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 VIRUS IM WANDEL:
                                                                     Von Vögeln zu Säugetieren:
                                                                     die Natur von H5N1
 DIE VOGELGRIPPE IST                                                 Die  unmittelbare  Nähe  infizierter  Vögel  zu

                                                                     den Brutkolonien südamerikanischer Rob-
                                                                     ben,  wie z. B. der  Südamerikanischen  Pelz-
 AUCH FÜR  MEERESSÄUGER                                              amerikanischen Seelöwen (Otaria flavescens)
                                                                     robbe (Arctocephalus australis), des Süd-

                                                                     und des Südlichen Seeelefanten (Mirounga
                                                                     leonina), führte zu einer raschen Verbreitung
 EINE TÖDLICHE GEFAHR                                                Virus verursachte schwere respiratorische
                                                                     der Krankheit unter diesen Säugetieren. Das

                                                                     und neurologische Auswirkungen und führ-
 Schwerpunktthema Seuchen
                                                                     te zu einer schnellen Sterblichkeit. Zu den
 Die tödliche H5N1-Vogelgrippe bedroht ganze Populationen südamerikanischer Robben.   klassischen Symptomen gehörten Lethargie,
 An der Pazifikküste erstmals 2022 entdeckt, breitete sich das Virus rasch aus und erreichte   Krämpfe, Verlust der motorischen Koordina-
 bis 2024 die Antarktis. Der starke Kontakt unter den Meeresraubtieren erleichterte die   tion, abnorme Atmung und Nasensekretion.
                                                                     Darüber hinaus wies der Stamm eine erhöh-
 Übertragung und führte zu katastrophalen Verlusten. Das Risiko für den Menschen ist   te Pathogenität und das Potenzial zur Über-
 zwar nach wie vor gering, doch angesichts der Mutation des Virus ist eine ständige   tragung von Säugetier zu Säugetier auf, was
 Überwachung von entscheidender Bedeutung.                           eine ernsthafte Bedrohung für Arten dar-

                                                                     stellt, die in dichten Kolonien leben und hier
 Renan C. de Lima ist promovierter Biologe und arbeitet am Labor für Ökologie und Erhaltung der marinen Mega-  ihre Jungen aufziehen.
 fauna, das zum Institut für Meereskunde der Universität Rio Grande gehört.
                                                                     HPAI-Notfall in Südamerika
 Verwundbar – Eine junge südamerikanische                            Die Sterblichkeitsrate bei Seeelefanten war
 er  Schutz  von  Meeressäugetieren   Pelzrobbe (Arctocephalus australis) in Südbrasilien.   in verschiedenen Regionen katastrophal, am
 steht vor einer neuen und unerwarte-  Auch sie ist anfällig für das H5N1-Virus.  höchsten war sie jedoch in Chile und Peru mit
 Dten Herausforderung, die diesmal von                               Zehntausenden von Tieren. Auf der argenti-
 der Natur selbst ausgeht: Das 1996 erstmals                         nischen Halbinsel Valdés, dem weltweit ein-
 identifizierte  hochpathogene  Vogelgrippe-                         zigen kontinentalen Platz, an dem Südliche
 virus H5N1 (HPAI) erlebte seinen stärksten                          Seeelefanten ihre Jungen zur Welt bringen,
 Ausbruch zwischen 2020 und 2023, ausgelöst                          starben fast alle Jungtiere der Saison 2023,
 durch einen neuen Stamm (2.3.4.4b), der in                          ebenso wie viele ausgewachsene Tiere. Im
 Europa und Asien auftauchte. Dieses Virus                           darauffolgenden Jahr fanden die Forscher
 verursachte ein Massensterben unter Vögeln,                         eine deutlich kleinere Kolonie vor. In Uruguay
 sowohl in der Wildbahn als auch in der Ge-                          wurden die Seelöwen- und Pelzrobbenpopu-
 flügelindustrie. In Südamerika, wo Ausbrüche                        lationen ebenfalls stark in Mitleidenschaft
 seltener vorkamen, waren die Auswirkungen                           gezogen, wobei sowohl im Land selbst als
 auf die Tierwelt besonders schwerwiegend.                           auch entlang der brasilianischen Grenze eine
 Das Virus wurde erstmals im Oktober 2022                            hohe Sterblichkeitsrate gemeldet wurde. Be-
 an der Pazifikküste entdeckt und breitete                           sonders  besorgniserregend  sind  die  Auswir-
 sich rasch von Kolumbien nach Peru, Vene-                           kungen auf die Seelöwen, deren Populationen
 zuela, Ecuador und Chile aus, um bald darauf                        in der Region ohnehin bereits rückläufig sind.
 Argentinien, Uruguay und Brasilien an der At-                       Gründe sind hier Probleme mit der Fischerei
 lantikküste zu erreichen. Ende 2023 und An-                         und die räumliche Konkurrenz mit den Pelz-
 fang 2024 gab es die ersten Nachweise, dass                         robben, die sich dieselben Plätze teilen.
 das Virus die subantarktischen und antarkti-
 schen Regionen erreicht hatte – eine Ausbrei-
 tung, die durch den hohen Kontakt zwischen
 marinen Raubtieren, insbesondere zwischen
 dem Südatlantik und dem Antarktischen
 Ozean, erleichtert wurde.





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