Arten- und Lebensraumschutz: Tiergarten unterstützt Kulan-Wiederansiedelung
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Die Corona-Beschränkungen wirken sich auch im Tiergarten der Stadt Nürnberg auf das tägliche Leben aus, auch auf die Tiertransporte. Nach mehrmonatiger Planung und zahlreicher, coronabedingter kurzfristiger Änderungen konnte nun Anfang Dezember 2020 ein umfangreicher innereuropäischer Transport von Wisenten durchgeführt werden. Daran waren acht europäische Zoos und mit Deutschland, Polen und Spanien drei Länder beteiligt.
In den Tiergarten Nürnberg kam auf Empfehlung des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Zooverbands (EEP) ein neuer Zuchtbulle aus dem Zoo Danzig. Mit demselben Transport wurden zwei, 2018 in Nürnberg geborene junge Wisent-Bullen nach Spanien abgegeben. Einer von ihnen ging als neuer Zuchtbulle in den Zoo Cabárceno, der andere an ein Beweidungsprojekt in Segovia. Aus diesem Projekt soll zukünftig ein Auswilderungsprojekt hervorgehen.
Um Inzucht zu vermeiden, wurde der bisherige, über zehn Jahre alte Zuchtbulle im Tiergarten Nürnberg zuvor per Kugelschuss getötet und an die Raubtiere im Tiergarten verfüttert. Der Erhalt genetisch vielfältiger und gesunder Populationen ist nicht nur eine gesetzliche Aufgabe von Zoos, sondern auch das Ziel von EEP. Kürzlich wurde in Kooperation mit dem Tiergarten eine Studie über die Genetik von in Europa lebenden Wisenten erstellt. Das Fleisch des getöteten Tiers ging zum Beispiel an die vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden, Asiatischen Löwen und Bartgeier.
Die Fruchtbarkeit bei männlichen Wisenten lässt ab dem Alter von ungefähr zwölf Jahren stark nach. Darüber hinaus ist der Transport adulter Bullen aufgrund ihrer Größe und Kraft sehr aufwendig. Der bisherige Zuchtbulle war der Vater der beiden zuletzt geborenen Weibchen.
Die Erstgeborene hat jetzt die Geschlechtsreife erreicht. Derzeit baut der Tiergarten eine neue Zuchtgruppe bei den Wisenten auf. Die Gruppe basiert auf der sogenannten Mutterlinie, das heißt, die weiblichen Kälber bleiben bei ihrer Mutter und eventuell Großmutter, wodurch eine gewachsene und gefestigte Herde entsteht. Dies entspricht natürlichen Strukturen. Denn insbesondere bei in Gruppen lebenden Huftieren bleiben die weiblichen Jungtiere bei ihrer Mutter, während männliche Jungtiere mit Einsetzen der Geschlechtsreife die Gruppe verlassen.
Bei den früher vom Aussterben bedrohten Wisenten gibt es gute Nachrichten: Wurden Wisente 1965 laut Weltnaturschutzunion (IUCN) noch als „sehr selten“ eingestuft, galten sie im Jahr 2000 als „stark gefährdet“ und seit 2008 nur noch als „gefährdet“. Jüngst wurden Wisente gar auf „potenziell gefährdet“ herabgestuft. Dies bedeutet, dass das größte Landsäugetier Europas seit diesem Jahr nicht mehr zu den direkt vom Aussterben bedrohten Arten gehört. Ein großartiger Erfolg für den internationalen Artenschutz und ein eindeutiger Beweis dafür, dass Zoos durch ihre Erhaltungszucht einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten können.
2006 wurde die Anzahl wilder, geschlechtsreifer Wisente auf 1 000 Tiere geschätzt, heute sind es rund 2 500 Tiere, die sich in 47 Teilpopulationen wiederfinden. Von diesen bestehen allerdings bisher nur acht Populationen aus mehr als 150 erwachsenen Tieren. Diese Anzahl stellt das Minimum für langfristig überlebensfähige Populationen dar.
Dass es überhaupt noch und wieder wilde Wisente in Europa gibt, ist der Weitsicht und der Leidenschaft einiger Tierhalter vor fast 100 Jahren zu verdanken. Mit dem Erlöschen der letzten wilden Wisent-Vorkommen 1919 in Polen und 1927 im Kaukasus war der Wisent in der Natur ausgestorben. Jedoch wurde bereits 1923 mit der koordinierten Erhaltungszucht dieser Tierart begonnen, hierbei handelte es sich um einen Vorläufer der heutigen EEPs.
Eine auf nur zwölf Gründertiere zurückgehende Gruppe von 54 Tieren überlebte in menschlicher Obhut. Daraus wurde im Laufe der Zeit eine stabile Population aufgebaut. Aus dieser Population wurden dann Wisente ausgewildert.
Ursprünglich waren Wisente über ganz Eurasien verbreitet, so auch in Spanien, Polen und Deutschland. Die größten Vorkommen gibt es derzeit in Polen und Belarus, wo Wisente auch wieder nachhaltig bejagt werden.
Die IUCN empfiehlt explizit die Regulierung von Wisent-Populationen in Auswilderungsgebieten durch Abschuss und damit Jagd, wenn die Tragfähigkeit des Lebensraums erreicht ist. Denn ein weiter ansteigender Bestand würde die Lebensgrundlage der Wisente selbst sowie anderer Arten gefährden. Die Regulation von Wildtierbeständen stellt bei Arten, die oft zu Konflikten mit dem Menschen führen, ein unverzichtbares Mittel für deren Erhalt dar. So wird es beispielsweise auch mit dem Biber in Bayern gehandhabt, für den Umgang mit dem Wolf wird teilweise dasselbe gefordert.