Page 8 - Manatimagazin 23/02
P. 8

Schwerpunktthema Auswilderung




                             Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) mag diese Forderung unproblematisch sein,
                             beim Wolf (Canis lupus) dürfte sie inzwischen jedes Wiederansiedlungsprojekt stoppen.


                             Liegt die neue Wunschheimat in einem Naturschutzgebiet, ist natürlich die entsprechende Ver-
                             ordnung zu beachten. In der Regel sieht sie ein Betretungsverbot außerhalb der Wege vor. Dies
                             gilt zwar nicht für Land- und Forstwirte, wohl aber für Artenschützer, die Tiere auswildern wol-
                             len. Ist der Auswilderungsort nur über Forstwege zu erreichen, kann eine entsprechende Erlaub-
                             nis der Forstbehörde notwendig werden.


                                                                   Über die bisher aufgezählten rechtlichen Hür-
                                                                   den muss der Tiergarten nicht springen. „Wir
                                                                   haben keine eigenen Auswilderungsprojekte“,
                                                                   sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter des
                                                                   Tiergartens Nürnberg. Der Tiergarten sei nur ei-
                                                                   ner von vielen Partnern. Die erforderlichen Ge-
                                                                   nehmigungen müssten von der Projektleitung
                                                                   vor Ort beantragt werden. „Auswilderungspro-
                                                                   jekte kann man nur im Verbund stemmen.“ Ein
                                                                   einzelner Zoo könne die gewünschte Anzahl
                                                                   von Individuen meist gar nicht liefern.

                                                                   Doch sobald Göttin Justitia das Wort „Indivi-
                                                                   duum“ hört, wird sie aktiv. Das deutsche Tier-
                                                                   schutzgesetz (TierSchG) verbietet in § 3 Nr. 4
                                                                   „ein gezüchtetes oder aufgezogenes Tier einer
                                                                   wildlebenden Art in der freien Natur auszuset-
                                                                   zen oder anzusiedeln, das nicht auf die zum
      Jede menge papier      Überleben in dem vorgesehenen Lebensraum erforderliche artgemäße Nahrungsaufnahme
      Zootierärztin Dr. Katrin   vorbereitet und an das Klima angepasst ist.“
      Baumgartner bereitet
      Formulare für eine Aus-  Die Zootierärzte müssen demnach nicht nur dafür sorgen, dass das Tier völlig gesund ist,
      wilderungsaktion vor.   sondern ihm auch einen sehr guten Allgemeinzustand ohne körperliche Beeinträchtigungen
                             attestieren. „Die Wildbahn ist deutlich rauer als das Leben im Zoo“, sagt Tiergarten-Veteri-
                             närin Dr. Katrin Baumgartner. „Jedes ausgewilderte Tier wird zunächst an Gewicht verlieren.“


                             Neben dem von den Zootierärzten ausgestellten Gesundheitszeugnis kann auf Anfrage des
                             Empfängers noch ein amtstierärztliches Gesundheitszeugnis notwendig werden. Es wird den
                             Transportpapieren beigefügt. Ebenso das Krankenblatt und die Befunde, welche nachweisen,
                             dass das Individuum „frei von für diese Tierart ansteckenden Krankheiten ist“. Dazu kommen
                             noch spezielle Informationen, wie zum Beispiel eine Beschreibung besonderer Eigenarten
                             oder Haltungsbedingungen.

                             Die Transportpapiere beinhalten außerdem einen vom Tiergarten ausgestellten Herkunfts-
                             nachweis und eine Transporterklärung. Beim Transport in ein EU-Land ist eine TRACES-Be-
                             scheinigung nötig (Trade Control and Expert System). Tiere, die unter Anhang 1 des Washing-
                             toner Artenschutzabkommens fallen, benötigen eine sogenannte CITES-Bescheinigung. Bei
                             Flügen sind die Regeln der International Air Transport Association (IATA) zu beachten. Und der
                             Zoll hat gegebenenfalls auch noch ein Wörtchen mitzureden.

                             Auswilderungen „sind in der Regel hochkomplexe, langwierige und teure Prozesse. Umso
                             mehr können wir als Zoogemeinschaft stolz darauf sein, dass wir Teil der Lösung auf das Pro-
                             blem des globalen Artensterbens sind“, sagt Prof. Jörg Junhold, Präsident des Verbandes der
                             Zoologischen Gärten e.V. (VdZ) im Dezember 2020.





                                                            8
   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13