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Schwerpunktthema Verantwortung – Tiergarten und Gesellschaft
Im Zoologischen Garten arbeiten in der Regel Menschen, die ein
großes Interesse an der Natur haben und entsprechende Experti-
se mitbringen. Dieses Interesse endet nicht an der Gehegegren-
ze. Mitarbeitende des Tiergartens beobachten, registrieren und
fotografieren die einheimische Tierwelt und geben ihr Wissen
weiter. Gleichzeitig zieht der Zoo viele Naturfreunde an, denen
es nicht vergönnt war, ihre Leidenschaft beruflich auszuüben.
Sie tragen den Natur- und Artenschutz als Multiplikatoren in die
Gesellschaft.
„Ein Zoo kreiert Vielfalt und bietet geschützte Lebensräume und
Nahrung für die einheimische Tierwelt, allein dadurch, dass es
ihn gibt“, sagt Tierärztin Dr. Katrin Baumgartner. Unter diesem
Aspekt kann man vor allem die publikumswirksamen Zootiere
als „Schirmarten“ für alle einheimischen Spezies betrachten, die Gute Aussicht – Der Tiergarten ist ein Eldorado
auf dem Tiergartengelände leben. So wie der Berggorilla den Le- für heimischen Vogelarten – von Meisen und
bensraum der Insekten im Gebiet der Virunga-Vulkane beschützt, Finken über Spechte und Reiher bis hin zu Eulen
schützen die Panzernashörner im Tiergarten den namenlosen ein- wie dem Uhu.
heimischen Nashornkäfer, der zwischen den Holzhäckseln herum-
stakst, die das Zootier als Einstreu braucht. So wie der Berggorilla den
Lebensraum der Insekten im Gebiet
Die Forderung weniger, aber lautstarker Tierrechtler, den Zoo zu
schließen und das Geld lieber in den Artenschutz vor Ort zu in- der Virunga-Vulkane beschützt,
vestieren, verkennt die Realität. Sie unterschätzt die enorme Ma- schützen die Panzernashörner
gnetwirkung von Delfin, Tiger und Co., denen der Besucher im
analogen Leben begegnen kann. Mag sein, dass sich nicht jeder im Tiergarten den namenlosen
Zoobesucher über zoologische Themen oder Artenschutz infor- einheimischen Nashornkäfer,
mieren möchte, aber das Interesse an der belebten Natur wird zu- der zwischen den Holzhäckseln
mindest unterbewusst geweckt. Im Jahr 2023 hatte der Tiergar-
ten 1,1 Millionen Besucher. Im gleichen Zeitraum registrierten die herumstakst, die das Zootier
23 Zählgeräte im 25.000 Hektar großen Nationalpark Bayerischer als Einstreu braucht.
Wald laut einem Monitoring-Bericht nur knapp eine halbe Million
„Fußgänger, Radfahrer und Wintersportler“. Keiner von ihnen wird
den Nationalpark ohne Naturerfahrung verlassen haben, doch ein
Zoo, für den die Besucher über den Eintrittspreis ihr Interesse be-
kunden, kann Tierbegegnungen und Wissen effizienter vermitteln.
Wichtigste Aufgabe eines Nationalparks ist der Schutz des Gelän-
des vor menschlichen Eingriffen.
Dieser ist bei nachrangigen Schutzgebieten deutlich geringer.
Der Tiergarten gehört zum 621 Hektar großen Flora-Fauna-Ha-
bitat (FFH)-Gebiet „Tiergarten Nürnberg mit Schmausenbuck“
und dem 38.192 Hektar großen Vogelschutzgebiet „Nürnberger
Reichswald“. Damit ist er seit 2004 Teil des EU-Schutzgebiet-
netzes Natura 2000, das 15,1 Prozent der deutschen Landfläche
umspannt.
Der hohe Anteil macht deutlich, dass die Natur auf diesen Flächen
nicht sich selbst überlassen bleibt. Vielmehr geht es um den best-
möglichen Erhalt bedrohter Lebensräume und Arten. In dicht be- Eindringling – Anders als Wildschweine und
siedelten Gebieten kann jeder Natur-Mensch-Interessensausgleich Rehe lässt sich der Fuchs nicht durch den
nur ein Kompromiss sein. „Es ist schwer, die Pflanzenauswahl ei- Zaun abhalten. Er schleicht sich einfach durch
nes Zoos mit Parkcharakter, die ja in erster Linie für die Besucher den Haupteingang.
getroffen wird, an die Vorgaben eines Natura 2000-Gebietes an-
zupassen“, sagt Landschaftsgärtnermeister Sebastian Schneele.
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