Bartgeier im Tiergarten gestorben – ältestes Männchen im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm

Ein 46-jähriger männlicher Bartgeier ist am gestrigen Dienstag, 23. September 2025, im Tiergarten Nürnberg gestorben. Das Männchen wird nun im…
Ein 46-jähriger männlicher Bartgeier ist am gestrigen Dienstag, 23. September 2025, im Tiergarten Nürnberg gestorben. Das Männchen wird nun im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen pathologisch untersucht, wodurch eine genauere Diagnose ermöglicht wird. Er war das älteste Männchen im Erhaltungszuchtprogramm des Europäischen Zooverbands EAZA (EAZA Ex situ Programme, kurz EEP) und hat in Nürnberg insgesamt für 13 Nachkommen gesorgt.
Das Nürnberger Bartgeiermännchen ist 1979 im Alpenzoo Innsbruck geschlüpft und kam 1980 nach Nürnberg. Zusammen mit seiner letzten Partnerin, die 1999 im Zoo Poznan in Polen schlüpfte und seit 2010 in Nürnberg lebt, sorgte er sechs Mal für Nachwuchs. Fünf der Jungtiere zogen die beiden erfolgreich groß, vier davon wurden im Rahmen des EEPs in Spanien und Frankreich ausgewildert. Den letzten Nachwuchs hatten die beiden in diesem Jahr. Damit war er der älteste sich fortpflanzende männliche Bartgeier im EEP.
Der jüngste Nachwuchs der Nürnberger Bartgeier, ein Weibchen, war am 15. März 2025 geschlüpft und wurde Mitte Juni in den französischen Alpen ausgewildert. Es war der erste eigene Nachwuchs seit 2019. Aber auch als Ammeneltern waren die Nürnberger Bartgeier erfolgreich: In den Jahren 2023 und 2024, als es mit eigenem Nachwuchs nicht klappte, adoptierten sie jeweils ein Küken aus der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee in Österreich. Eines der beiden Jungtiere wurde im Berchtesgadener Land ausgewildert, das andere lebt inzwischen gemeinsam mit einem jungen Weibchen in einer neuen Zuchtvoliere auf der Außenstelle des Tiergartens Gut Mittelbüg, die vom Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e. V. finanziert wurde. Das Pärchen soll dort in einigen Jahren für Nachwuchs sorgen und somit zum Erhalt der Art beitragen.
Der Tiergarten will auch künftig an der Haltung und Zucht der Bartgeier festhalten. Ob das Weibchen einen neuen Partner bekommt oder die Zucht mit anderen Pärchen fortgesetzt wird, steht noch nicht fest.
Erfolgreiche Bartgeier-Zucht im Tiergarten seit 1997
Der Tiergarten Nürnberg hält – mit nur kurzen Unterbrechungen – bereits seit 1965 Bartgeier. Sie sind Teil des EEPs, das den Erhalt der Art und deren Wiederansiedelung in der Natur zum Ziel hat. 1997 wurde in Nürnberg zum ersten Mal ein Jungvogel erfolgreich aufgezogen. Seit 2016 leben die Bartgeier in einer begehbaren Voliere, die der Tiergarten mit Unterstützung des Vereins der Tiergartenfreunde Nürnberg e. V. gebaut hat. Der Tiergarten beteiligt sich regelmäßig an Auswilderungsprojekten in Spanien, Frankreich und im Berchtesgadener Land.
Bartgeier pflanzen sich verhältnismäßig langsam fort. Mit fünf bis sieben Jahren werden sie geschlechtsreif. Eine erfolgreiche Jungenaufzucht gelingt aber meist erst ab einem Alter von acht Jahren und dies auch nicht in jedem Jahr. In der Regel legen Bartgeier zwei Eier pro Saison, im Abstand von etwa zehn Tagen. Schlüpfen beide Jungvögel, so überlebt in der Natur meist nur das ältere. Das jüngere Küken wird normalerweise entweder vom älteren getötet oder es verhungert, weil es sich gegen das ältere nicht durchsetzen kann. Dieses Verhalten, auch Kainismus genannt, ist für die Art völlig normal. Das zweite Junge dient als Reserve, falls das ältere die ersten Tage nicht überlebt oder das Ei unbefruchtet ist.
In Zuchtstationen und Zoos ist es möglich, auch das zweite Küken über Ammenpaare wie in Nürnberg aufzuziehen. So erhöht sich die Anzahl der Tiere, die für eine Auswilderung infrage kommen oder innerhalb des EEPs für den Fortbestand der Art sorgen können.
Erfolgreiche Wiederansiedelung in den Alpen
Der Bartgeier zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Erwachsene Bartgeier ernähren sich hauptsächlich von Knochen, die sie im Ganzen schlucken. Sind diese zu groß, lassen sie sie aus luftiger Höhe auf Felsen fallen, um sie so zu zerkleinern. Im Spanischen wird der Bartgeier deshalb auch „Quebrantahuesos“ genannt, was übersetzt „Knochenbrecher“ bedeutet.
Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. 1913 wurde der letzte Bartgeier der Alpen im italienischen Aostatal geschossen. Im Rahmen eines in den 1970er-Jahren großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum junge Bartgeier ausgewildert. Dieses Projekt wurde 1993 in ein EEP überführt, das von der internationalen Vulture Conservation Foundation geleitet wird. Seit Beginn der Auswilderungen im Alpenraum wurden mehr als 250 Bartgeier ausgewildert. Zusammen mit ihren Nachzuchten leben heute wieder mehr als 450 Bartgeier in den Alpen, darunter über 100 Zuchtpaare.