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manatimagazin 25|01                                                                                                    manatimagazin 25|01


                                      BLAUZUNGENKRANKHEIT                                                                           So konnten wir auch im Tiergarten Nürnberg bereits  zur Wirksamkeit der Impfstoffe gegen den Serotyp 3
                                                                                                                                     im Sommer mit jeweils groß angelegten Aktionen  durch. Dazu haben die Wissenschaftler Blutproben
                          UND DANN KAM                                                                                               mit den Impfungen beginnen. Der Impfstoff wird in  verschiedener geimpfter Tierarten auf Antikörper un-

                                                                                                                                     Flaschen von 80 oder 200 ml geliefert und muss, so- tersucht. Diese Analysen konnten tatsächlich erst im
                                                                                                                                     bald er angebrochen ist, noch am selben Tag verimpft  „Nachgang“, als der Impfstoff bereits in der Praxis im
                                     DER „NEUE“                                                                                     Trampeltiere, Guanakos, Alpakas und Mähnenspringer  siven Erkrankungswelle war es nicht möglich, Vorab-
                                                                                                                                     werden. Rotkopf- und Ouessantschafe, Zwergziegen,  Einsatz war, gemacht werden. Denn wegen der mas-

                                                                                                                                     konnten wir von Hand impfen. Auch bei den Giraffen,  Studien durchzuführen, um dann den besten Impf-
                                                                                                                                     Gelbrückenduckern und Waldrentieren war dies über  stoff zuzulassen: Die verfügbaren Impfstoffe mussten
                    2024 trat eine neue Variante des Virus auf, der die Blauzungenkrankheit verursacht.                              das medizinische Training möglich. Alle anderen Tie- so schnell wie möglich eingesetzt werden, um Tierle-
                                                                                                                                     re wie Zwergzebus, Hochlandrinder, Wisente, Bisons,  ben zu schützen und die oft schwerwiegenden, wirt-
                    Zootierärztin Dr. Katrin Baumgartner und Zootierarzt Dr. Hermann Will berichten, wie Behörden und Tierärzte      Kaffernbüffel, Elen- und Mendesantilopen, Takine, ei- schaftlichen Folgen zu minimieren.
                        im Eilverfahren einen neuen Impfstoff zugelassen und eingesetzt haben, um Tierleben zu schützen.             nige Blauschafe und Wasserbüffel                                Bei der Studie an Schafen hat sich
         Schwerpunktthema Seuchen
                                                                                                                                     mussten per Blasrohr oder bei wei-                              gezeigt, dass ein Impfstoff beson-
                                                                                                                                     teren Entfernungen per Narkose-                                 ders gute Ergebnisse liefert und
                  ei der Blauzungenkrankheit handelt es sich um   Um ein klareres Bild der Risiken zu bekommen, war die              gewehr geimpft werden. Da nach                                  die Zweitimpfung wichtig ist, da
                  eine virale Erkrankung, die durch Gnitzen (Cera-  Vernetzung mit anderen Zoos sehr wichtig. Leider gab             einigen Wochen auch immer eine                                  danach ein deutlicher Impf-Titer-
             Btopogonidae), kleine Mücken, übertragen wird.   es in anderen Tiergärten bereits Fälle – doch so konn-                 Nachimpfung nötig war, haben wir                                Anstieg, also eine hohe Anzahl an
             Sie wird so genannt, weil eines der typischen Symp-  ten wir aus deren Erfahrungen lernen und bei unseren              an neun Tagen insgesamt 307 Tiere                                schützenden Antiköpern, zu er-
             tome eine sogenannte Zyanose ist, also eine blauver-  Tieren genau auf etwaige Symptome achten.                         jeweils zweimal geimpft.                                        kennen war.
             färbte Zunge. Es gibt 26 verschiedene Varianten, so-                                                                    Das BMEL, das Friedrich-Loeffler-                               Der Tiergarten Nürnberg hat sich
             genannte Serotypene. Verschiedene Tiere wie Schafe,   Prophylaxe                                                        Institut (FLI) und die  Ständige                                ebenfalls beteiligt und mehre-
             Ziegen,  Rinder,  Hirsche,  Antilopen  und  Kamele  sind   Da es keine Kreuzimmunität mit den anderen Seroty-           Impfkommission (StIko Vet) emp-                                 re Proben eingeschickt, darunter
             für diese Krankheit empfänglich. Die Symptome und   pen gibt, waren unsere Tiere durch die Impfung zwar                 fehlen auch jetzt wieder dringend                               solche von Rotkopf- und Kame-
             Auswirkungen sind je nach Serotyp und Tierart unter-  gegen BTV-1, -4 und -8 geschützt, nicht aber gegen den            den Einsatz dieser Impfungen.                                   runschafen, aber auch von Bisons,
             schiedlich und können von symptomlosen Erkrankun-  „neuen“ Serotyp. Gegen BTV-3 stand am Anfang der In-                                                                                 Kaffernbüffeln, Mähnenspringern,
