Im Rahmen ihrer im Tiergarten der Stadt Nürnberg entstandenen Doktorarbeit vermaß die Tierärztin Anna Hein das Stresshormon Cortisol im Kot von Zoo-Eisbären. Die Ergebnisse der Studie vom Tiergarten Nürnberg und der Tiermedizinischen Hochschule Hannover wurden in dem Wissenschaftsjournal Conservation Physiology in der Ausgabe 8/2020 veröffentlicht. An dem Forschungsprojekt waren elf europäische Zoos der Europäischen Vereinigung der Zoos und Aquarien (EAZA) beteiligt. Für die Studie wurden Kotproben von acht Zoo-Eisbären in verschiedenen Situationen über mehrere Jahre gesammelt und auf Stresshormone untersucht. Unter den insgesamt acht Autorinnen und Autoren waren mit Dr. Katrin Baumgartner und Dr. Lorenzo von Fersen zwei Mitarbeitende des Tiergartens Nürnberg.
Die Messung von Stresshormonen, vor allem Cortisol, ist nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Tiermedizin weit verbreitet. In einer akuten Stresssituation zum Beispiel durch den Angriff durch einen Beutegreifer, ist die Ausschüttung von Cortisol lebenswichtig, um dem Körper schnell ausreichend Energie für Flucht oder Angriff bereitzustellen. Bleibt jedoch der Cortisol-Spiegel über einen längeren Zeitraum hinweg erhöht, kann dieses negative Folgen für den Organismus haben. Die Messung von Stresshormonen kann also neben anderen Parametern wie zum Beispiel dem Verhalten dazu dienen, den Gesundheitsstatus und das Wohlergehen eines Individuums zu beurteilen.
Prinzipiell können Stresshormone in verschiedenen gängigen Probenmaterialien wie Blut, Speichel oder Urin gemessen werden. Bei Zoo- und Wildtieren ist das jedoch gar nicht so einfach, denn zumeist müssen die Tiere für eine derartige Probenentnahme in Narkose gelegt werden. Das wiederum bedeutet Stress und das Ergebnis würde verfälscht werden. Es müssen also Methoden angewandt werden, die möglichst stressfrei erfolgen können - so wie das Sammeln von Kotproben. Da Cortisol im Körper sehr schnell abgebaut wird und im Kot selbst kaum noch nachweisbar ist, wurde der Kot der Bären auf Cortisol-Stoffwechselprodukte untersucht.
In der Studie konnte ein im Labor von Prof. Rupert Palme entwickeltes Testverfahren erfolgreich für die Messung dieser Zwischenprodukte etabliert und angewandt werden. So konnte ein Anstieg dieser Zwischenprodukte beispielsweise bei Umweltveränderungen oder auch nach Paarungen verzeichnet werden: dieses zeigt, dass Stress durchaus auch in positivem Kontext auftreten kann. Des Weiteren konnte bei allen untersuchten Eisbären nach jedem Stresshormonlevel-Anstieg ein Abfall beobachtet werden, was einer gesunden Stressreaktion entspricht.
Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Erkenntnisse zum Hormonhaushalt von Eisbären und können als Grundlage zur weiteren Forschung im Bereich der Zoo- und Wildeisbären dienen.
Besonderer Dank gilt dem Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e.V., der die Forschungsarbeit finanziell unterstützt hat.