Page 33 - manatimagazin_seuchen_25_01
P. 33

manatimagazin 25|01                               manatimagazin 25|01


 WIE KLEINSTE GEGNER                                          Das Eschentriebsterben ist dabei eine der größ-
                                                              ten Herausforderungen: Weil es schlicht  un-
                                                              möglich ist, die Ausbreitung des Erregers zu
 GESTANDENE BÄUME                                             verhindern. In den vergangenen Jahren hat-
                                                              ten sich daher zahlreiche Einrichtungen im
                                                              Rahmen des Projektes „Frax for Future“ zu-
                                                              sammengetan, um die Erkrankung zu erfor-
                                                              schen und zu verhindern, dass die Gemeine
                                                              Esche komplett aus den mitteleuropäischen
 ZU FALL BRINGEN     inzig klein und für das bloße Auge       Wäldern verschwindet. Ziel des Projektes ist
                     kaum sichtbar docken  sie an  den
                                                              es unter anderem, Eschenlinien zu identifi-
             WBlättern an: Hier finden die Pilzsporen
              den Lebensraum, den sie brauchen. Sie bilden    zieren, zu vermehren und heranzuziehen, die
                                                              widerstandsfähiger gegenüber  Hymenoscy-
 Schwerpunktthema Seuchen
             Hyphen aus, fadenförmige Zellen, die Adern       phus fraxineus erscheinen. Zu diesem Zweck
 Pilze gehören zu den bisher am besten erforschten Mikroorganismen an   gleich zunächst in die Blätter, dann in die Spin-  sind  über  das  Bundesgebiet  zahlreiche  Ver-
 Bäumen. Durch die Einschleppung durch den globalen Pflanzenhandel sind   deln und in die Äste wachsen. Der Schlauchpilz   suchsflächen entstanden, die intensiv beob-
 heimische Pflanzenarten mit  bisher unbekannten  Erregern konfrontiert.   mit dem wissenschaftlichen Namen Hymeno-  achtet und erforscht werden.
 Veränderungen durch den Klimawandel begünstigen deren Verbreitung.  scyphus fraxineus besiedelt das Gewebe von   Weshalb solch ein Aufwand für eine einzige
             Blättern und Zweigen. Die Blätter werden braun,   Baumart? „In unseren europäischen Wäldern
 Anna Böhm, Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Leiterin der Tiergartenkommunikation  die Krone lichtet sich, der Stamm wird brüchig   haben wir keine große  Artenvielfalt wie in
             – der Baum stirbt. Die Gemeine Esche (Fraxinus    Nordamerika gar in den Tropen“, sagt Nicole
             excelsior) hat dem „Falschen Weißen Stengel-     Burgdorf. „Unsere mitteleuropäischen Laub-
             becherchen“ nichts entgegenzusetzen.             mischwälder bestehen größtenteils aus rund
             1992 wurde der Schaderreger, der das Eschen-     einem Dutzend Laubbaumarten. Durch die
             triebsterben verursacht, erstmals in Polen       Globalisierung und diese Krankheiten zum ei-
             nachgewiesen. Vermutlich gelangte er über        nen und durch sich verändernde Witterungs-
             Pflanzmaterial aus Ostasien dorthin. Seither     verhältnisse im Zuge des Klimawandels zum
             hat  er sich derart rasant  verbreitet und be-   anderen sehen wir bei vielen Baumarten in
              droht heute die mitteleuropäischen Eschen-      unseren Wäldern Probleme. Wir sollten alles
             bestände. An den ostasiatischen Eschenarten      unternehmen, um die Baumarten, die wir ha-
             wie zum Beispiel der Mandschurischen Esche       ben,  die  forstlich,  ökologisch  und  auch  wirt-
             (F. mandshurica) wirkt er wie ein gewöhnlicher   schaftlich wertvoll sind, zu erhalten.“
             Zersetzerpilz, der einen vitalen Baum nicht
             schädigt – Baum und Pilz hatten dort Jahrtau-    Geschwächter Bergahorn ist anfällig
             sende Zeit, um sich evolutionär aneinander       für die Rußrindenkrankheit
             anzupassen.                                      Wertvoll ist auch das Holz des Bergahorns (Acer
             Für die Gemeine Esche in unseren Gefilden gilt   pseudoplatanus). Er wurde in den 1990er Jahren
              das nicht. Hier ist das Infektions- und Schad-  in Folge mehrerer Sturmereignisse vielfach in
             potenzial gerade in Auwäldern mit einer gro-     Wäldern angepflanzt, auch im zunehmend
             ßen Eschendichte sehr hoch. Denn auf den         heißen und trockenen Unterfranken. „Natürli-
             abgefallenen Blättern der erkrankten Bäume       cherweise kommt er in dem Ausmaß gar nicht
             bilden sich Jahr für Jahr die mehrere Millimeter   vor“, sagt Nicole Burgdorf. Deswegen ist sie
             großen  Fruchtkörper des  Schaderregers.  So-    in Bezug auf die Rußrindenkrankheit, die in
             bald es warm und feucht genug ist, bilden sie    den  vergangenen  Jahren viele der Bergahorn-
             Millionen von Sporen, die sich über den Wind     bestände in der Region dahingerafft hat, ver-
              erneut verbreiten. „Im Prinzip können sich die   gleichsweise zuversichtlich. „Dass der Erreger
             Bäume dort über die gesamte Vegetationspe-       der  Krankheit,  der  Pilz  Cryptostoma corticale,
             riode hinweg infizieren“, sagt Dr. Nicole Burg-  dort so viel Schaden anrichtet, liegt insbeson-
              dorf, die an der Bayerischen Landesanstalt für   dere daran, dass viele Standorte in dieser war-
             Wald- und Forstwirtschaft (LWF) zu Phytopa-      men Weinbauregion nicht optimal für diese Art
             thologie – also zu Erkrankungen an Wald- und     sind.“ In vielen Regionen Südbayerns jedoch,
             Parkbäumen – forscht.                            Auwäldern, stünde der Bergahorn in seinem
                                                              Optimum – und dort hätten sie und ihre Kolle-
       Geschwächt – Ist der Bergahorn anfällig für die Rußrindenkrankheit,    gen die Rußrindenkrankheit bisher nur in Ein-
       die durch den Pilz Cryptostoma corticale verursacht wird.  zelfällen beobachtet. Anders als der Erreger des


 32                                                         33
   28   29   30   31   32   33   34   35   36   37   38