             gen über milde Formen bis hin zum Tod führen.    fektionswelle noch kein Impfstoff zur Verfügung.                      Therapie                                                         Trampeltieren, Guanakos, Alpakas
             Im Tiergarten Nürnberg werden gefährdete Tiere bereits   Im nächsten Schritt wurden zwar drei Impfstoffe her-           Denn eine tatsächliche Therapie ist                             und Mishmi-Takinen.
             seit 2016 jährlich gegen die Serotypen 1, 4 und 8 geimpft.   gestellt, diese hatten aber keine Zulassung. Um den        bei  erkrankten  Tieren  nicht  mög-
             Die Tiere konnten dadurch bisher gut geschützt werden   Schutz empfänglicher Tiere zu gewährleisten, hat das            lich. Jedoch haben Fälle in anderen
             und es kam nicht zu Erkrankungen. Im September 2023   Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft                Einrichtungen gezeigt, dass man die Patienten durch       Aufschlussreich – Die Blutproben, in diesem Fall
             trat jedoch der neue Serotyp 3 (BTV-3 = Blue Tongue Vi-  (BMEL) den Einsatz dieser Impfstoffe im Juni 2024 per          Gaben von Schmerzmittel, Kortikosteroiden und Anti-      von einem Rotkopfschaf, erlauben weiterführende
             rus-3) in den Niederlanden auf, der zu schweren Erkran-  Eilverordnung gestattet.                                       biotika „unterstützen“ kann, sodass die Symptome                    wissenschaftliche Untersuchungen.
             kungen bei Schafen und Rindern führte. Im Herbst 2023                                                                   gemildert werden, keine bakteriellen Infekte hinzu-
             gab es einzelne erkrankte Tiere in Deutschland. Nach                                                                    kommen und die Tiere stabilisiert werden. Auch ist
             einer „Winterpause“ traten 2024 vermehrt Fälle unter                                                                    es wichtig, auf die Futterdarreichung zu achten, da es
                                                                                                                                    schleimhaut kommt und ihnen daher das Fressen  AUSBLICK
             Nutztieren auf.                                                                                                         bei einigen Individuen zur Veränderung an der Maul-
             BTV-3                                                                                                                  schwerfällt.
             Der „Neue“ unter den Serotypen, also der Typ 3, hat                                                                                                                     Wie bei so vielen Seuchengeschehen viralen Ursprungs
             sich im Sommer 2024 massiv in Deutschland ausge-                                                                        Befunde im Tiergarten und erste                 ist die Prophylaxe die einzige Möglichkeit, Tierbestän-
             breitet. Im August gab es bereits über 5.000 gemel-                                                                     serologische Ergebnisse                         de zu schützen. Denn es gibt weder eine Möglichkeit,
             dete BTV-3 Feststellungen. Betroffen waren neben                                                                        Im Herbst 2024 verendete eine Guanako-Stute. Wie  die Tiere dauerhaft „mückenfrei“ zu halten, noch eine
             Schafen und Rindern auch Ziegen, Kamele und Wild-                                                                      sich  in  der  Pathologie  herausstellte,  war  das  schon  geeignete Therapie gegen diese Viren. Und auch wenn
             wiederkäuer wie zum Beispiel Rehe oder Damhirsche.                                                                     sehr  alte  Tier  am  BTV  erkrankt.  Es  bleibt  ungeklärt,  ein hundertprozentiger Schutz durch die Impfung nie-
             Da neben den Hauswiederkäuern auch weitere Arten                                                                        ob der bereits altersbedingt abgebaute Zustand des  mals gegeben sein kann, hat dieser Ausbruch von BTV-3
             betroffen sein können, besteht die Gefahr der Erkran-                                                                   Guanakos die Ursache dafür war, dass die Stute trotz  wieder gezeigt, dass ein schnelles Handeln seitens der
             kung auch für viele im Tiergarten gehaltene Arten.                                                                      Impfung erkrankte, oder ob der verwendete Impfstoff  Behörden, die den Einsatz der Impfstoffe gestattet ha-
                                                                                                                                     gegen die Variante BTV der Auslöser war.        ben, und der Tierärzte, die nicht nur in Tiergärten, son-
             Symptome                                                                                                               Um bei solch neuen Krankheiten fundierte Erkennt- dern deutschlandweit in verschiedenen Tierhaltungen
             Besonders bei Schafen gibt es bei einer BTV-3 Infekti-                                                                  nisse zu gewinnen, bedarf es einer wissenschaftlichen  über viele Tage und Wochen Impfungen durchgeführt
             on sehr viele Erkrankte und auch Todesfälle, bei Haus-                                                                  Herangehensweise. So führte das FLI Untersuchungen  haben, Tierleben schützen kann.
             rindern sind die Symptome weniger stark ausgeprägt.
             Allerdings kommt es zu einem Rückgang der Milch-
             leistung.                                                                                                                Zielsicher – Die Hochlandrinder wurden
                                                                                                                                       mit Hilfe des Narkosegewehrs geimpft.
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