Richtigstellung zum Thema „Populationsmanagement bei Pavianen“

Anlässlich zahlreicher, insbesondere auf Social Media-Plattformen kursierender Falschmeldungen bezüglich überzähliger Paviane, potenzieller…
Ein junger Bartgeier (Gypaetus barbatus) aus dem Tiergarten Nürnberg lebt seit Freitag, 13. Juni 2025, in Südfrankreich: Der Tiergarten wilderte das Weibchen gemeinsam mit der internationalen Vulture Conservation Foundation (VCF) im Parc Naturel Régional du Vercors aus, einem Naturpark am Rande der Alpen. Dort wurde es gemeinsam mit einem jungen Männchen, das in Frankreich aufgezogen wurde, in eine geschützte Felsnische gebracht, aus der beide in den kommenden Wochen ausfliegen werden. Das junge Bartgeierweibchen schlüpfte am 15. März 2025 im Tiergarten. Es ist der erste eigene Nachwuchs des Nürnberger Bartgeierpaares seit 2019.
Das Ei wurde Anfang März aus dem Nest genommen und in einen Brutapparat gelegt, damit sich das Küken unter der Aufsicht der Tierpflegerinnen und -pfleger gut geschützt entwickeln konnte. Rund eine Woche nach dem Schlupf legten sie es zurück ins Nest, wo es von beiden Eltern sofort angenommen wurde. Im Alter von circa 90 Tagen, war der Zeitpunkt für die Auswilderung gekommen. Tierarzt Dr. Hermann Will untersuchte den jungen Vogel vorher nochmal und nahm Blut ab. Außerdem wurde er gewogen: Mit 5,6 Kilogramm hat das Weibchen ein ideales Auswilderungsgewicht erreicht.
Am Donnerstagmorgen, 12. Juni, holten Tierpflegerin Susann Wagner und Tierpfleger Philip Helm den Bartgeier aus der Voliere, legten ihn in eine gepolsterte Kiste und verließen den Tiergarten Richtung Frankreich. "Er war während der Fahrt sehr entspannt und kam wohlbehalten in Frankreich an", berichtet Susann Wagner.
Mit GPS-Sendern ausgestattet und getauft
Am nächsten Tag wurden die Kisten früh morgens auf Pickups verladen. Über Serpentinen ging es gemeinsam mit den Rangern des Naturparks und weiteren Beteiligten den Berg hinauf auf rund 1.700 Meter Höhe. Auf einer Lichtung angekommen wurden beide Bartgeier mit GPS-Sendern ausgestattet. Außerdem wurden einige Federn gebleicht, um aus der Entfernung besser erkennen zu können, um welches Jungvogel es sich handelt. Zum Einsatz kommt dabei eine Paste, die auch bei Menschen zum Färben der Haare verwendet wird. Auch Namen haben die jungen Bartgeier bekommen: Das Nürnberger Weibchen wurde auf „Spirale“ getauft. Namenspate ist ein französischer Paragliding-Club, der eng mit den Park-Rangern zusammenarbeitet und sich für den Schutz der Bartgeier einsetzt.
Von der Lichtung waren es noch wenige hundert Meter zu Fuß bis zur vorgesehenen Felsnische. "Der Weg war nicht weit, dafür aber umso anspruchsvoller. Das Gelände war sehr felsig, der Hang fiel steil ab und für das letzte Stück musste man sich am Seil sichern", erzählt Philip Helm, der den Bartgeier in einer Lastenkraxe auf den Rücken geschnallt nach oben brachte. In der Nische angekommen setzten er und seine Kollegin den Jungvogel behutsam in das vorbereitete Nest. Die Nische selbst ist mit einem Holzzaun gesichert, damit die noch nicht flugfähigen Vögel in den ersten Wochen nicht abstürzen können.
Für Susann Wagner und Philip Helm war dann der Moment gekommen, Abschied zu nehmen. Beide haben den jungen Bartgeier im Tiergarten von Beginn an umsorgt: "Es ist schon ein bewegender Moment, den Vogel auszuwildern, den man noch vor wenigen Monaten als Küken ins Nest der Eltern gelegt hat", sagt Susann Wagner. Philip Helm, der das Küken in den ersten Tagen gefüttert hat, ergänzt: "Man ist emotional schon aufgeladen. Unsere Kollegin aus Frankreich, die den männlichen Bartgeier ausgewildert hat, kam anschließend zu mir und fragte mich, ob ich auch geweint hätte. Das habe ich nicht, aber ich war nah dran."
