Neuzugang bei den Fischkatzen im Tiergarten
Die Fischkatzen im Tiergarten Nürnberg sind wieder zu zweit: Vergangene Woche ist mit Kumi ein Weibchen aus dem Zoo Duisburg in den Tiergarten...
Drei Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) aus dem Tiergarten haben seit dieser Woche eine neue Heimat: Sie wurden gemeinsam mit 29 weiteren Sumpfschildkröten am Montag, 12. Juni 2023, im hessischen Naturschutz- und FFH-Gebiet (FFH: ausgewiesene europäische Schutzgebiete im Natur- und Landschaftsschutz nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) "Kühkopf-Knoblochsaue" am Rhein ausgewildert. Hinter der Auswilderung steckt ein Artenschutzprogramm, das von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Sumpfschildkröte initiiert wurde und den Erhalt der Art zum Ziel hat. An der Auswilderungsaktion war auch das vor Ort zuständige Forstamt beteiligt.
Die drei jungen Schildkröten sind im August 2021 im Tiergarten geschlüpft und galten damals als großer Zuchterfolg. Sie und fünf weitere Schlüpflinge waren die erste Nachzucht bei den Europäischen Sumpfschildkröten im Tiergarten. Dort sind die Europäischen Sumpfschildkröten im Mediterraneum zu sehen. Beim Schlupf waren die Schildkröten nur etwas größer als eine Euromünze und wogen zwischen fünf und sechs Gramm. Seitdem haben sie sich gut entwickelt. Die schwersten Nachkommen bringen inzwischen bis zu 130 Gramm auf die Waage und sind etwa so groß wie eine Untertasse. Damit haben sie die Voraussetzungen für eine Auswilderung erreicht.
Die 29 weiteren Sumpfschildkröten, die mit ihnen ins FFH-Gebiet gebracht wurden, kamen aus dem Zoo Augsburg und dem Opel-Zoo in Kronberg. In einigen Wochen wird voraussichtlich eine zweite Auswilderungsaktion mit Jungtieren stattfinden, die überwiegend aus dem hessischen Nachzuchtprogramm stammen. So können dieses Jahr insgesamt mehr als 60 Sumpfschildkröten ausgewildert werden.
Monitoring als fester Bestandteil des Projekts
Vor der Auswilderung wurden alle Tiere mit einem kleinen Chip markiert. Diese Markierung, die auch bei Fundtieren stattfindet, ist fester Bestandteil des Monitorings im Schutzprogramm. Die kleinen Transponder sind etwa so groß wie ein Stecknadelkopf und werden den Tieren im Bereich des linken Hinterbeins eingesetzt. So ermöglichen sie das individuelle Wiedererkennen aller Tiere. Expertinnen und Experten wissen im Falle des Wiederfangs oder auch bei einem Totfund, welche Wege das jeweilige Tiere hinter sich gebracht hat, wie viel Gewicht es zugenommen hat und wo das Tier ursprünglich ausgewildert worden war. Auf diese Weise können sie viele wertvolle Informationen gewinnen.
Erstmals eigene Nachzuchten ausgewildert
Der Tiergarten Nürnberg beteiligt sich seit 2020 an dem Schutzprojekt für Europäische Sumpfschildkröten. Damals übergaben Mitglieder der AG Sumpfschildkröte junge Tiere an den Tiergarten zur Aufzucht. 2021 konnte der Tiergarten gemeinsam mit der AG Sumpfschildkröte erstmals fünf Exemplare in den hessischen Nidda-Auen bei Stockheim auswildern.
"Auswilderungen gehören zu den absoluten Höhepunkten unserer Arbeit – auch wenn sie nur einen sehr kleinen Teil der Arten- und Naturschutzarbeit von Zoos ausmachen", sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens. "Mit den drei jungen Sumpfschildkröten können wir erstmals eigene Nachzuchten auswildern und so zum Erhalt der Art beitragen. Projekte wie diese sind ein Bespiel dafür, wie viel wir mit erfolgreichen Kooperationen im Artenschutz erreichen können."
Zoos und Zuchtstationen spielen bei Auswilderungsprojekten eine entscheidende Rolle. Tiere wie die Sumpfschildkröten können nur ausgewildert werden, wenn es eine stabile sogenannte Reservepopulation gibt, die in menschlicher Obhut gehalten und gezüchtet wird.
Mehr als 700 ausgewilderte Sumpfschildkröten seit 1999
Seit dem Projektstart 1999 konnte die AG gemeinsam mit ihren Partnern mehr als 700 Sumpfschildkröten auswildern. Geplant ist, bis zum Jahr 2030 insgesamt 1.200 Tiere aus dem Nachzuchtprogramm in zehn verschiedenen hessischen Schutzgebieten auszuwildern.
Dr. Matthias Kuprian vom hessischen Umweltministerium, der gemeinsam mit Biologin Sibylle Winkel das Artenschutzprogramm "Europäische Sumpfschildkröte" in Hessen leitet, kann bereits Erfolge vermelden: "Schon 2013 konnten wir zum ersten Mal nachweisen, dass sich ausgewilderte Schildkröten in einem Projektgebiet vermehrt haben. Inzwischen dokumentieren wir regelmäßig Jungtiere, Schlüpflinge, Bruten und Brutversuche. Die Beobachtungen häufen sich in den letzten Jahren, ohne dass wir intensiver oder häufiger suchen würden. Daher gehen wir davon aus, dass in den Schutzgebieten die Vermehrung zunimmt und wir regional sogar einen leichten Bestandszuwachs verzeichnen können."
Ein Problem in den letzten Jahren waren allerdings die sehr trockenen Sommer. Einzelne Gewässer sind komplett ausgetrocknet, sodass sich die Tiere im Schlamm eingraben oder die Gewässer verlassen mussten. Beides macht sie zu einer leichten Beute für Fressfeinde.
Die auf private Initiative hin gegründete AG Sumpfschildkröte bemüht sich seit 1999 in Kooperation mit dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und einigen Zoos um den Erhalt der Europäischen Sumpfschildkröte. Ziel dabei ist es, in geeigneten Lebensräumen in Hessen wieder sich selbst erhaltende Populationen zu begründen. Seit der Gründung haben die Projektpartner zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, darunter Habitate optimiert, Bestandsstützungen und Neuansiedlungen durchgeführt und Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Das Artenschutzprogramm zeichnet sich durch die enge Zusammenarbeit von Naturschutzbehörden und Naturschutzverbänden sowie Partnern aus Wissenschaft und Zoos aus.
Europäische Sumpfschildkröte vom Aussterben bedroht
Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige Schildkrötenart, die natürlicherweise in Mitteleuropa vorkommt, hier allerdings vom Aussterben bedroht ist. "Durch Flussbegradigungen und Trockenlegen von Gewässern in der Vergangenheit fehlt es den Tieren immer noch an geeigneten Lebensräumen", sagt Beckmann. "Ein weiteres Risiko stellt der Straßenverkehr dar – insbesondere für Weibchen, wenn sie auf der Suche nach geeigneten Eiablageplätzen sind. Dazu kommt: Früher galten die Tiere als Fastenspeise, da sie im Wasser leben. Auch dadurch wurden die Bestände massiv reduziert."
Tiergarten engagiert sich in mehreren Auswilderungsprojekten
Neben den Sumpfschildkröten beteiligt sich der Tiergarten auch mit anderen Tierarten regelmäßig an Auswilderungsaktionen. In den letzten Jahren hat er beispielsweise Alpensteinböcke in Österreich, Ziesel in Tschechien und Waldrappe in Spanien ausgewildert.