Sieben Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) aus dem Tiergarten Nürnberg sind vergangene Woche in Südhessen ausgewildert worden, konkret im Natura 2000-Gebiet "Untere Gersprenzaue" und im Naturschutzgebiet "Reinheimer Teich" nahe der Stadt Reinheim. Hinter der Auswilderung steckt ein Artenschutzprogramm, das von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Sumpfschildkröte initiiert wurde und den Erhalt der Art zum Ziel hat. Neben den Tieren aus Nürnberg wurden 23 weitere Sumpfschildkröten aus dem Zoo Frankfurt in die Schutzgebiete gebracht.
Die sieben jungen Schildkröten sind im Mai 2023 als Schlüpflinge aus Hessen zur Aufzucht in den Tiergarten Nürnberg gekommen. Beim Schlupf sind Europäische Sumpfschildkröten nur etwas größer als eine Euromünze und wiegen zwischen fünf und sechs Gramm. Die Tiere, die nun ausgewildert wurden, bringen bis zu 173 Gramm auf die Waage und sind etwa so groß wie eine Untertasse. Damit haben sie die Voraussetzungen für eine Auswilderung erreicht.
Vor der Auswilderung wurden die Gewichte und die Panzerlängen bestimmt. Zudem erhielten die Tiere winzig kleine Mikrochips – eine Art Personalausweis, der auch nach vielen Jahren eine individuelle Erkennung ermöglicht.
Der Tiergarten Nürnberg beteiligt sich seit 2020 an dem Schutzprojekt für Europäische Sumpfschildkröten. 2023 konnte er gemeinsam mit der AG Sumpfschildkröte erstmals drei seiner eigenen Nachzuchten in den hessischen Nidda-Auen bei Stockheim auswildern.
"Tiere wie die Sumpfschildkröten können nur ausgewildert werden, wenn es eine stabile sogenannte Reservepopulation gibt, die in menschlicher Obhut gehalten und gezüchtet wird. Dafür braucht es Zoos und Zuchtstationen", sagt Kuratorin Diana Koch. "Wir freuen uns, dass wir auch in diesem Jahr wieder erfolgreiche Schlüpflinge aufziehen und auswildern konnten und somit zum Erhalt der Art beitragen können."
Ziel: 1.200 ausgewilderte Sumpfschildkröten bis 2030
Insgesamt sollen in diesem Jahr in hessischen Schutzgebieten am Rhein, am Untermain und an der Nidda mehr als 90 junge Sumpfschildkröten ausgewildert werden. Zum Jahresende 2024 werden es dann insgesamt über 800 Tiere sein, die im Rahmen des hessischen Artenschutzprogramms "Europäische Sumpfschildkröte" seit 1999 wiederangesiedelt worden sind. Bis 2030 sollen es insgesamt 1.200 Tiere sein.
Dr. Matthias Kuprian vom hessischen Umweltministerium, der das Artenschutzprogramm "Europäische Sumpfschildkröte" leitet, kann den Erfolg des Programms belegen: "Im Bereich des Reinheimer Teiches läuft die Auswilderung schon seit 2002. Hier haben einige Tiere auch bereits Nachwuchs hervorgebracht. Dass sich ausgewilderte Schildkröten in einem Projektgebiet vermehrt haben, konnten wir 2013 zum ersten Mal nachweisen. Inzwischen dokumentieren wir regelmäßig Jungtiere, Schlüpflinge, Bruten und Brutversuche. Die Beobachtungen häufen sich in den letzten Jahren. Daher gehen wir davon aus, dass in den Schutzgebieten die Vermehrung zunimmt und wir regional sogar einen leichten Bestandszuwachs verzeichnen können."
Die auf ehrenamtliche Initiative hin gegründete AG Sumpfschildkröte bemüht sich seit 1999 in Kooperation mit dem hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt und einigen Zoos um den Erhalt der Europäischen Sumpfschildkröte. Ziel dabei ist es, in geeigneten Lebensräumen in Hessen wieder sich selbst erhaltende Populationen zu begründen. Seit der Gründung haben die Projektpartner zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, darunter Habitate optimiert, Bestandsstützungen und Neuansiedlungen durchgeführt und Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Das Artenschutzprogramm zeichnet sich durch die enge Zusammenarbeit von Naturschutzbehörden und Naturschutzverbänden sowie Partnern aus Wissenschaft und Zoos aus.
Vom Aussterben bedroht
Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige Schildkrötenart, die natürlicherweise in Mitteleuropa vorkommt, nach der deutschen Roten Liste hier allerdings vom Aussterben bedroht ist. Durch Flussbegradigungen und Trockenlegen von Gewässern in der Vergangenheit fehlt es den Tieren immer noch an geeigneten Lebensräumen. Ein weiteres Risiko stellt der Straßenverkehr dar – insbesondere für Weibchen, wenn sie auf der Suche nach geeigneten Eiablageplätzen sind. Dazu kommt: Früher galten die Tiere als Fastenspeise, da sie im Wasser leben. Auch dadurch wurden die Bestände massiv reduziert.
Im Tiergarten sind die Europäischen Sumpfschildkröten im Mediterraneum zu sehen. Dort leben sie zusammen mit Breitrandschildkröten, Perleidechsen, Scheltopusiks und Zieseln.
Weitere Auswilderungsprojekte des Tiergartens
Neben den Sumpfschildkröten beteiligt sich der Tiergarten auch mit anderen Tierarten regelmäßig an Auswilderungsaktionen. In den letzten Jahren hat er beispielsweise Alpensteinböcke in Österreich, Ziesel in Tschechien und Waldrappe in Spanien ausgewildert.