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manatimagazin 25|02
         Schwerpunktthema Verantwortung – Tiergarten und Gesellschaft
                        KÜNSTLICHE INTELLIGENZ


                                        IM DIENST DES

                   ARTENSCHUTZES





                      CHANCEN FÜR ZOO UND FELDFORSCHUNG



                          Die Herausforderungen im Artenschutz sind groß. Künstliche Intelligenz
                         kann dabei helfen, sie zu bewältigen – und der Tiergarten Nürnberg ist mit
                                     seinen Projekten und Partnern schon aktiv dabei.

                                      Dr. Ralph Simon ist Forschungskurator im Tiergarten Nürnberg.



                  eit dem 19. Jahrhundert haben Zoos einen enor- in der Natur eingesetzt werden können. Gleichzeitig
                  men Wandel durchlaufen: von reinen „Tierschau- profitieren die Zoos selbst: KI-Systeme werten Daten
             Sen“ hin zu modernen Zentren für Artenschutz,  automatisch aus und erfassen Verhaltensmuster über
             Forschung und Bildung. Heute stehen sie angesichts  lange Zeiträume, sodass Veränderungen früh erkannt,
             globaler Biodiversitätskrisen an vorderster Front,  Tierwohl überwacht und Managementmaßnahmen
             wenn es darum geht, bedrohte Arten zu bewahren –  überprüft werden können. Unverzichtbar sind Zoos
              etwa durch Zuchtprogramme, Wiederansiedlungen  zudem, weil ihre Tiere an Menschen gewöhnt sind und
              oder Aufklärungsarbeit.                        Tierpflegerinnen und -pfleger jedes Individuum genau
             Doch die Herausforderungen sind groß: Lebensräume  kennen – ideale Voraussetzungen, um neue Methoden
             gehen verloren, Krankheiten breiten sich aus, und die  zuverlässig zu testen und zu kalibrieren.
             Überwachung von Wildpopulationen ist aufwendig.
             Gleichzeitig erleben wir eine technologische Revo-  Der Tiergarten Nürnberg als Partner
             lution: Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in alle   in der KI-Forschung
             Lebensbereiche.  Was  Gesichter  auf  Smartphones  er- Sowohl bei der Entwicklung neuer Methoden als auch
             kennt oder Autos steuert, könnte künftig auch im Ar- beim praktischen Einsatz von KI ist der Tiergarten
             tenschutz enorme Chancen eröffnen – im Zoo ebenso  Nürnberg eng eingebunden. Gemeinsam mit seinen
             wie in der Natur.                                Partnern – darunter der Lehrstuhl für Maschinelles
                                                              Lernen und Datenanalyse der Friedrich-Alexander-Uni-
                                                              versität  Erlangen-Nürnberg  (FAU)  sowie  die  Zootier-
             Was ist Künstliche Intelligenz?                  biologie der Universität Frankfurt – führt er verschie-
             Künstliche Intelligenz (KI) umfasst Systeme,     dene Forschungsprojekte direkt vor Ort im Tiergarten
              die Aufgaben wie Mustererkennung, Lernen        durch. Solche Projekte zeigen, wie Zoos nicht nur
              oder Entscheidungen übernehmen. Besonders       Datenlieferanten sind, sondern aktiv zur Entwicklung
             relevant für den Artenschutz ist das maschinelle   innovativer KI-Methoden beitragen – mit Nutzen für
             Lernen, bei dem Computer aus Beispieldaten       Forschung und Artenschutz.
             Gesetzmäßigkeiten ableiten – etwa im Deep
             Learning, das Bilder und Töne analysiert.        Wiedererkennung von Individuen – natürliche
             Kurz gesagt: KI ermöglicht es, riesige Daten-   „Fingerabdrücke“ nutzen
             mengen effizient auszuwerten – ein großer        Ein zentrales Feld der Artenschutzforschung ist die
             Gewinn für die Biodiversitätsforschung.          Wiedererkennung oder Re-Identifikation (Re-ID). Sie
                                                              ermöglicht es, einzelne Tiere zuverlässig über lange
                                                              Zeiträume hinweg zu verfolgen – ganz ohne Einfangen
             Einsatz und Entwicklung von KI in Zoos           oder Markierung. Grundlage sind natürliche „Finger-

             Zoos leisten einen  besonderen  Beitrag  zur  KI-For-  abdrücke“ wie Tigerstreifen,  Leopardenflecken, Ge-
             schung, weil hier täglich große Mengen an Video-, Ton-   sichtszeichnungen von Primaten oder die einzigarti-
             und Verhaltensdaten entstehen – ein wertvoller Roh-  gen Flossenmuster von Walen, die über Jahre konstant
             stoff, um Algorithmen zu trainieren, die später auch   bleiben und so eine sichere Identifikation erlauben.


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