Arten- und Lebensraumschutz: Tiergarten unterstützt Kulan-Wiederansiedelung
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In einem Gemeinschaftsprojekt von LBV, EEP, Nationalpark Berchtesgaden und dem Tiergarten der Stadt Nürnberg werden im Mai 2021 zum ersten Mal drei junge Bartgeier auswildern. Über 100 Jahre nach seiner Ausrottung soll dem größten Greifvogel Mitteleuropas so auch die Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden. Der bayerische Naturschutzverband LBV möchte die Erfolgsgeschichte der Wiederansiedelung des majestätischen Vogels in Westeuropa in den kommenden Jahren auch im östlichen Alpenraum fortschreiben. Die Vorbereitungen für die Auswilderung sind bereits angelaufen.
Einer der drei Jungvögel soll dabei aus dem Tiergarten Nürnberg kommen. Der Tiergarten ist Teil des europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerks (EEP / Erhaltungszuchtprogramm des Europäischen Zooverbands). „Da das Bartgeier-Paar in Nürnberg auf mehrere erfolgreiche Bruten zurückblicken kann, ist unsere Hoffnung groß, dass zukünftig auch einmal junge fränkische Bartgeier ihre Kreise um den Watzmann ziehen werden“, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Der erste Schritt eines Nürnberger Bartgeiers für den Nationalpark Berchtesgaden scheint gemacht, denn das Zuchtpaar im Tiergarten hat bereits mit der Balz begonnen.
Europaweit zeigen aktuell die Bartgeier Verhaltensweisen, die den Beginn der bevorstehenden Brutsaison signalisieren. Auch das Brutpaar des Nürnberger Tiergartens hat mit der Balz begonnen und die Hoffnung ist groß, dass es auch diesen Winter ein Gelege bebrüten wird. „Eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Bruterfolg ist die Qualität des Nestes, in dem die beiden Eier später möglichst sicher liegen sollen“, weiß der LBV-Bartgeierexperte Toni Wegscheider. Daher stellen die Zoomitarbeiter bereits jetzt Nistmaterial wie Zweige und Wolle zur Verfügung, um den Geier genügend Zeit für ihre Vorbereitungen zu geben. „In den kommenden Wochen werden die Vögel nach und nach weiteres Nistmaterial in ihren Horst tragen und damit auch ihre Paarbindung festigen. Die ersten Kopulationen konnten wir auch schon beobachten, was ein sehr gutes Zeichen für die bevorstehende Brutsaison ist“, erklärt Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor Biologischer und Leiter des Tiergartens Nürnberg.
Im Januar wird das Nürnberger Weibchen dann wahrscheinlich ein oder zwei mehr als faustgroße Eier legen. Anschließend teilt sich das Paar die Verantwortung für den Nachwuchs und bebrütet das Gelege abwechselnd etwa 54 Tage lang. Sofern in dieser Phase keine Verluste auftreten, kein Embryo abstirbt oder ein Ei unbefruchtet im Nest liegt, schlüpfen dann im Abstand von einigen Tagen zwei kleine Bartgeier. „Wenn sich der oder die Jungvögel gut entwickeln und wir seitens des EEP die Empfehlung erhalten, uns auch 2021 an einem Auswilderungsprojekt zu beteiligen, dann geben wir unsere Nachzucht sehr gerne an das LBV-Projekt im Nationalpark Berchtesgaden ab“, sagt Jörg Beckmann.
Mit ein wenig Glück kann also im nächsten Jahr ein Jungvogel aus Nürnberg bei der ersten deutschen Bartgeier-Auswilderung des LBV im Nationalpark Berchtesgaden in die Natur entlassen werden. „Wir würden uns freuen, wenn einer der drei jungen Bartgeier aus dem Nürnberger Tiergarten und damit ein fränkischer Bartgeier zukünftig in den bayerischen Alpen fliegt“, so Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier. Beim Ziel der Wiederherstellung einer europäischen Bartgeierpopulation in ihrem früheren Verbreitungsgebiet wären die Artenschützer*innen von LBV, Nationalpark und Tiergarten damit wieder einen wichtigen Schritt vorangekommen. Die Auswilderung von Bartgeiern ist eines der erfolgreichsten Wiederansiedelungsprojekte überhaupt, was bereits zu einer stabilen Population der Geier in den westlichen Alpen geführt hat. Nun soll durch das bayerische Projekt die Erfolgsgeschichte auch im östlichen Alpenraum fortgeschrieben werden.
In anderen europäischen Zuchtzentren sind indes die Bartgeier-Brutpaare schon weiter. In Österreich und Spanien, woher ebenfalls zukünftige deutsche Bartgeier für das Auswilderungsprojekt von LBV und Nationalpark stammen können, wurden Anfang des Monats bereits die ersten Eier gelegt. „Wir sind schon gespannt, aus welchen Ländern am Ende unsere drei Jungvögel für 2021 stammen werden, die wir dann im Nationalpark Berchtesgaden auswildern können“, sagt der LBV-Experte Toni Wegscheider.
Immer wieder Einflüge im Allgäu
Im Südwesten Bayerns herrscht währenddessen reger Bartgeier-Flugverkehr. Im Allgäu wurden in den letzten Tagen gleich mehrere Sichtungen von mindestens drei verschiedenen Bartgeiern gemeldet. „Das Brutpaar im angrenzenden österreichischen Lechtal scheint Anziehungskraft auf herumziehende Bartgeier zu entwickeln, genau wie wir es uns seit Jahren erhofft hatten“, so Toni Wegscheider.
Zum Projekt:
Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum jungen Bartgeier ausgewildert. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) initiiertes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der Alpen greift dies auf, und unterstützt in Kooperation mit dem Nationalpark Berchtesgaden die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.