Zwei Waldrappe (Geronticus eremita) aus dem Tiergarten Nürnberg sind Ende Januar ins spanische Jerez de la Frontera umgezogen. Der Tiergarten hat sie dort an das Auswilderungsprojekt "Proyecto Eremita" abgegeben. Die beiden Vögel, die im Frühjahr letzten Jahres im Tiergarten geschlüpft sind, werden in wenigen Wochen über der andalusischen Atlantikküste ihre Kreise ziehen.
Noch leben die jungen Vögel aus Nürnberg in großen Auswilderungsvolieren – gemeinsam mit knapp 40 anderen Waldrappen aus europäischen Zoos. Dort können sich die Vögel zunächst aneinander gewöhnen und sich mit der neuen Heimat vertraut machen. Um die Vögel weiter beobachten zu können, werden einige von ihnen dort auch mit einem Sender ausgestattet. Mitte März werden dann die Türen der Volieren geöffnet. Ziel ist es, dass sich die ausgewilderten Vögel möglichst schnell mit ihren Artgenossen zu einem Schwarm zusammenschließen.
Die Wildpopulation der Waldrappe in Andalusien wird derzeit auf 240 Vögel geschätzt. In der Natur ist die Ibisart nur noch dort und in Marokko anzutreffen, kleine Kolonien gibt es außerdem in der Türkei und im Alpenraum. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts war sie auch in Mitteleuropa heimisch. Nicht nachhaltige Bejagung und Lebensraumzerstörung führten jedoch zum Rückgang der Kolonien. Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft den Waldrapp heute als "stark gefährdet" ein.
Bereits zwölf Waldrappe ausgewildert
Wiederansiedlungsprojekte wie "Proyecto Eremita" sollen die Art wieder in der Wildbahn etablieren. Gemeinsam mit dem Zoobotánico Jerez de la Frontera unterstützt der Tiergarten Nürnberg das Projekt seit 2018 – bislang mit zwölf im Tiergarten geschlüpften Waldrappen.
"Auswilderungen machen nur einen sehr kleinen Teil der Arten und Naturschutzarbeit von Zoos aus. Dennoch gehören sie zu den absoluten Höhepunkten unserer Arbeit", sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens. "Es freut uns, dass wir mit unseren Nürnberger Waldrappen die Population in Südspanien stützen und so zum Erhalt der Art beitragen können. Projekte wie diese sind ein Bespiel dafür, wie viel wir mit erfolgreichen Kooperationen im Artenschutz erreichen können."
Zoos und Zuchtstationen spielen bei Auswilderungsprojekten eine entscheidende Rolle. Tiere wie die Waldrappe können nur ausgewildert werden, wenn es eine stabile sogenannte Reservepopulation gibt, die in menschlicher Obhut gehalten und gezüchtet wird.
Haltung bereits seit den 1960er-Jahren
Der Tiergarten hält bereits seit den 1960erJahren Waldrappe – zunächst am Flusspferdhaus und seit 1999 in der Großvoliere neben der Fischkatzenanlage. Dort leben aktuell zehn Waldrappe, die sich die Voliere mit Europäischen Löfflern (Platalea leucorodia) und Purpurhühnern (Porphyrio porphyrio) teilen.
Die Haltung und Zucht der Waldrappe wird innerhalb des europäischen Zooverbandes EAZA in einem Erhaltungszuchtprogramm EEP (EAZA Ex-situ Programme) koordiniert. Auch der Tiergarten ist Teil dieses EEPs. In diesen Programmen züchten Zoos und Wildparks koordiniert Tierarten, um langfristig stabile selbsterhaltende Populationen aufzubauen. Ziel ist es, auf diese Weise die jeweilige Art zu erhalten und Wiederansiedlungen in der Natur zu ermöglichen.
Tiergarten engagiert sich in mehreren Auswilderungsprojekten
Neben den Waldrappen beteiligt sich der Tiergarten auch mit anderen Tierarten regelmäßig an Auswilderungsaktionen. Im den letzten Jahren hat er beispielsweise Alpensteinböcke in Österreich, Ziesel in Tschechien und Europäische Sumpfschildkröten in Hessen ausgewildert.