Arten- und Lebensraumschutz: Tiergarten unterstützt Kulan-Wiederansiedelung
24 Kulane haben eine neue Heimat in der kasachischen Torgai-Steppe: Unter Federführung der Naturschutzorganisation ACBK fingen Fachleute die Tiere im...
Artenschutz braucht einen langen Atem. Seit 2012 engagiert sich der Tiergarten der Stadt Nürnberg in einem Wiederansiedlungsprojekt von Kulanen (Equus hemionus) im kasachischen Altyn Dala-Schutzgebiet. Nach Jahren der Rückschläge verzeichnete das internationale Projekt Anfang Juni 2021 den ersten Kulan-Nachwuchs in Zentralkasachstan seit den 1930er Jahren. Eine Kulanstute im Projektzentrum in der Region Kostanay (Qostanai) brachte ein gesundes, weibliches Fohlen zur Welt. Auch im Tiergarten Nürnberg wurden 2021 im Mai und Juni insgesamt drei Jungtiere der stark gefährdeten Tierart geboren, ein Weibchen und zwei Männchen. Sie spielen im Rahmen des vom Zoo Wrocław (Polen) koordinierten Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EAZA Ex-situ Programme, EEP) eine wichtige Rolle für den Erhalt der Tierart.
In dem internationalen Projekt der Altyn Dala Conservation Initiative zum Aufbau einer eigenständigen Population in Kasachstan leben in dem – unter Beteiligung des Tiergartens Nürnberg – vor vier Jahren errichteten Zentrum derzeit drei Kulane: ein Männchen, ein Weibchen und ein Fohlen. Die beiden erwachsenen Tiere kamen aus dem Barsa Kelmes-Naturreservat in das Zentrum. Das Ziel des Kulan-Projekts ist die Wiederansiedlung der Art in ihrem ursprünglichen Lebensraum, der Turgai-Steppe. In diesem internationalen Wiederansiedlungsprojekt kooperiert der Tiergarten Nürnberg mit dem Norwegian Institute for Nature Research, der Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK), der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und dem Kasachischen Komitee für Forst und Natur.
Derzeit leben Kulane in Kasachstan im Altyn-Emel-Nationalpark, im Barsa Kelmes-Reservat und in der Region Kostanay im Norden des Landes, unweit der russischen Grenze. Die Weltnaturschutzunion schätzt, dass es eine Gesamtpopulation von etwa 3 200 erwachsenen Tieren gibt. In den letzten 200 Jahren ist ihr Verbreitungsgebiet auf drei Prozent geschrumpft. Seit dem Planungsbeginn 2012 zur Wiederansiedlung von Kulanen wurde das Altyn Dala-Schutzgebiet mit etwa 60 000 Quadratkilometern geschaffen. Das ist ein abgegrenztes Gebiet in der Größe Kroatiens, das zum Beispiel vor Industrieansiedlungen geschützt ist. Dort hat lediglich die einheimische Bevölkerung eine Jagderlaubnis.
Von dem generellen Schutz der Kulane als größte dort lebende Wildtierart profitieren auch dort beheimatete Tierarten wie die Saiga-Antilope, das Sibirische Reh, Wildschweine, Kropfgazellen, Argali oder Riesenwildschafe, Wölfe, Schakale, Rot- und Korsakfüchse, Steppenmurmeltiere und Tigeriltisse. Auch Vögel wie Steppen- und Steinadler, Mönchsgeier, Wiesenweihe, Rötelfalke, Groß- und Zwergtrappe, Weißflügellerchen und Jungfern-Kraniche werden von den Gebietsbetreuern beobachtet und erfasst.
2017 wurden die ersten Kulane, vier Stuten, vier Fohlen und ein Junghengst, aus einem anderem Schutzgebiet nach Altyn Dala umgesiedelt. Es waren nach mehr als 100 Jahren wieder die ersten Kulane in Altyn Dala. Die klimatischen Bedingungen dort sind hart, doch auch sonst drohen den Tieren Gefahren. Im Januar 2020 wurde eine Kulan-Stute von Wilderern getötet.
Der Tiergarten Nürnberg verfügt über jahrelange Erfahrung in der Haltung und dem Transport von Kulanen. Das Fangen und das Betreuen großer Wildtiere wie von Kulanen erfordern eine umfangreiche Fachkenntnis. In dem Projekt in Kasachstan wurde dieses Wissen bereits gut gebraucht. Während die kasachischen Partner die Tiere vor Ort in den Nationalparken sehr gut kennen und wissen, wie man sie in Kraalen (Viehgehegen) einfangen kann, steuern die Zoos das veterinärmedizinische Knowhow und Equipment bei. Zudem planen die Zoos den Bau von Transportkisten und -methoden, während die kasachischen Partner wiederum die Transportrouten ausarbeiten.
So engagierte sich der Tiergarten fast zwei Jahre lang bei der Vorbereitung und dem Bau des Auswilderungsgeheges und der Ranger-Unterkünfte. Der kasachische Projektkoordinator wurde zwei Monate lang im Tiergarten Nürnberg und zeitweise im Opel-Zoo in Kronberg/Taunus im Tiermanagement, der Verhaltensbiologie (in Gehegen) und der tiermedizinischen Versorgung von Kulanen ausgebildet. Der finanzielle Beitrag des Tiergartens Nürnberg an diesem Millionenprojekt, dessen Kosten sich die beteiligten Naturschutzorganisationen ZGF, RSPB und ACBK in gemeinsam aufgestellten Jahreshaushalten teilen, beträgt zum Stand Juni 2021 gut 235 000 Euro. Der Zoo von Taipeh steuerte als Schwesterzoo des Tiergartens nochmals 30 000 Euro bei. Einen wichtigen Beitrag leistete auch der Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e.V., der für das Projekt mehrere GPS- Halsbänder im Wert von 35 000 Euro, teilweise mit Kameras ausgestattet, finanzierte. Damit können die Wanderrouten der Tiere nachverfolgt werden – und die Tiere machen ganz nebenbei Selbstportraits.