Page 12 - Manatimagazin 23/01

manatimagazin 23|01 manatimagazin 23|01
»KEIN ERFOLG DURCH VERBOTE
JON PAUL RODRIGUEZ
Weltnaturschutzunion IUCN, Species Survival Commission
In der Roten Liste der bedrohten Arten ist Wissen über 160.000 Tier-,
Pflanzen- und Pilzarten gebündelt: Neben den Lebensräumen und
den Verbreitungsgebieten der Arten finden sich dort auch die Fakto-
ren, die ihr Überleben bedrohen. Exzessive Nutzung der natürlichen
Ressourcen durch den Menschen ist eine der größten Bedrohungen
für Tiere und Pflanzen. „Dennoch“, sagt Jon Paul Rodriguez, „bringen
Verbote und der Zwang zur nachhaltigen Nutzung eher wenig Aussicht auf Erfolg.“ Viel besser und
zielführender sei es, die Menschen in die Schutzbemühungen einzubeziehen und sie so zu gestal-
ten, dass alle profitieren: Tiere, Pflanzen und Menschen.
»43.000 HEKTAR SCHUTZGEBIET
DANIELLE KREB
Indonesische Naturschutzorganisation Yayasan Konservasi RASI
Wulstige Stirn, kurze Schnauze, kleine Finne: Der auffällige Maha-
kam Flussdelfin (Orcaella brevirostris) steht im Fokus der Arbeit von
Danielle Kreb. Die Biologin hat sich in ihrer Doktorarbeit mit dem
Schutz und der sozialen Ökologie der vom Aussterben bedrohten
Kleinwalart beschäftigt. Sie ist eine der Gründerinnen der indone-
sischen Naturschutzorganisation Yayasan Konservasi RASI und lei-
tet ein wissenschaftliches Programm, in dem neben der Forschung
auch die Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle spielt. Ihr Engagement zahlt sich aus: Mit ihrer Organisation
konnte sie ein rund 43.000 Hektar großes Schutzgebiet gründen, in dem Delfine und Fischer aus 27
Dörfern koexistieren. „In den letzten 20 Jahren haben wir alle Gesellschaftsgruppen sensibilisiert“,
sagt Danielle Kreb. „Wir haben die Bedürfnisse der Menschen untersucht, Schulungen durchgeführt
und Hilfsmittel für nachhaltigere Fischerei bereitgestellt. So konnten wir ein stärkeres Engagement
für den Delfinschutz erreichen.“
»BEDROHUNGEN IDENTIFIZIEREN
PHIL MILLER
Weltnaturschutzunion IUCN, Conservation Planning Specialist Group
Die anthropogenen Bedrohungen für Wildtierpopulationen werden
mit der zunehmenden Globalisierung immer komplexer. Wie können
diese Bedrohungen wirksam identifiziert, analysiert und bewältigt
werden? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich Phil Miller von der
Conservation Planning Specialist Group der IUCN. Eine zentrale Rolle
spielt hier der sogenannte One-Plan-Approach, den die IUCN Conser-
vation Planning Specialist Group entwickelt hat. „Das Besondere an
diesem Ansatz ist, dass er alle Gruppen einbezieht, die mit der betreffenden Tierart zu tun haben, und
zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets“, sagt Phil Miller.
„Dabei arbeiten wir transdisziplinär: Neben traditionellen Daten aus der Biologie spielen beispiels-
weise auch Ressourcenökonomie, Demografie und Verhaltenspsychologie eine Rolle.“ Miller arbeitet
fortwährend daran, den Ansatz auszubauen, indem er bislang ungenutztes Fachwissen aus weiteren
Disziplinen heranzieht.
Videostatements der Expertinnen und Experten finden Sie hier:
12
DIE RÜCKKEHR
DER KEGELROBBEN
VERSCHIEDENEN INTERESSEN RAUM GEBEN
So erfreulich die Rückkehr der Kegelrobben aus Sicht des Naturschutzes ist: Sie stellt
die handwerkliche Küstenfischerei vor große Herausforderungen. Die Tiere fressen
den bereits gefangenen Fisch und können die Netze zerstören. Ein„Robbenplan“ in
Mecklenburg-Vorpommern soll die friedliche Koexistenz zwischen Kegelrobben und
Fischern erreichen. Doch wie sieht diese aus? Sozialwissenschaften können helfen,
Konflikte im Naturschutzmanagement besser zu verstehen und zu reduzieren.
Clara Fräger hat Geschichte und Forstwissenschaften studiert und arbeitet als Wissenschaftlerin am Thünen-Institut
für Ostseefischerei an der Schnittstelle zwischen Human- und Umweltwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf der
Prozessforschung im Wildtiermanagement von Großsäugern. Dr. Fanny Barz ist Soziologin und eine der Leiterinnen
der sozialwissenschaftlichen Arbeitsgruppe am Thünen-Institut für Ostseefischerei. Themenschwerpunkte sind die
maritime Soziologie und der Strukturwandel der Küstenfischerei.
„WIR KOMMEN GAR NICHT ZUM FISCHEN. DANN HOLEN
WIR NUR NOCH KÖPFE RAUS ODER ZERRISSENE NETZE.“
o oder so ähnlich geht es vielen Fischern an der deutschen Ostseeküste. Die Kegelrobben galten
hier lange als ausgestorben. Seit 2005 werden sie wieder regelmäßig an den Küsten Mecklen-
Sburg-Vorpommerns gesichtet und ihr Bestand nimmt schnell zu. Mit der Rückkehr der geschütz-
ten Tiere sieht sich die kleine Küstenfischerei neuen Herausforderungen gegenüber. Zum einen fressen
sie bereits gefangenen Fisch aus den Stellnetzen der Fischenden oder fressen diesen an. Den verblei-
benden Fisch aus dem Netz zu „pulen“ ist eine zeitaufwendige Arbeit. Auch werden die Netze durch
die Kegelrobben teilweise zerstört und müssen geflickt werden. Zum anderen gilt es, Beifänge von
Kegelrobben zu vermeiden.
Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als ob die Mensch-Wildtier-Interaktion im Vordergrund
steht, sind es Menschen oder Organisationen mit unterschiedlichen und manchmal auch gegensätzli-
chen Interessen, Zielsetzungen und Wertvorstellungen, zwischen denen es zum Konflikt kommt (Red-
path et al., 2013). Managementpläne können helfen, solche Interessenskonflikte zu reduzieren. Auf Be-
treiben von Umweltschutzverbänden und Fischerei wurde daher 2019 durch das Landesministerium in
Mecklenburg-Vorpommern ein Beirat gegründet und damit ein Prozess mit dem Ziel in Gang gebracht,
einen „Robbenplan“ für das Bundesland zu erarbeiten.
Häufig liegt der Fokus bei Managementplänen auf technischen Alternativen und Ausgleichszahlungen.
Kommunikation und Partizipation der Beteiligten sind aber genauso wichtig – hier wird der Grund-
stein für erfolgreiches Konfliktmanagement gelegt. Denn: Gemeinsam gefundene Lösungen und be-
schlossene Maßnahmen sind erfolgreicher (Ferretti, 2021). Genau hier setzt sozialwissenschaftliche
Forschung an. Sie stellt die Menschen, die an der Entwicklung eines Plans beteiligt sind und dessen
Entwicklungsprozess in den Vordergrund. Daher wird der Prozess zur Erstellung eines Robbenplans
13