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Aktuelles aus dem Tiergarten

"Ohne Zoos und Zuchtstationen gibt es keine Tiere zur Auswilderung"

Seit Juli 2021 ziehen die beiden Bartgeier-Weibchen Wally und Bavaria ihre Kreise in den Ostalpen: Ihre Auswilderung markierte den Beginn eines auf zehn Jahre angelegten Projektes, das dort wieder einen stabilen Bestand wildlebender Bartgeier aufbauen soll.

Jedes Jahr wollen der bayerische Naturschutzverband LBV und der Nationalpark Berchtesgaden dafür in Zusammenarbeit mit dem Tiergarten der Stadt Nürnberg und der Vulture Conservation Foundation (VCF) zwei bis drei weitere Jungvögel im Nationalpark Berchtesgaden auswildern. Einer der Vögel könnte in diesem Jahr aus dem Tiergarten Nürnberg kommen.

Das dort lebende Bartgeierpaar hat sich bereits gepaart und mit dem Nestbau begonnen. "Mit etwas Glück legt das Weibchen im Laufe des Januars ein bis zwei Eier, die auch befruchtet sind - und das Paar beginnt mit der etwa zwei Monate dauernden Brut", sagt der stellvertretende Tiergartendirektor Jörg Beckmann.

Die Zucht dieser Vögel wird im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) koordiniert, an dem auch der Tiergarten Nürnberg von Anfang an beteiligt war. "Natürlich haben wir die Hoffnung, dass im zweiten Auswilderungsjahr auch ein fränkischer Bartgeier in Berchtesgaden dabei sein wird", sagt LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.

Der Tiergarten Nürnberg hält – mit nur kurzen Unterbrechungen – seit 1965 Bartgeier. Das Nürnberger Bartgeierweibchen ist 22 Jahre alt, das Männchen 42. Das Paar hatte in der Vergangenheit bereits fünf Mal Nachwuchs, vier der Jungtiere wurden großgezogen, drei davon im Rahmen des EEP ausgewildert.

"Zoos und Zuchtstationen spielen bei dem Auswilderungsprojekt eine entscheidende Rolle: Denn ohne eine stabile sogenannte Reservepopulation an Tieren, die in menschlicher Obhut gehalten und gezüchtet wird, gibt es auch keine Tiere, die ausgewildert werden können", erklärt Beckmann weiter.

Sollte das Bartgeierpaar aus dem Tiergarten erfolgreich brüten, wäre der Nürnberger Nachwuchs unter den Kandidaten für das Auswilderungsprojekt und könnte mit etwas Glück auch seine neue Heimat in Berchtesgaden und somit in den Ostalpen finden. Doch "auch wenn es in diesem Bartgeierjahr nicht mit Nachwuchs klappen sollte, arbeitet der Tiergarten Nürnberg weiter intensiv an der erfolgreichen Stabilisierung einer wildlebenden Bartgeierpopulation mit", ergänzt Beckmann.

In Zuchtzentren in Spanien und Österreich, woher ebenfalls zukünftige Bartgeier für das Auswilderungsprojekt stammen können, ist derzeit der Höhepunkt der Eiablage. "Mittlerweile sollten über viele der beteiligten Zoos und Zuchtzentren verstreut mehr als 20 Paare brüten. Wir sind schon gespannt, aus welchen Ländern die Jungvögel für unser Auswilderungsjahr 2022 stammen werden", sagt LBV-Bartgeierexperte Toni Wegscheider.

Wally im Umfeld des Nationalparks unterwegs

Anfang Juni 2021 kamen die beiden im Vorjahr ausgewilderten Bartgeierweibchen Wally und Bavaria aus der Zuchtstation Guadalentín in Südspanien in die Außenstelle des Tiergartens Nürnberg in Schwaig. Dort wurden ihre Federn gebleicht und die Sender angepasst. Anschließend hat das Team des Tiergartens die Vögel in den Nationalpark Berchtesgaden gebracht.

Derzeit sind die jungen Bartgeier weiterhin im deutsch-österreichischen Grenzgebiet unterwegs. "Der GPS-Sender von Wally liefert regelmäßig Daten aus dem größeren Umfeld des Nationalparks, wo sie umherstreift und erfolgreich nach Nahrung sucht. Von Bavaria gab es vor wenigen Tagen eine mögliche Sichtung im Salzburger Land, die derzeit noch überprüft wird", so Nationalparkdirektor Dr. Roland Baier.

Zum Projekt:

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert. Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen. Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier.