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Pressemitteilungen

Offener Brief des Tiergartens an Tripadvisor

 E-Mail vom 5.12.2019 von Tripadvisor an Tiergarten Nürnberg
 
„Guten Tag Tiergarten Nuremberg,
Vor kurzem haben wir angekündigt, dass TripAdvisor Experiences und Viator ab
Januar 2020 den Ticket-Verkauf für alle Attraktionen stoppen, die dazu beitragen, dass künftige Generationen von Waltieren (Wale, Delfine und Tümmler) weiter in Gefangenschaft gehalten werden.
Infolgedessen, ist es jeder kommerziellen Einrichtung, die Wale für die öffentliche zur  Schaustellung  züchtet  oder  einführt,  ab  Januar  2020  untersagt,  Tickets  auf TripAdvisor  und  Viator  zu  verkaufen.  Einige  Einrichtung  qualifizieren  sich möglicherweise jedoch für einen Ausnahmestatus und dürfen so weiterhin Tickets über unsere Plattform vertreiben.
Wir haben Tiergarten Nuremberg als eine Einrichtung identifiziert, in der Waltiere öffentlich zu Schau gestellt werden. Daher bemühen wir uns, festzustellen, ob Ihre Einrichtung für den Ausnahmestatus in Frage kommt. Der Ausnahmestatus wird jeder Einrichtung gewährt, die eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt:

Jede Einrichtung zum Schutz der Waltiere, die allen in Gefangenschaft gehaltenen Tieren ein dauerhaftes Lebensumfeld am/im Meer bietet*
Jede  kommerzielle  oder  gemeinnützige  Einrichtung,  die  derzeit  alternative
Schutzgebiete für in Gefangenschaft lebende Waltiere im Meer entwickelt und sich öffentlich dazu verpflichtet, alle in Gefangenschaft lebenden Tiere, die sie besitzt, in angemessener Weise in diese Umgebungen umzusiedeln.
Jede WAZA** akkreditierte Einrichtung, die sich offiziell und öffentlich verpflichtet hat, alle der folgenden Praktiken umzusetzen: 
o  Beendigung und Unterbindung der Zucht von Waltieren in ihrem Besitz  
o  Beendigung der Einfuhr oder Übernahme von in Gefangenschaft gehaltenen
Waltieren aus anderen Einrichtungen, um diese zur Schau zu stellen
o  Beendigung des Einfangens sowie der Einfuhr von wilden Waltieren, um diese zur Schau zu stellen
 
Wenn  Tiergarten  Nuremberg  eines  der  oben  aufgeführten  Ausnahmekriterien erfüllt, können Sie den Ausnahmestatus anfordern, indem Sie auf diese E-Mail antworten  oder  sich  bis  spätestens  20.  Dezember  2019  an awpolicyreview@tripadvisor.com wenden.

Ihre Antwort muss Belege für einen Antrag auf Freistellung enthalten. Wenn von der  Einrichtung  öffentliche  Zusagen  als  Beweis  angeführt  werden,  muss  dies entweder  in  Form  einer  Pressemitteilung  oder  einer  von  einem  seriösen Medienunternehmen veröffentlichten Berichterstattung erfolgen.
Bitte  beachten  Sie,  dass  Tiergarten  Nuremberg  weiterhin  als  Attraktion  auf TripAdvisor aufgeführt wird, unabhängig davon, ob es für den Ausnahmestatus in Frage  kommt.  Reisende  können  weiterhin  Bewertungen,  Ratings  und  Fotos abgeben,  und  die  Einrichtung  wird  weiterhin  wie  auch  heute  schon  in  den TripAdvisor-Rankings  angezeigt  werden.  Erfahren  Sie  hier  mehr  über  unsere Tierschutzrichtlinien.
Wenn  Sie  Fragen  zu  unseren  Richtlinien  haben  oder  nicht  sicher  sind,  ob  Ihre Einrichtung  für  den  Ausnahmestatus  berechtigt  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an: awpolicyreview@tripadvisor.com
Danke,
TripAdvisor Animal Welfare
 
*Ein Schutzgebiet am Meer ist ein natürlicher Küstenwasserabschnitt wie eine
Bucht, in der Waltiere so gut wie möglich in einer natürlichen Umgebung leben,
und die gleichzeitig Schutz und Aufsicht durch qualifiziertes Viehzucht- und Veterinärpersonal bietet. Meeresschutzgebiete müssen sich an eine strenge
Nichtzuchtrichtlinie halten, dürfen ihre Tiere nicht für Vorführungen oder Aufführungen für die Öffentlichkeit ausbilden und müssen alle Formen der körperlichen Interaktion zwischen Gästen und Tieren, einschließlich der Begegnungen von Mensch und Tier im Wasser, verbieten.
 
