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etrachten wir zunächst den einfachsten Fall. Eine Tierart, die
im Tiergarten Nürnberg gezüchtet wurde, soll auf dem Ho-
Bheitsgebiet der Bundesrepublik ausgewildert werden. Nach
§ 40 Abs. 1 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) be-
darf es dafür einer artenschutzrechtlichen „Genehmigung der zu-
ständigen Behörde“. Kam diese Spezies bisher in Deutschland in
der Natur noch nicht vor, ist nach BNatSchG § 40 Abs. 2 das Bun-
desamt für Naturschutz (BfN) zuständig.
Für in Deutschland heimische Tierarten sind Behörden des Auswil-
derungsortes genehmigungspflichtig. Selbstredend unterscheiden
sich diese von Bundesland zu Bundesland. In Bayern ist beispiels-
weise die untere Naturschutzbehörde des jeweils betroffenen
Landkreises beziehungsweise der kreisfreien Stadt zuständig, in
Hessen die obere Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums.
Für das Ansiedeln von Tieren, die dem Jagd- oder Fischereirecht
unterliegen, bedarf es dagegen keiner artenschutzrechtlichen Ge-
nehmigung, „sofern die Art in dem betreffenden Gebiet in freier
Natur in den letzten 100 Jahren vorkommt oder vorkam“ (BNSchG
§ 40 Abs. 1 Satz 4). Meist ist es jedoch schwer nachzuweisen, in
welchem Jahr zum Beispiel der letzte Eurasische Luchs (Lynx lynx)
in einem bestimmten Gebiet erlegt wurde.
Für die artenschutzrechtliche Genehmigung der Auswilderung
holt die Behörde gegebenenfalls ein Gutachten der Landesfach-
behörde ein, z.B. der Bayerischen Akademie für Naturschutz und
Landschaftspflege (ANL). Die Genehmigung orientiert sich an den
„Richtlinien für Wiederansiedlung und andere Umsiedlungen zur
Bestandserhaltung“ der Weltnaturschutzunion IUCN. Dabei wird
zwischen Bestandsunterstützung und Wiederansiedlung unter-
schieden, je nachdem, ob eine vorhandene Population aufgefrischt
Alles geklärt Erst nach auf- werden soll oder ob die Art vor Ort bereits ausgestorben war.
wendiger Vorarbeit können
Tiere ausgewildert werden. Auch stellt sich die Frage, ob die Tiere nicht von selbst in das Aus-
Der Tiergarten Nürnberg wilderungsgebiet einwandern könnten. Ist die Aussterbeursache
züchtet hierfür zum Beispiel bekannt und beseitigt?
Habichtskäuze.
Diese Fragen erfordern eine genaue Kenntnis der Biologie des be-
treffenden Tieres, der Ökologie des Lebensraums und der Historie
des menschlichen Eingriffs. Darüber hinaus prüft die zuständige
Behörde, ob ein Managementplan vorliegt und die ausgewilderten
Tiere über einen langen Zeitraum mittels Monitoring überwacht
werden. In der Regel wirft die Prüfung Fragen auf, die vom Antrag-
steller beantwortet und gegebenenfalls von der Landesfachbehör-
de wieder begutachtet werden müssen.
Soll die Tierart in einem Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet ausge-
wildert werden, greift zusätzlich europäisches Recht. Artikel 22 der
FFH-Richtlinie schreibt zum Beispiel bei streng zu schützenden Tier-
arten, die in Anhang IV gelistet sind, eine Prüfung der Zweckdienlich-
keit vor. Die Wiederansiedlung muss also nachweislich zum Erhalt
der Tierart beitragen. Außerdem kann sie erst „nach entsprechender
Konsultierung der betroffenen Bevölkerungskreise“ erfolgen. Bei der
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