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manatimagazin 25|02



             Feuersalamander (Salamandra  salamandra) zum Bei- Auch damit ist die Arbeit des Tiergartens und anderer
             spiel, die in großer Zahl in Plastikkisten gezüchtet  wissenschaftlich geführter Zoologischer Gärten längst
             werden, entsprechen weder unserer  Vorstellung von  anerkannter  Bestandteil der  internationalen Natur-
             moderner Zootierhaltung noch unserem Wunsch nach  und Artenschutzarbeit, unter anderem der Weltnatur-
              einem harmonischen Bild von Natur. Aber mit einem  schutzunion IUCN. Diese denkt den Arterhalt außer-
             Naturbild, in dem es an den heimischen Bachläufen  halb des Lebensraumes und den Artenschutz innerhalb
             keine Feuersalamander mehr gibt,  weil die  Art von  des Lebensraumes als zwei unabdingbare Bestandteile
              dem Hautpilz Bsal ausgerottet wurde, wollen wir uns  einer gemeinsamen Strategie: dem sogenannten One
             auch nicht abfinden. Wir wollen und sollten uns nicht  Plan Approach.
              daran gewöhnen, dass es eintöniger wird, dass Arten
             mit all ihren Funktionen im Ökosystem einfach weg- Ebenso wie im Artenschutz beschäftigen sich der Tier-
             fallen. Besonders dann nicht, wenn wir dagegen arbei- garten und seine Partner auch im Klimaschutz seit
             ten können. Vielfalt ist das Maß, an dem wir uns ori- vielen Jahren mit schwierigen Abwägungen. Als öf-
              entieren – und ein Aussterben in Würde gibt es nicht.  fentliche Einrichtung mit gesetzlichem Auftrag sieht
             Der Verlust der Biodiversität, den wir aktuell erleben,  er sich in der Pflicht und hat den eigenen Anspruch,
             ist kein natürlicher Prozess – er ist menschengemacht. verantwortungsbewusst und mittelfristig klimaneut-
                                                              ral zu wirtschaften. Auch hier gibt es (noch) keine ein-
             Abgeschirmt – Feuersalamander sind durch den Pilz Bsal stark   deutigen und nur gute Lösungen, auch hier muss im-
             bedroht. Zoos und Zuchtstationen können zu ihrem Erhalt   mer wieder der Wert des Ziels mit den Wegen dorthin
             beitragen – auch wenn die Haltung auf den ersten Blick nicht   verglichen werden. Ist es zum Beispiel im Fall des Tier-
             unserem harmonischen Naturbild entspricht.       gartens sinnvoll, wenn er das nachhaltig gewonnene
                                                              Schadholz aus seiner Forstwirtschaft zur Energiege-
                                                              winnung nutzt? Durch den Bau einer großen Photovol-
                                                              taik-Anlage könnte der Tiergarten jährlich 630.000 Ki-
                                                              logramm CO2 einsparen. Das entspräche der jährlichen
                                                              CO2-Aufnahme von 50.000 Buchen. Wiegt das schwer
                                                              genug, um dafür rund 200 Bäume zu fällen, die an an-
                                                              derer Stelle durch Neupflanzungen ersetzt würden.



                                                              Ziele: Über Bilder, die wir schaffen
                                                              und bewahren wollen

                                                              Ein Ziel des Tiergartens zu all diesen Abwägungen
                                                              und den anstehenden Herausforderungen mit all
             Dass der Tiergarten Nürnberg in diesem Zusammen-  ihren unbequemen Komponenten besteht in einem
             hang Paviane tötet, ist für viele Menschen verständ-  respektvollen und konstruktiven Umgang damit.
             licherweise zunächst schwer zu verstehen und er-  Ein Umgang, der sich nicht alter Feindbilder bedient,
             scheint manchen als entsetzlich. Denn in unserer und   sondern einer, der die Vielschichtigkeit der Aufgaben
             anderen Gesellschaften unseres Kulturkreises wirkt es   und  der  aller  Beteiligten  anerkennt  –  mitsamt  den
             wie ein Tabubruch, es geschieht vor unklarer Rechts-  unterschiedlichen Definitionen von Verantwortung,
             lage und die Tiere lebten in der Obhut – und Verant-  die sich daraus ergeben. Denn mit Bildern, die zwar
             wortung – des Tiergartens. Auch für die Menschen im   schön sind, aber die Komplexität der Wirklichkeit aus-
             Tiergarten selbst war und ist es eine große emotionale   blenden, gewinnen wir nichts. Ebenso wenig, wenn
             Herausforderung. Doch es ist das Ergebnis ebenjener   wir zu Themen schweigen, um Konflikte zu meiden.
             Abwägung: Wie gelingt es uns, unserer Verantwortung   Wohl aber, wenn jeder im Rahmen seiner Möglichkei-
             gerecht zu werden und zum Ziel, die Art zu erhalten,   ten und seiner Verantwortlichkeiten auf ein gemein-
             beizutragen? Indem wir die Population in unserer Ob-  sames Ziel hinarbeitet: Bilder, die wir bewahren wol-
             hut erhalten – und zwar so, dass die Individuen, die   len. Bilder von einer vielfältigen Natur, mit und von
             im Tiergarten leben, es tiergerecht und ihren Bedürf-  der auch wir Menschen leben.
             nissen entsprechend tun. Und das über Generationen
             hinweg. Wir haben eine Verantwortung dem Individu-
             um und der Art gegenüber – dabei kommt es immer
             wieder vor, dass letztere entsprechend unserem Auf-
             trag in unserer Abwägung stärker wiegt.



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