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„Nichts kommt hinein und nichts geht hinaus“: Interview mit der Zootiermedizin zur Vogelgrippe

In den vergangenen Wochen galt der Tiergarten der Stadt Nürnberg als Vogelgrippe-Kontaktbetrieb und hatte nur mit Einschränkungen geöffnet. Seine Außenstelle, Gut Mittelbüg in Schwaig, ist nach wie vor Ausbruchsbetrieb und für die Öffentlichkeit geschlossen. Hier erläutern Zootierärtztin Dr. Katrin Baumgartner und Zootierarzt Dr. Hermann Will, wie der Tiergarten in den vergangenen Wochen vorgegangen ist, um seine Bestände vor der Virusinfektion zu schützen.

Wie haben Sie bemerkt, dass bei den Vögeln auf Gut Mittelbüg etwas nicht stimmt?

Dr. Katrin Baumgartner: Wir hatten die Vögel dort eingewintert und sie dabei gewogen und kontrolliert - sie waren alle unauffällig. Am Anfang des vierten Tages war ein Tier tot. Zunächst dachten wir, dass das schon einmal passieren kann, denn es handelte sich um Störche, die wir in der Findlingsstation aufgenommen hatten. Manche von ihnen waren zuvor noch nicht auf Gut Mittelbüg gewesen.

Was bedeutet „Einwinterung“?

Dr. Hermann Will: In dem Moment, in dem unsere Weiher im Tiergarten zufrieren, sind die Tiere, die am und um die Weiher sitzen, nicht mehr sicher vor dem Fuchs. Deswegen holen wir sie immer für möglichst kurze Zeit nach Gut Mittelbüg, wo wir die geeigneten Ställe dafür haben. Eingewintert wurden Rosa- und Krauskopfpelikane, Streifengänse, Kanadagans, Blässgans und die Störche.

Wie ging es in Mittelbüg weiter, nachdem Sie den toten Storch gefunden hatten?

Dr. Baumgartner: Wir wollten den toten Vogel am darauffolgenden Tag in die Pathologie schicken. Da war jedoch schon der nächste Storch tot. Da haben wir vorsorglich das Veterinäramt informiert: Denn das ist ungewöhnlich. Wir waren schon gewarnt, dass die Vogelgrippe von allen Seiten droht. Das Veterinäramt hat die Vögel für uns in die Pathologie geschickt und noch ehe die Kollegen die Vögel abholen konnten, war der dritte ohne vorherige Krankheitsanzeichen tot. Spätestens da waren wir alle sehr besorgt. Das war ein Dienstag. Am Mittwoch hatten wir schon die positiven Befunde und haben am Abend mit dem Veterinäramt die anderen Vögel auf Gut Mittelbüg beprobt.

Welche waren die nächsten Schritte, als klar war, dass es sich um Vogelgrippe handelte?

Dr. Will:
Schon nach dem Tod des zweiten Storches haben wir alle Desinfektionsmaßnahmen eingeleitet, zum Beispiel mit Wannen zur Desinfektion der Schuhe. Der Vorteil auf Gut Mittelbüg besteht darin, dass die Vogelarten dort getrennt voneinander gehalten werden: Pelikane, Störche, Gänse. Glücklicherweise sind wir vorbereitet auf solche Seuchenfälle. Deswegen hatten wir auch schon das richtige Desinfektionsmittel da, das auch bei kalten Temperaturen wirksam ist.

Was hat das Ganze für die Abläufe im Tiergarten bedeutet?

Dr. Baumgartner:
Weil die Tiere von hier stammen und die Zeit dazwischen so kurz war, gingen wir davon aus, dass die Vögel sich noch im Tiergarten angesteckt haben. Damit gilt der Tiergarten als Kontaktbetrieb. Das bedeutet, dass die Auflagen nahezu so streng sind wie beim Ausbruchsbetrieb – es werden alle Maßnahmen ergriffen, die auch für den Ausbruchsbetrieb gelten.

Die große Furcht war, dass sich das Virus auch im Tiergarten verbreitet hat. Denn in der Nähe der Störche und Pelikane sind die Kraniche, die Flamingos, die Tschajas, die Habichtskäuze untergebracht, auch die Haushühner sind nicht weit weg – lauter empfängliche Arten. Daher war es wichtig, die Betriebseinheiten zu aktivieren, die wir schon seit den ersten Fällen von Vogelgrippe in Deutschland Anfang der 2000er Jahre entwickelt haben.

Die Volieren gelten jeweils als Einheit und als solche haben wir sie auch behandelt. Das heißt: Extra Desinfektionsmittel, keine Vermischung von Materialien, alle Futterschüsseln sind in den jeweiligen Revieren oder Volieren verblieben. Diese Maßgabe bei jeder Seuche nennt sich „stand still“ – nichts kommt hinein und nichts geht hinaus. Das bedeutet für den Tiergarten in der Zeit natürlich auch, dass er keine Transporte durchführen kann, auch nicht von Säugetieren, Reptilien, Fröschen, nichts.

Warum ist der Tiergarten so gut auf Seuchen vorbereitet?