**Die Akkreditierung muss durch einen Mitgliedsverband des Weltverbandes der Zoos und Aquarien (WAZA) erfolgen.“

 

Offenes Antwortschreiben von Tiergartendirektor Dr. Encke vom 19. Dezember 2019 an Tripadvisor


Sehr geehrte Damen und Herren von „TripAdvisor Animal Welfare“,

leider kann ich Ihren Brief an meinen Zoologischen Garten nur unpersönlich beantworten, da Sie ihn mir ohne Nennung eines konkreten Ansprechpartners zugesendet haben. Die Inhalte dieses Briefes hatten Sie im Oktober 2019 als Global News Release veröffentlicht. Da Ihr Schreiben Teil einer öffentlichen Imagekampagne für Ihre Reiseplattform zu sein scheint, antworte ich Ihnen mit größt möglicher Transparenz für Ihre Kunden in der Form des Offenen Briefes.
 
Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie keine Eintrittskarten in den Tiergarten der Stadt Nürnberg mehr verkaufen werden, weil der Tiergarten Nürnberg Delphine hält.
 
In Ihren Tierschutzrichtlinien berufen Sie sich auf „wissenschaftliche Beweise“, dass die Haltung von Delphinen tierschutzwidrig sei. Tierschutzwidrigkeit muss anhand konkreter Haltungsbedingungen und konkret betroffener Tiere nachgewiesen werden. Das hierfür notwendige Werkzeug „Animal Welfare Assessment“ ist eine wissenschaftliche Disziplin. Zur Beurteilung des „Animal Welfare Status“, also des individuellen Wohlergehens von Delphinen, bedarf es methodisch einwandfreier wissenschaftlicher Methoden, die in jedem Einzelfall anzuwenden sind. Ihrer Ablehnung unserer Tierhaltung fehlt jeder Bezug auf ein konkretes „Welfare Assessment“. Sie erwähnen nicht einmal, welcher Methode des Assessments Sie sich für Ihre Bewertung bedienten.
 
Eine pauschale Diskreditierung der Haltung von Delphinen in meiner Zoologischen Einrichtung halte ich aus wissenschaftlicher Sicht für unseriösen Populismus.
 
Deshalb zur unmissverständlichen Klarstellung: Wir stellen keinen Antrag auf einen „Ausnahmestatus“ bei Ihnen. Wir lehnen Ihre Forderungen aus fachlichen Gründen zum Wohle unserer Tiere ab.
 
Auf einer vom Tiergarten Nürnberg organisierten internationalen Konferenz zum Schutz von Delphinen in Küsten- und Binnengewässern (ESOCC Meeting – Ex situ Options for Cetacean Conservation) wurde im vergangenen Jahr erst ein integrierter Ansatz zur Rettung von sieben akut gefährdeten Delphinarten formuliert, der dem Konzept des „One Plan Approach“ folgt und die Haltung und Erforschung bedrohter Arten in Menschenobhut als festen und unverzichtbaren Bestandteil aktueller Schutzstrategien identifiziert.
 
Wir können auf vielen Ebenen Debatten führen über best practice im ex situ Management von marinen Säugetieren, aber es ist heute geradezu unverantwortlich zum Boykott von Einrichtungen aufzurufen, ohne deren Expertise und ohne deren bauliche Infrastrukturen ein erfolgreicher Schutz bedrohter Arten immer schwieriger und unwahrscheinlicher wird.
 
Ihr Schreiben kommt zur Unzeit und zeugt von großer Ignoranz in Bezug auf Handlungsoptionen und bald wohl Handlungszwänge im internationalen Artenschutz küsten- und binnengewässerbewohnender Delphine.
 
Angesichts der großen Verantwortung, die wir Menschen - und in besonders pikanter Weise auch und besonders die Tourismusindustrie – für die ökologische Integrität von Küsten- und Binnengewässern haben, erschüttert mich die Schludrigkeit Ihres Schreibens, das angeblich dem Wohlergehen von Delphinen dienen soll, faktisch aber überhaupt keine Recherche zu konkreten Handlungsoptionen erkennen läßt.

