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Re-ID Projekte im Tiergarten Nürnberg
Eisbären (Ursus maritimus): Hier kommt ein videobasierter Ansatz zum
Einsatz, der die Tiere über ihre individuelle Gangart identifiziert. Entwi-
ckelt wurde diese Methode im Tiergarten Nürnberg, unterstützt von wei-
teren Zoos. Nur in einer kontrollierten Zoo-Umgebung war es möglich,
so schnell und zuverlässig die nötigen Daten zu sammeln1.
Fledermäuse: Bei diesem Projekt stehen die individuellen Muster der Flü-
gel im Mittelpunkt. Im Manatihaus des Tiergartens wurde dafür eine spe-
zielle Apparatur entwickelt, mit der sich hochauflösende Bilder der Flügel
mit einer Highspeed-Kamera aufnehmen lassen. Auch hier zeigt sich: Erst
im Zoo konnten die Methoden getestet und so weit verbessert werden,
dass ein späterer Einsatz in der Natur denkbar ist.
Pionierarbeit – Im Rahmen des Eisbären-Projekts im Tiergarten entstand der erste
Datensatz überhaupt, der die Bewegung nicht-menschlicher Tiere erfasst und diese
als Merkmal für die Wiedererkennung nutzbar macht.
Bioakustik – die Stimmen der Tiere
Ein weiterer Schwerpunkt im Tiergarten Nürn-
berg ist die Bioakustik. Auch hier eröffnen KI-
gestützte Verfahren ganz neue Möglichkeiten.
Zusammen mit der Zootierbiologie der Univer-
sität Frankfurt hat der Tiergarten eine Methode
entwickelt, um Seekühe (Trichechus manatus)
anhand ihrer charakteristischen Pfiffe indivi-
duell zu unterscheiden. Dank der Beteiligung
weiterer Zoos, die ebenfalls Tonaufnahmen
ihrer Tiere zur Verfügung stellten, entstand ein
besonders robustes System2. In Zukunft soll es
auch in der Natur eingesetzt werden, um etwa
Populationsgrößen zuverlässig zu schätzen.
Datenfutter – Automatisierte Verhaltensanalyse
Doch die Bioakustik kann noch mehr: Sie hilft uns, die Kommuni- der Großen Tümmler im Tiergarten Nürnberg.
kation von Tieren Schritt für Schritt besser zu verstehen. Auch hier Links die KI-gestützte Auswertung von Bewegungs-
sind KI-Methoden ein echter Durchbruch. Im Tiergarten läuft dazu mustern, rechts Spektrogramme von Lautäußerungen,
ein Forschungsprojekt mit Großen Tümmlern (Tursiops truncatus). die zum Training der KI genutzt wurden.
Mehrstündige Hydrophon-Aufnahmen wurden mit Verhaltens-
daten kombiniert und in eine KI eingespeist. Die KI kann dadurch
anhand akustischer Signale das gezeigte Verhalten vorhersagen. Literatur:
1 Zuerl, M., Stoll, P., Brehm, I., Raab, R., Zanca, D., Kabri, S.,
Auf diese Weise können Lautäußerungen nicht nur bestimmten ... & Eskofier, B. (2022). Automated video-based analysis
Verhaltensweisen zugeordnet werden, sondern auch Gruppendy- framework for behavior monitoring of individual animals
namik und Wohlbefinden über längere Zeiträume beobachtet wer- in zoos using deep learning—A study on polar bears.
den. Statt einzelner Stichproben erlaubt KI heute ein kontinuier- Animals, 12(6), 692.
liches Monitoring – eine wertvolle Grundlage, um das Tierwohl im 2 Schneider, S., von Fersen, L., & Dierkes, P. W. (2024). Acous-
Zoo besser einzuschätzen. All diese Beispiele zeigen: Zoos werden tic estimation of the manatee population and classificati-
immer mehr zu Schlüsselinstitutionen einer neuen Artenschutz- on of call categories using artificial intelligence. Frontiers
Ära, in der moderne Technologien helfen, Tiere besser zu verste- in Conservation Science, 5, 1405243.
hen, die Natur zu schützen und die Artenvielfalt zu bewahren.
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