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Schwerpunktthema Verantwortung – Tiergarten und Gesellschaft
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
IM DIENST DES
ARTENSCHUTZES
CHANCEN FÜR ZOO UND FELDFORSCHUNG
Die Herausforderungen im Artenschutz sind groß. Künstliche Intelligenz
kann dabei helfen, sie zu bewältigen – und der Tiergarten Nürnberg ist mit
seinen Projekten und Partnern schon aktiv dabei.
Dr. Ralph Simon ist Forschungskurator im Tiergarten Nürnberg.
eit dem 19. Jahrhundert haben Zoos einen enor- in der Natur eingesetzt werden können. Gleichzeitig
men Wandel durchlaufen: von reinen „Tierschau- profitieren die Zoos selbst: KI-Systeme werten Daten
Sen“ hin zu modernen Zentren für Artenschutz, automatisch aus und erfassen Verhaltensmuster über
Forschung und Bildung. Heute stehen sie angesichts lange Zeiträume, sodass Veränderungen früh erkannt,
globaler Biodiversitätskrisen an vorderster Front, Tierwohl überwacht und Managementmaßnahmen
wenn es darum geht, bedrohte Arten zu bewahren – überprüft werden können. Unverzichtbar sind Zoos
etwa durch Zuchtprogramme, Wiederansiedlungen zudem, weil ihre Tiere an Menschen gewöhnt sind und
oder Aufklärungsarbeit. Tierpflegerinnen und -pfleger jedes Individuum genau
Doch die Herausforderungen sind groß: Lebensräume kennen – ideale Voraussetzungen, um neue Methoden
gehen verloren, Krankheiten breiten sich aus, und die zuverlässig zu testen und zu kalibrieren.
Überwachung von Wildpopulationen ist aufwendig.
Gleichzeitig erleben wir eine technologische Revo- Der Tiergarten Nürnberg als Partner
lution: Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in alle in der KI-Forschung
Lebensbereiche. Was Gesichter auf Smartphones er- Sowohl bei der Entwicklung neuer Methoden als auch
kennt oder Autos steuert, könnte künftig auch im Ar- beim praktischen Einsatz von KI ist der Tiergarten
tenschutz enorme Chancen eröffnen – im Zoo ebenso Nürnberg eng eingebunden. Gemeinsam mit seinen
wie in der Natur. Partnern – darunter der Lehrstuhl für Maschinelles
Lernen und Datenanalyse der Friedrich-Alexander-Uni-
versität Erlangen-Nürnberg (FAU) sowie die Zootier-
Was ist Künstliche Intelligenz? biologie der Universität Frankfurt – führt er verschie-
Künstliche Intelligenz (KI) umfasst Systeme, dene Forschungsprojekte direkt vor Ort im Tiergarten
die Aufgaben wie Mustererkennung, Lernen durch. Solche Projekte zeigen, wie Zoos nicht nur
oder Entscheidungen übernehmen. Besonders Datenlieferanten sind, sondern aktiv zur Entwicklung
relevant für den Artenschutz ist das maschinelle innovativer KI-Methoden beitragen – mit Nutzen für
Lernen, bei dem Computer aus Beispieldaten Forschung und Artenschutz.
Gesetzmäßigkeiten ableiten – etwa im Deep
Learning, das Bilder und Töne analysiert. Wiedererkennung von Individuen – natürliche
Kurz gesagt: KI ermöglicht es, riesige Daten- „Fingerabdrücke“ nutzen
mengen effizient auszuwerten – ein großer Ein zentrales Feld der Artenschutzforschung ist die
Gewinn für die Biodiversitätsforschung. Wiedererkennung oder Re-Identifikation (Re-ID). Sie
ermöglicht es, einzelne Tiere zuverlässig über lange
Zeiträume hinweg zu verfolgen – ganz ohne Einfangen
Einsatz und Entwicklung von KI in Zoos oder Markierung. Grundlage sind natürliche „Finger-
Zoos leisten einen besonderen Beitrag zur KI-For- abdrücke“ wie Tigerstreifen, Leopardenflecken, Ge-
schung, weil hier täglich große Mengen an Video-, Ton- sichtszeichnungen von Primaten oder die einzigarti-
und Verhaltensdaten entstehen – ein wertvoller Roh- gen Flossenmuster von Walen, die über Jahre konstant
stoff, um Algorithmen zu trainieren, die später auch bleiben und so eine sichere Identifikation erlauben.
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