Genaue Beobachtung und Fütterung bis zum Ausfliegen
Von der gegenüberliegenden Felswand konnten die beiden die Bartgeier noch eine Weile beobachten. "Unser Weibchen war sehr aktiv und hat auch direkt Kontakt zu ihrem neuen Mitbewohner aufgenommen", sagt Wagner. Die nächsten Wochen werden die beiden Bartgeier noch in der Nische verbringen und dort drei Mal pro Woche mit Kaninchen- oder Rehfleisch gefüttert. Mit der Zeit kommen auch immer mehr Knochen dazu – die Hauptnahrung der Greifvögel im Erwachsenenalter. Eine Webcam in der Nische sorgt dafür, das die Projektverantwortlichen die Tiere immer im Blick haben. Nach etwa einem Monat wird der Holzzaun vor der Nische abgebaut, sodass die Bartgeier ihre ersten Flugversuche starten können.
Bewährtes Auswilderungsgebiet
Die Weltnaturschutzunion IUCN hat verschiedene Kriterien festgelegt, die im Vorfeld von Auswilderungsprojekten erfüllt sein sollten. Zum Beispiel müssen die Gründe, warum eine Tierart in einer Gegend ausgestorben ist, bestenfalls ganz beseitigt oder zumindest stark reduziert worden sein. Das Auswilderungsgebiet, der Parc Naturel Régional du Vercors, erfüllt all diese Kriterien. In dieser Region, die etwa 100 Kilometer von Lyon entfernt liegt, wurden seit 2010 bislang 24 junge Bartgeier ausgewildert, inzwischen hat sich auch ein Brutpaar dort niedergelassen. Die Auswilderungen sind Teil des EU-geförderten LIFE-Projekts Gypconnect und des Folgeprojekts Gypact. Sie haben zum Ziel, wieder eine stabile Bartgeier-Population zwischen den Alpen und den Pyrenäen herzustellen, die Zahl der Brutpaare zu steigern und weitere Schutzmaßnahmen umzusetzen.
Erfolgreiche Bartgeier-Zucht im Tiergarten seit 1997
Der Tiergarten Nürnberg hält – mit nur kurzen Unterbrechungen – bereits seit 1965 Bartgeier. Sie sind Teil des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Zooverbands EAZA (EAZA Ex situ Programme, kurz EEP), das den Erhalt der Art und auch deren Wiederansiedelung in der Natur zum Ziel hat. Mit seinen Nachzuchten unterstützte der Tiergarten bereits Auswilderungsprojekte in Spanien, Frankreich und im Berchtesgadener Land.
"Die Wiederansiedlung der Bartgeier gehört zu den Erfolgsgeschichten des Artenschutzes und sie verdeutlicht einmal mehr, welch wichtige Rolle Zoos und Zuchtstationen bei Auswilderungsprojekten spielen. Wir sorgen für den Aufbau einer stabilen sogenannte Reservepopulation in menschlicher Obhut, aus der Tiere für die Auswilderung zur Verfügung stellen können", sagt Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor und Biologischer Leiter des Tiergartens.
Über den Bartgeier und seine Wiederansiedelung
Der Bartgeier zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Erwachsene Bartgeier ernähren sich hauptsächlich von Knochen, die sie im Ganzen schlucken. Sind diese zu groß, lassen sie sie aus luftiger Höhe auf Felsen fallen, um sie so zu zerkleinern. Im Spanischen wird der Bartgeier deshalb auch "Knochenbrecher" genannt.
Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. 1913 wurde der letzte Bartgeier der Alpen im italienischen Aostatal geschossen. Im Rahmen eines in den 1970er-Jahren großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum junge Bartgeier ausgewildert. Dieses Zuchtprojekt ist 1993 in ein EEP überführt worden, das von der internationalen Vulture Conservation Foundation geleitet wird. Seit Beginn der Auswilderungen im Alpenraum wurden mehr als 250 Bartgeier ausgewildert. Zusammen mit ihren Nachzuchten leben heute wieder mehr als 300 Bartgeier in den Alpen, darunter rund 70 Zuchtpaare.