Freie Natur? Neues manatimagazin® erschienen
Wieviel Wildnis wollen wir als Gesellschaft zulassen? Wo treffen wir noch auf Natur? Und warum geht es im Artenschutz nicht um Schönheit? Diesen und...
Weißkopfseeadler
Bei den Weißkopfseeadlern (Haliaeetus leucocephalus) schlüpften am 6. und 14. April 2010 zwei Jungvögel im Tiergarten der Stadt Nürnberg. Bei einem derartig großen zeitlichen Abstand der Schlupftermine ist das Risiko sehr groß, dass der deutlich kleinere, später geschlüpfte Jungvogel beim Betteln nach Futter zu kurz kommt oder vom Geschwister aus dem Nest geworfen wird. Daher wurde der Nachzügler 16 Tage lang von den Tierpflegern von Hand aufgezogen und dann wieder ins Nest zurückgesetzt. Die Adoption durch die Eltern verlief – wie bei den meisten Greifvögeln üblich – problemlos. Seit 1982 züchtet der Tiergarten - mit inzwischen 41 Aufzuchten - sehr erfolgreich diese größte Greifvogelart Nordamerikas.
Ursprünglich lebt der Weißkopfseeadler in Kanada, den USA und Mexiko. Die Population auf dem Gebiet der USA sank vom Ende des späten 18. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre von geschätzten 250 000 auf 1 000 Exemplare. Ursachen dafür waren eine intensive Jagd auf die Vögel und vor allem die unbeabsichtigte Wirkung des Insektizids Dichlordiphenyltrichlorethan, abgekürzt DDT, das die Adler mit der Nahrung aufgenommen haben. DDT veränderte die Eischale und schwächte die Embryonen direkt, was zu hohen Verlustraten führte. Mit dem Verbot diverser Pflanzenschutzmittel und mit gezielten Schutzmaß-nahmen erholte sich die Population der Weißkopfadler in den USA in den letzten 40 Jahren erheblich. Bereits 1991 wurde die Gesamtpopulation auf 70 000 Tiere geschätzt. Daher stufte die IUCN (International Union for Conservation of Nature) den Weißkopfadler 2008 auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten nur noch mit „least concern“ und somit nicht (mehr) vom Aussterben bedroht ein.
Uralkauz
Bereits 1965 wurden im Tiergarten der Stadt Nürnberg weltweit erstmals Uralkäuze (Strix uralensis), die wegen ihrer Färbung auch Habichtskäuze genannt werden, gezüchtet. Im Bayerischen Wald - der westlichsten Spitze ihres Verbreitungsgebietes und einzigem Lebensraum in Deutschland - war diese Eulenart bis Ende des 19. Jahrhunderts Brutvogel. Auf der tschechischen Seite wurde der letzte Vogel 1926 erlegt. Um die Art wieder heimisch werden zu lassen, läuft seit 1975 ein Projekt zur Wiederansiedelung dieser eindrucksvollen Tierart im Nationalpark Bayerischer Wald. 1995 wurde das Artenschutzprojekt um die tschechische, 2001 um eine österreichische Beteiligung erweitert. In dem entstandenen internationalen Großprojekt engagierte sich der Tiergarten Nürnberg mit dem Nachwuchs in vierter Zoo-Generation. Von 2003 bis 2009 hat der Tiergarten mit der Auswilderung von 13 Eulen im Nationalpark Bayerischer Wald nicht unwesentlich zum Aufbau des dortigen Bestandes beigetragen. Drei weitere Nürnberger Käuze gingen in Zuchtstationen nach Österreich, wo sie mit anderen Zoovögeln verpaart wurden. Acht Jungvögel aus diesen Verpaarungen konnten in Österreich ausgewildert werden. Auch in diesem Jahr gab es im Tiergarten wieder Nachwuchs bei der seltensten Eulenart Deutschlands. Am 14. Mai 2010 schlüpfte ein weiblicher Uralkauz, der kürzlich flügge wurde. Der Jungkauz wird demnächst im Biosphärenpark Wienerwald westlich der österreichischen Landeshauptstadt mit zwei Artgenossen aus dem Zoo Magdeburg und weiteren Käuzen aus Österreich ausgewildert. Dort sollen die Tiere dazu beitragen, dass die ursprüngliche Verbindung des Verbreitungsgebietes vom Bayerischen Wald bis nach Slowenien und Kroatien wieder hergestellt wird. Der Tiergarten unterstützt auch die Überwachung der ausgewilderten Eulen, um zuverlässige Daten über den Erfolg der Maßnahme zu erhalten. Außerdem hat der Tiergarten Nürnberg maßgeblich eine genetische Untersuchung der Uralkäuze finanziert, um die eingesetzten Blutlinien bei den bisherigen und weiteren Auswilderungen zu überprüfen. So weiß man heute, dass die Eulen in Europa von Skandinavien bis Kroatien kaum Unterschiede aufweisen, aber verglichen mit den Tieren aus Osteuropa und dem Uralgebiet andere Genlinien vertreten. Vor mehr als 30 Jahren wurden demnach auch nach heutigen strengen Gesichtspunkten die richtigen Gründertiere für die Wiederansiedelung ausgewählt.
Mit freundlichen Grüßen,
Tiergarten der Stadt Nürnberg
i.A. Dr. Helmut Mägdefrau
Dr. Nicola A. Mögel
Stv. Direktor Pressesprecherin