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             Wer war noch betroffen?                                                                                                                                                                                 Spurensuche – Ein
             Die am stärksten betroffene Gruppe waren                                                                                                                                                              Mitarbeiter des HIOH
             Robben, aber auch andere Meeressäugetiere                                                                                                                                                             nimmt Blattabstriche
             wurden durch das Virus getötet, darunter der                                                                                                                                                         im Westafrikanischen
             Gemeine Delfin (Delphinus delphis), der Weiß-                                                                                                                                                            Nationalpark Tai.
             bauchdelfin (Cephalorhynchus eutropia), der
             Burmeister-Schweinswal (Phocoena spinipinnis),
              die  Küstenotter  (Lontra felina) und  Südlichen
             Flussotter (L. provocax), insbesondere im Pazifik.
             Die Überschneidungen der Lebensräume dieser
             Säugetiere, der Robben und der infizierten Vö-
             gel sind besorgniserregend mit Blick auf künf-
             tige Ausbrüche, insbesondere in Anbetracht der
             Anpassungsfähigkeit des Virus.
             Was ist als nächstes zu tun?

             Die Reaktionen auf den HPAI-Notstand zwi-
             schen 2022 und 2023 fielen in den einzelnen                                                                                                   „SO SEHR WIR WEITER IN
             Ländern unterschiedlich aus, wobei viele nicht   Auf dem Vormarsch – Die Vogelgrippe breitet sich
             auf das Ausmaß des Problems vorbereitet wa-   seit 2022 rasant unter Meeressäugern in Südamerika aus.
             ren. Die rasche und massive Sterblichkeit führ-  Am stärksten betroffen sind Robben.                                                                ENTLEGENE GEGENDEN
             te zu einer Anhäufung von Kadavern an den
             Stränden, die umgehend vergraben werden
             mussten, um ein Übergreifen auf Haustiere,    Quellen                                                                                 VORDRINGEN, SO KOMMEN
             Aasfresser und Menschen zu verhindern. Den-   de Lima, R. C., Estima, S. C., Tavares, M., Canabarro, P. L., Botta, S., Dias, L. A., ... &
             noch wurden wichtige Lehren gezogen, und        de Oliveira, L. R. (2025). Impacts and lessons learned from the first highly pathogenic   Schwerpunktthema Seuchen
              die Reaktionsprotokolle wurden überarbeitet,   avian influenza (H5N1) outbreak in South American pinnipeds along the southern                               DIE ERREGER AUCH
             sodass  Forschende  und  lokale  Behörden  auf   Brazilian coast. Marine Mammal Science, 41(1), e13163.
             künftige Notfälle besser vorbereitet sind. Ra-  Kozlov (2025) Will bird flu spark a human pandemic? Scientists say the risk is rising.
             sches, koordiniertes Handeln – einschließlich   Nature. https://doi.org/10.1038/d41586-025-00245-6                                   SCHNELLER DORT HERAUS“
             umfassender Tests und Überwachung – ist       Plaza, P. I., Gamarra-Toledo, V., Euguí, J. R., Rosciano, N., & Lambertucci, S. A. (2024).
             unerlässlich,  um  künftige  Ausbrüche  wirk-   Pacific and Atlantic sea lion mortality caused by highly pathogenic Avian Influenza A
             sam einzudämmen. Darüber hinaus ist HPAI        (H5N1) in South America. Travel Medicine and Infectious Disease, 59, 102712.
             zu einer der größten Bedrohungen für die Er-    https://doi.org/10.1016/j.tmaid.2024.102712                                    Interview mit Prof. Dr. Fabian Leendertz, Veterinär, Gründungsdirektor des Helmholtz-
             haltung der südamerikanischen Robben ge-      Riaz, J., Orben, R. A., Gamble, A., Catry, P., Granadeiro, J. P., Campioni, L., ... & Baylis, A. M.   Instituts für  One  Health  (HIOH)  und  Professor  für  One  Health  an  der Universität
             worden,  von  denen  viele  bereits  unter  dem   (2024). Coastal connectivity of marine predators over the Patagonian Shelf during the   Greifswald. Fabian Leendertz hat einen neuen Typ des Milzbranderregers (Bacillus cereus
             Druck menschlicher Aktivitäten stehen, wie      highly pathogenic avian influenza outbreak. Ecography, 2024(11), e07415.       bv anthracis) entdeckt und als erster Lepra bei wildlebenden Menschenaffen beschrieben.
             zum Beispiel nicht nachhaltiger Fischerei oder   https://doi.org/10.1111/ecog.07415
             Verschmutzung.                                                                                                                 Darüber hinaus leitete er die Untersuchung zum Ausgangspunkt des westafrikanischen
                                                                                                                                            Ebola-Ausbruchs im Jahr 2014 und war Mitglied der WHO-Expertengruppe zur Untersu-
              Besteht ein Risiko für den Menschen?                                                                                          chung des Ursprungs von SARS-CoV-2.
             Obwohl es viele bestätigte Fälle gab, ist das                         Nachforschung – Wissenschaftler sam-
             Risiko einer Virusübertragung auf den Men-                            meln virologische und histopathologi-                    Anna Böhm                                                       Prof. Dr. Fabian Leendertz
             schen nach wie vor gering. Die Geschichte und                        sche Proben von toten Robben während
              der Verlauf von HPAI deuten jedoch darauf hin,                         des Ausbruchs 2023 in Südbrasilien.                    Herr Dr. Leendertz, welche Prozesse begünstigen die Entstehung
              dass dieses Virus in der Natur weiter bestehen                                                                                von Zoonosen?
             wird, was eine aktive Beobachtung neuer Mu-                                                                                    Da sind leider verschiedene Prozesse am Werk – das macht das Ganze
             tationen und Ausbrüche erforderlich macht.                                                                                     ein bisschen komplexer. Natürlich muss erstmal der Kontakt zwischen
             Vor kurzem wurden neue Stämme  bei  Haus-                                                                                      Mensch und Tier da sein. Dieser Kontakt wird auch dadurch bedingt,
             rindern (Bos taurus)  entdeckt  – die Wissen-                                                                                  dass wir unsere Umwelt verändern. Dass wir die Wälder verändern, dass
             schaftler gehen davon aus, dass sich das Virus                                                                                 wir Strukturen in der Natur verändern: Damit verschieben wir die Arten-
             weiterhin an neue Wirte anpassen wird.                                                                                         zusammensetzung bestimmter Tierarten, die ein Reservoir sein können
                                                                                                                                            für zoonotische Erkrankungen. Und wir verschieben eben auch das Risi-
             Aus dem Englischen übersetzt von                                                                                               ko, dass sich der Mensch infiziert. Das hängt mit Lebensraum- aber auch
             Luisa Rauenbusch                                                                                                               mit Klimaveränderungen zusammen.


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