Dr. Will:
Zum einen, weil wir in den letzten 20 Jahren gesehen haben, dass es immer mehr Fälle gibt, die immer näher rücken. Sei es die Maul- und Klauenseuche (MKS), sei es die Afrikanische Schweinepest (ASP), sei es die Vogelgrippe - und es gibt noch viele andere seuchenartige Geschehen, die sich nähern.

Daher haben Zoos auch die Aufgabe, sogenannte Seuchenüberwachungspläne vorzubereiten, die wir auch haben. Dazu gehören zum einen die Untersuchungen der Tiere, die wir regelmäßig durchführen. Zum anderen eben das Bereithalten von Materialien und dass man im Zoo bereits eine logistische Ausrüstung hat. Dass man Desinfektionsmaßnahmen innerhalb eines Tages einleiten kann. Dass man die Möglichkeit hat, alle Mitarbeiter zu informieren, zum Beispiel in Betriebsversammlungen.

All diese Aspekte, die man eben braucht, wenn das plötzlich passiert – denn ein Seuchenausbruch passiert ja immer von einem Moment auf den anderen.

Wer ist denn innerhalb des Tiergartens bei einem potenziellen Seuchenausbruch involviert?

Dr. Baumgartner:
Im Tiergarten sind so ziemlich alle Abteilungen involviert. Selbstverständlich die Direktion, weil es auch um Entscheidungen des Betriebes geht. Die Biologie, weil eben ganz viele Dinge nicht mehr möglich sind – siehe Transfers oder das Umsetzen von Tieren, selbstverständlich die Tierpflege, die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch die Gärtner, die Techniker – es musste jeder mitwirken. Man muss sich vorstellen, es dürfen dann in einer Voliere zum Beispiel keine Äste geschnitten und hinaustransportiert werden. Es darf wirklich nichts rein und nichts raus.

Und welche externen Stellen werden mit einbezogen?

Dr. Will: Das Veterinär- und das Gesundheitsamt sind beteiligt, die Regierung von Mittelfranken und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, zum einen, weil es beratend tätig ist, zum anderen, weil es unsere Proben untersucht hat. Zusätzlich war noch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) mit beauftragt. Die Kollegen dort machen immer die Bestätigungsuntersuchung, wenn der Verdacht auf einen positiven Befund besteht. Denn es kann durchaus auch falsch positive Befunde geben.

Der Tiergarten hätte als Kontaktbetrieb nicht für Besucherinnen und Besucher schließen müssen. Warum hat er es trotzdem getan?


Dr. Baumgartner: Wir haben uns dazu entschlossen, weil wir wirklich nicht einschätzen konnten, ob das Virus sich vielleicht schon verbreitet hatte und weil wir unbedingt unseren Vogelbestand schützen wollten. Daher haben wir als erste Maßnahme so viele Tiere wie möglich aufgestallt, das heißt, in ihre Ställe gebracht. Wir haben überall Desinfektionswannen aufgestellt, haben in Schutzkleidung mit den Tieren gearbeitet – also haben die Maßnahmen wirklich so streng wie möglich gegriffen, um bei einer möglicherweise schon vorhandenen Ausbreitung des Virus im Tiergarten gewappnet zu sein.

Wir haben auch den Vogelbestand im Tiergarten beprobt. Diese extrem strenge Handhabung ging bis zu dem Zeitpunkt, als wir die negativen Ergebnisse dieser ersten Beprobung hatten. Dann haben wir entschieden, dass wir nicht so streng weiterverfahren müssen, als hätten wir tatsächlich positive Fälle im Tiergarten selbst.

Der Tiergarten geht am 11. Februar in den Normalbetrieb über. Wie geht es auf Gut Mittelbüg weiter?

Dr. Will: Wir haben vereinbart, dass wir diese Woche die Pelikane wieder beproben – sollte bis dahin kein Tier sterben. Sollte ein weiterer Vogel an Vogelgrippe sterben, verlängert sich die Frist bis zur nächsten Beprobung. In der Zwischenzeit werden wir die Reinigung und Desinfektion der Ställe angehen, in denen die Störche untergebracht waren. Leider sind alle zehn gestorben.

Sollte die Beprobung der Pelikane negativ ausfallen, würden wir sie demnächst in den desinfizierten Storchenstall umsetzen. Anschließend würden wir den Pelikanstall desinfizieren, die Gänse umsetzen, um auch ihren Stall zu desinfizieren. Erst dann und wenn nach 21 Tagen noch einmal alle Tiere negativ beprobt werden, gelten wir als frei und dürften die Vögel auch wieder in den Tiergarten bringen.

Ist die Gefahr dann gebannt?

Dr. Baumgartner: Die Gefahr ist leider gar nicht gebannt. Ich glaube, dass wir lernen müssen, mit der Vogelgrippe zu leben. Vor 16, 17 Jahren waren es einzelne Episoden, wo man sich dachte, das ginge schon wieder vorbei. Inzwischen ist diese Krankheit tatsächlich endemisch geworden. Das bedeutet, sie bleibt uns erhalten. Ich glaube, dass die einzige Möglichkeit, um unseren Bestand vor ihr zu schützen - wie übrigens bei nahezu jeder anderen Viruserkrankung - die Impfung ist. Mit anderen Mitteln werden wir nicht zurechtkommen.