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manatimagazin 25|02



             Altersgründen sterben oder euthanasiert werden. Ge- intuitiv gar kein Problem mehr sehen. Wir Menschen
             burt und Tod sind aber nicht exakt planbar – es gibt  produzieren Tiere – Haustiere – indem wir drastisch in
             immer Unwägbarkeiten. Wenn ich nicht „auf Durch- ihre Fortpflanzung eingreifen: keine freie Partnerwahl,
             schnitt“ planen darf – sodass mal weniger neue In- oft künstliche Besamung (nicht nur bei Nutztieren –
              dividuen entstehen, als ich brauche, und mal mehr,  auch zum Beispiel bei Pferden), keine normalen Sozial-
              dann ist meine Planung so, dass ich nur im besten Fall  strukturen (nicht nur bei Nutztieren – auch Hundewel-
             genau so viele neue Individuen entstehen lasse, wie  pen wachsen nicht in einem Rudel mit einem Vatertier
             alte sterben. Im Durchschnitt werde ich dann immer  auf), frühzeitige Trennung von Elterntieren (im Falle
             unter dem Ziel liegen und meine Population wird klei- von Geflügel schon vor dem Schlupf aus dem Ei). Dabei
             ner und kleiner. Bei sehr großen Populationen kann  wird in großem Maße „Überschuss“ produziert, also
             man solche Schwankungen abfangen und nach einer  Tiere, die nicht für den reinen Ersatz der Elterntiere ge-
             Welle mit wenig Fortpflanzung und „leeren Gehegen“  dacht sind. Diese enormen Mengen „überschüssiger“
             wieder eine Welle mit viel Forpflanzung und Auffüllen  Tiere werden in der Regel an einer natürlichen Fort-
              der Gehege folgen lassen. Kleine Populationen können  pflanzung gehindert und leben nicht in natürlichen
             aber schon mit einer einzigen Welle von wenig Fort- Sozialverbänden – weil sie für menschliche Bedürfnis-
             pflanzung durch ein bisschen Pech verschwinden: Eine  se als Lebens- oder Futtermittel, als Labortier oder als
             Epidemie oder ein politisches Ereignis wie der Brexit  Heimtier genutzt werden.
             unterbinden plötzlich den Austausch zwischen Zoos,
              oder zufällig gelingen ein paar Paarungen weniger als  Das Töten und die Haltungsbedingungen von Nutz-
             gewöhnlich. Manche Personen befürworten, nur gro- und Labortieren werden dabei gesellschaftlich disku-
             ße  Zoo-Populationen  zu  halten,  was  das  Verschwin- tiert – die Tatsache, dass all diesen Tieren, auch den
              den vieler kleinerer Zoo-Populationen zur Folge hätte.  so geliebten Heimtieren, die Wahl der Fortpflanzung
             Die Frage, was hier die beste Lösung ist, treibt viele  und alle damit verbundenen Erfahrungen verwei-
             Zoo-Manager um. Es würde uns erlauben, einige we- gert werden, hingegen nicht. Für uns Menschen stellt
             nige Tierarten ohne Töten halten zu können, aber ein  Empfängnisverhütung eine Befreiung dar, die es uns
             Aufgeben vieler anderer Tierarten bedeuten, die viel- erlaubt, ein sinnerfülltes Leben unabhängig von Fort-
             leicht auch erhaltenswert wären.                 pflanzung zu leben – weil wir uns viele andere Aufga-
                                                              ben suchen können. Auf welcher Grundlage können
             Durch unseren Umgang mit Haustieren sind wir es so  wir das auf andere Tiere übertragen und ihnen Sterili-
             sehr gewohnt, dass Menschen die Fortfplanzung von  tät aufzwingen?
             Tieren manipulieren und verhindern, dass wir darin
                                                              Bei Lebensformen, die sich sexuell (mit Generationen-
                                                              folge) fortpflanzen, ist Tod wichtiger Bestandteil ihrer
                                                              Biologie: Der Tod ist ein Geschenk an die nächste Ge-
                                                              neration. Ohne Tod gäbe es für die nächsten Generati-
                                                              onen keinen Platz. Und für Tiere, die natürlicherweise
                                                              die nächste Generation aktiv aufziehen, könnte dieser
                                                              Vorgang wichtiger für ein sinnerfülltes Leben sein als
                                                              reines Wohlergehen. Zoos zeigen uns diese biologi-
                                                              sche Regel auf: Ohne den Tod der Elterngeneration gibt
                                                              es keinen Platz für neues Leben.

                                                              Aktives Töten ist für mich einer von vielen Wegen,
                                                              wie man das Leben von individuellen Tieren – und hier
                                                              klar vom Menschen abgegrenzt – managen kann. Man
                                                              kann auch durch Vermeidung von Fortpflanzung die
                                                              Existenz von Tierleben verhindern, und damit auch all
                                                              den Tieren, welche die Übergabe des Lebensraumes
                                                              an die Nachkommen aktiv gestalten – also aktiv Jung-
                                                              tieraufzucht betreiben – einen wesentlichen Lebens-
             Anerkannt – Populationsmanagement wird bei kleineren   inhalt verweigern. Für ein Überleben von Arten – nicht
             Tieren wie Kaninchen oder Hühnern, die sich sehr schnell    von bereits existierenden Individuen – ist die Entste-
             fortpflanzen, gesellschaftlich weitgehend akzeptiert.  hung neuen Lebens unverzichtbar.





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