Habichtskäuze aus dem Tiergarten ausgewildert

Vier Habichtskäuze aus dem Tiergarten Nürnberg haben eine neue Heimat in den nordostbayerischen Wäldern. Bei einem Wiederansiedlungsprojekt hat der…
Vier Habichtskäuze (Strix uralensis) aus dem Tiergarten Nürnberg haben eine neue Heimat in den nordostbayerischen Wäldern. Bei einem Wiederansiedlungsprojekt hat der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität e.V. (VLAB) 27 junge Habichtskäuze in der Region rund um den Steinwald, den Hessenreuther Wald und das Fichtelgebirge ausgewildert. Darunter waren auch vier Vögel aus Nürnberg, zwei Männchen und zwei Weibchen.
Die Vögel sind Anfang Mai dieses Jahres im Tiergarten geschlüpft. Vor ihrer Auswilderung verbrachten die Tiere rund vier Wochen in speziellen Eingewöhnungsvolieren in der Nähe des Auswilderungsorts. Ohne Kontakt zu Menschen, dafür täglich von einem Betreuer mit frischem Wasser und hochwertiger Nahrung versorgt, konnten sie sich dort auf das Leben im Wald vorbereiten.
Mehr als die Hälfte der jungen Käuze stammt aus französischen Zoos und Wildparks, die übrigen kommen aus deutschen Einrichtungen. Einige Habichtskäuze erhielten vor der Auswilderung Telemetriesender, darunter auch die beiden Weibchen aus Nürnberg. Mithilfe dieser Sender lassen sich die Streifzüge der Vögel nachvollziehen und wissenschaftlich auswerten.
"Jede Auswilderung ist ein wichtiger Schritt zum Schutz dieser faszinierenden Eulenart", erklärt Michaela Domeyer, Projektleiterin beim VLAB. "Die Eingewöhnungszeit in den Volieren ist sehr wichtig, damit die Jungvögel nach der Auswilderung in ihrer neuen Umgebung zurechtkommen und gute Überlebenschancen haben."
Das Projekt zeigt auch, was internationale Zusammenarbeit im Artenschutz alles leisten kann. "Ohne die enge und langjährige Partnerschaft mit Zoos und Wildparks in Deutschland, Frankreich und Belgien wäre diese Wiederansiedlung nicht möglich", betont VLAB-Vorsitzender Johannes Bradtka. "Gemeinsam geben wir dem Habichtskauz in Deutschland eine Zukunft."
In den vergangenen beiden Jahren wurden im Auswilderungsgebiet erstmals wieder Bruten nachgewiesen – ein Zeichen, dass die Rückkehr gelingt. Langfristig soll eine stabile, genetisch vielfältige Population entstehen, die sich mit dem bisher einzigen Vorkommen Deutschlands, dem Nationalpark Bayerischer Wald und seinem Umfeld, vernetzt.
Weltweit erste Nachzucht im Tiergarten Nürnberg
Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor des Tiergartens und Biologischer Leiter sagt: "Bei der Zucht von Habichtskäuzen ist der Tiergarten Nürnberg Vorreiter. 1965 gelang hier die weltweit erste Nachzucht in menschlicher Obhut. Umso erfreulicher ist es, dass wir in diesem Jahr wieder ein Auswilderungsprojekt unterstützen können und das mit gleich vier Jungvögeln."
Allein im Zeitraum von 2003 bis 2025 wurden im Tiergarten 43 Jungkäuze aufgezogen. Fünf dieser Tiere wurden an ein Zuchtnetzwerk abgegeben, 38 weitere gingen an Wiederansiedlungsprojekte in Deutschland und Österreich.
Ihren Namen haben Habichtskäuze ihrer Schwanzzeichnung zu verdanken, die dem des Habichts ähnelt. Die Eulenart bewohnt alte, dichte Wälder und benötigt für die Jagd freie Flächen wie Moore und Felder. Zu ihrer Hauptnahrung gehören Mäuse.
Die Vögel kommen von Skandinavien bis Ostasien vor und gelten global nicht als gefährdet, in Deutschland sind sie allerdings nur selten anzutreffen. Als westlichster Teil des Verbreitungsgebiets gilt der Bayerische Wald, wo die Art bis in die 1920er-Jahre mit Brutpaaren vertreten war. Kahlschläge, Nadelholzmonokulturen und der Verlust alter morscher Bäume raubten der Art allerdings zunehmend den Lebensraum. Dazu kam die Bejagung durch den Menschen, die schließlich zur Ausrottung des Habichtskauzes im Bayerischen Wald sowie den angrenzenden Wäldern des heutigen Tschechiens führte. Die Eulen wurden oftmals auch mit dem Teufel in Verbindung gebracht und sogar an Scheunentore genagelt.
Doch es gibt Hoffnung: Seit den 1970er Jahren laufen Wiederansiedlungsprojekte, die ab 2009-auch auf das Biosphärenreservat Wienerwald und das Wildnisgebiet Dürrenstein im benachbarten Österreich ausgeweitet wurden. Der Tiergarten Nürnberg engagiert sich seit vielen Jahren in diesen Auswilderungsprojekten. Im Sommer dieses Jahres wurde im Nationalpark Bayerischer Wald bei einem Monitoring ein Habichtskauz registriert, der 2009 im Tiergarten geschlüpft ist und im selben Jahr ausgewildert wurde. Der inzwischen 16 Jahre alte Vogel hat dieses Jahr erfolgreich zwei Junge aufgezogen.
Neben den Habichtskäuzen beteiligt sich der Tiergarten auch mit anderen Arten regelmäßig an Auswilderungen: in den letzten Jahren mit Karpatenluchsen, Alpensteinböcken, Europäischen Zieseln, Bartgeiern, Waldrappen und Europäischen Sumpfschildkröten.