCHWEINEPEST Optimierungen. Dafür müssen die Hintergründe und Mechanismen der Interaktionen von Virus
und Wirt besser verstanden werden. In diesem Kontext hat das FLI mit zahlreichen Partnern ver-
Impfstoffe gegen die Afrikanische Schweinepest könnten ein wichtiges Werkzeug für die gleichende Studien an afrikanischen Pinselohr- (Potamochoerus porcus) und Warzenschweinen
Bekämpfung der anzeigepflichtigen Seuche bei domestizierten und wilden Schweinen sein. Bis (Phacochoerus africanus), sowie europäischen Wild- und Hausschweinen durchgeführt.
heute ist es jedoch nicht gelungen, einen wirksamen und sicheren Impfstoff zur Zulassung in Ein Tierversuch für den Artenschutz
Europa zu bringen.
Um besser zu verstehen, was ein Impfstoff können muss, damit er betroffene Schweinearten
Dr. Virginia Friedrichs und Dr. Sandra Blome forschen auf der Insel Riems am Institut für Virusdiagnostik des Friedrich-Loeffler- vor einem tödlichen Verlauf schützt, ist eine Analyse der Immunreaktion in Tieren, die zwar
Instituts – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit im Rahmen internationaler Projekte intensiv an der Entwicklung eines empfänglich sind aber nicht erkranken, essentiell. Um im Detail zu entschlüsseln, was das
Impfstoffes. Immunsystem afrikanischer Schweinearten anders und „richtig“ macht, wurde ein Tierversuch
am FLI durchgeführt.
chon in den 1960er Jahren gab es intensive Ver- Dabei wurden zunächst alle Tiere mit einem hochvirulenten ASP-Virusstamm infiziert. Da
suche, Impfstoffe gegen die Afrikanische Schwei- Haus- und Europäische Wildschweine bereits früh nach der Infektion versterben, wurden
Snepest (ASP) zu entwickeln. Beim Einsatz früher alle Tiere in der ersten Woche nach der Infektion häufig beprobt, um den entscheidenden
Lebendimpfstoffe – also Impfstoffe, die noch geringe Hoffnungsträger – Solche Moment in der Immunreaktion nicht zu verpassen. Noch vor der vollständigen Auswertung
Mengen funktionsfähiger Keime beinhalten – in Por- Impfköder, die flüssigen aller Analysen zeigte sich anhand des täglich erhobenen „Clinical Score“, dass die Spezies
tugal und Spanien traten jedoch unerwartet schwere Impfstoff in einem Blister grundverschieden auf die Infektion reagieren. Der Clinical Score erfasst tagesaktuell auf die
Nebenwirkungen auf. Durch eine unvollständige Wir- beinhalten, sollen zu- Infektion zurückzuführende Änderungen, wie beispielsweise Lethargie, verminderte Fut-
kung konnte das Virus zudem weiterhin zirkulieren. künftig im Artenschutz teraufnahme, oder erschwertes Aufstehen/Gehen. Haus- und Wildschweine zeigten früh
Dies ist einer der Gründe dafür, warum Lebendimpf- eingesetzt werden. nach der Infektion akute Fressunlust, Lethargie und hohes Fieber (bis 41°C) und mussten
stoffe gegen die ASP nach wie vor mit Skepsis betrach- spätestens am siebten Tag aufgrund des schweren Krankheitsverlaufs euthanasiert werden.
tet werden. Pinselohr- und Warzenschweine dagegen zeigten keinerlei Veränderungen im Verhalten und
Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit wären Impf- entwickelten auch kein Fieber.
stoffe wünschenswert, die nur auf einzelnen Virus-
bestandteilen beruhen und nicht das ganze lebende
Virus in sich tragen. Leider sind alle Versuche in die- unter standardisierten Bedingungen und über längere
se Richtung bislang fehlgeschlagen. Die Gründe dafür Zeiträume gegeben ist. Eben diesen Tests, die mehrere
liegen in der Komplexität des Virus, aber auch in der Jahre in Anspruch nehmen, widmet sich das Friedrich-
Tatsache, dass die Antikörper, die gegen das Virus ge- Loeffler-Institut (FLI) derzeit in einem von der EU geför-
bildet werden, nicht in der Lage sind, den Erreger voll- derten Forschungsprojekt mit dem Akronym ASFaVIP.
ständig auszuschalten. Eine schützende Immunität Es geht sowohl um einen Impfstoff, der durch Injektion
benötigt also vor allem die zellulären Reaktionen, die in die Muskulatur an Hausschweine (Sus scrofa domes-
zum Beispiel durch Lebendimpfstoffe ausgelöst wer- ticus) verabreicht werden kann, als auch um einen Kö-
den. Eine Zwickmühle. derimpfstoff, mit dem man zum Beispiel Wildschweine
In den letzten Jahren wurden neue Generationen von (Sus scrofa) versorgen kann. Bezüglich der Impfung von
Lebendimpfstoffen entwickelt, die unter experimentel- Wildschweinen haben wir in Deutschland sehr positi-
len Bedingungen sehr erfolgversprechende Ergebnisse ve Erfahrungen mit der Klassischen Schweinepest. Die
gezeigt haben. Viele dieser Kandidaten sind Virusva- entsprechenden Köderimpfstoffe bestanden aus einem
rianten, die durch gentechnische Methoden verändert Impfblister in einer Matrix aus Mais und Pflanzenfett. Bildlich gesprochen –
wurden. Um derartige Viren in der Praxis einsetzen zu Dreimal im Jahr wurden diese Köder ausgebracht, um Diese Abbildung stellt
können, ist eine zentrale Zulassung durch die Euro- Wildschweine gezielt zu impfen. Ein ähnliches System die im Text beschriebe-
päische Arzneimittelagentur notwendig. Dafür sind ist bei der Afrikanischen Schweinepest angedacht und nen Tierversuche dar.
diverse Tests nötig. Es geht hier beispielsweise darum, wäre auch für bedrohte Populationen anderer, wild- Besonders interessant
daran: die unterschied-
dass die Applikation des Virus keine schweren Neben- lebender Schweine, zum Beispiel in Asien, denkbar. lichen Reaktionen
wirkungen hat, dass sie die Reproduktionsleistung Auch wenn es erste Erfolgsgeschichten gibt, bedarf der Pinselohr- und
der Tiere nicht beeinflusst, und dass eine Wirksamkeit die zukunftsfähige Impfstoffentwicklung weiterer Warzenschweine.
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