Fehlanzeige 1:
Wir sind eine gemeinnützige Fachdienststelle der Stadt Nürnberg, keine
kommerzielle Einrichtung. TripAdvisor hingegen dürfte durchaus profitorientiert arbeiten und sich eher zu den kommerziellen als zu den caritativen Plattformen zählen. Bei Ihrer Vorgehensweise liegt der Verdacht nahe, dass Ihr Einsatz für Delphine in erster Linie eine Marketingkampagne für das Image Ihres Unternehmens sein könnte.
 
Fehlanzeige 2:
Ein „dauerhaftes Lebensumfeld“ am Meer für „in Gefangenschaft gehaltene Tiere“ ist ein unsinniges Kriterium zur Gütefeststellung einer Einrichtung. Meines Wissens gibt es keine erfolgreiche Haltung unter den von Ihnen beschriebenen Bedingungen. Ob die zwei nach Island verfrachteten Belugas in dem für sie wieder ertüchtigten „Sanctuary“ überleben werden, wird sich zeigen, wenn sie im Frühjahr 2020 aus ihrer überdachten Behausung in die eingenetzte Bucht gesetzt werden.
 
Fehlanzeige 3:
„Alternative Schutzgebiete“ werden zurzeit für sieben stark bedrohte Delphinarten gesucht. Diese ex situ Optionen für bedrohte Delphinarten werden sinnigerweise nicht für die noch unbedrohten Tümmler vorgesehen, die unter unserer Obhut bereits ein sehr gutes und behütetes Leben genießen. Wenn wir in die Zukunft von Delphinen investieren wollen, dann sollten wir sinnstiftende Projekte unterstützen, die dem Überleben bedrohter Arten zugutekommen anstatt Experimente mit bereits gut untergebrachten Tieren zu fordern.
 
Fehlanzeige 4:
In Ihrer Tierwohlrichtlinie beziehen Sie sich ausschließlich auf das Wohl von Tierindividuen, die in Menschenobhut gehalten werden, schlagen aber eine Translokation der Tiere in offene Meereskäfige vor. Damit unterliegen Sie den Kriterien der IUCN-Richtlinien zur Auswilderung und/oder Translokation von Wildtieren. Es ist mir bewusst, dass diese Richtlinien keinen Gesetzescharakter haben. Aber es sind international anerkannte naturschutzfachliche Standards, die eingehalten werden sollten, weil nicht fachgerechtes Ausbringen von Wildtieren große Risiken sowohl für betroffene natürliche Habitate, als auch für die Tiere selbst birgt. Ihre simplen Vorstellungen von Tierwohl und Natur bewerte ich als zielverfehlend.
 
Fehlanzeige 5:
Die Beendigung der Zucht von Waltieren ist eine tierschutzfachlich leichtfertige Forderung, der wir zum Wohle der Tiere und ihrer Sozialstruktur keinesfalls entsprechen wollen. Unsere Einrichtung dient dem Artenschutz und dem nachhaltigen Populationsmanagement von den bei uns gehaltenen und europaweit koordinierten Zuchtgruppen. Ihre Forderung richtet sich gegen die sozialen Bedürfnisse der Tiere. Das lehnen wir ab. Selbstverständlich werden wir auch weiterhin im Rahmen des Europäischen Zuchtprogramms Tiere grenzübergreifend austauschen.
 
Fehlanzeige 6:
Das Einfangen von Tieren aus der Wildbahn können wir leider nicht beenden, weil wir das seit Jahrzehnten nicht mehr tun. Die Naturentnahme und der Handel mit Pflanzen und Tieren werden zudem über die CITES geregelt und richten sich zum Glück nicht an Interessen der Tourismusindustrie aus. Das EAZA Ex situ Programm für Große Tümmler koordiniert die Population der Tümmler in den wissenschaftlich geführten Zoos Europas. Seit 2003 werden keine Tümmler aus der Wildbahn in die Population eingebracht. Die Population wächst nachhaltig und geht in die dritte Generation in Menschhand.
 
Fazit:
Aus meiner Sicht spielen Sie In Ihrem schlecht recherchierten und potentiell tierschädlichen Forderungsschreiben ein ungutes Spiel mit der Popularität moralisierenden Tierschutzes, mit dem Sie dem Schutz der Spezies fachlich eher schaden und dem Wohlergehen der von uns gehaltenen Tiere keinesfalls nützen.
 
Es würde mich freuen, wenn Sie künftig in seriöser und partnerschaftlicher Weise auf uns zugehen, wenn Sie offene Fragen zum Wohlergehen unserer Tiere haben. Vielleicht hätten Sie von dem Schreiben abgesehen, wenn Sie unsere Einrichtung vorher kennengelernt hätten.