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Neues Tierarzneimittelgesetz gefährdet Tiere

Der Verband der Zoologischen Gärten e.V. (VdZ) kritisierte am 17. Juni 2021 den aktuellen Gesetzentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Novellierung des Tierarzneimittelgesetzes massiv und weist ihn als fachlich unausgereift zurück. Auch die Verantwortlichen des Tiergartens der Stadt Nürnberg äußern deutliche Kritik am Gesetzesentwurf und sehen darin das Wohl der Tiere leichtfertig gefährdet. „Dieser neue Gesetzesentwurf ist ein Alptraum für uns Zootierärztinnen und Zootierärzte, aber vor allem für die Zootiere, die wir betreuen. Es ist weder mit dem Tierschutzgesetz, noch mit dem Ethik-Kodex zu vereinbaren“, sagt Dr. Katrin Baumgartner, leitende Zootierärztin im Tiergarten Nürnberg und Fachtierärztin für Zoo-, Gehege- und Wildtiere sowie für Tierschutz. Der Tiergarten appelliert daher dringlich an die Bundestagsabgeordneten und Mitglieder des Bundesrats, die Entscheidung über den Gesetzesentwurf zu verschieben, um entsprechende Nachbesserungen vornehmen zu können.

In der Zootiermedizin wird der Tierarzt mit verschiedensten Tierarten sowie unterschiedlichsten Krankheiten konfrontiert. Dies verlangt neben einem hohen Maß an Erfahrung und Fachwissen auch zahlreiche Diagnoseverfahren sowie den Einsatz einer großen Bandbreite an Medikamenten. Für viele Maßnahmen sind außerdem Narkosen notwendig, um sicher für Tier und Mensch Untersuchungen und Therapien durchführen zu können. Dem neuen Gesetzesentwurf zufolge dürfen für solche Narkosen jedoch notwendige Medikamente allein wegen ihrer Herkunft nicht mehr nach Deutschland eingeführt werden. Ein Beispiel sind Narkosen von großen Säugetieren etwa von Panzernashörnern oder Giraffen im Tiergarten Nürnberg. „Für die Narkose dieser Tierarten werden Mittel wie konzentriertes Medetomidin oder Etorphin benötigt. Steht dies nicht mehr zur Verfügung, da es in Drittländern hergestellt wird, besteht keine Möglichkeit, diese Tiere für notwendige Eingriffe zu betäuben“, betont Dr. Katrin Baumgartner.

Der neue Gesetzesentwurf zum Tierarzneimittelgesetz betrifft jedoch nicht nur Zoo-, sondern auch Wildtiere und deren Erforschung sowie den Artenschutz. „Man kann einen Braunbären oder Elch für ein Forschungs- oder Artenschutzprojekt nicht niederringen, um ihm zum Beispiel ein GPS-Halsband anzulegen. Dafür müssen die Tiere zuverlässig betäubt werden können. Dies ist auch zum Schutz des Tieres. Das Gleiche gilt in Situationen, in denen solche Tiere eine Gefahr für Menschen darstellen und an einen anderen Ort transportiert werden müssen. Ist dies nicht möglich, so muss man sie erschießen“, gibt der stellvertretende Direktor und Biologische Leiter des Tiergartens, Jörg Beckmann, zu bedenken.

„Auch für Therapien bei uns in den Zoos würde es bedeuten, dass wir unseren Tieren nicht mehr verabreichen können, was hilft, sondern nur, was dann noch erlaubt ist“, führt Dr. Katrin Baumgartner weiter aus. Zudem gibt der Ethik-Kodex der Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland klar vor, dass Tierbehandlungen stets am Wohlbefinden der Tiere auszurichten sind. Schmerzhafte Eingriffe dürfen grundsätzlich nur unter allgemeiner und/oder lokaler Anästhesie und mit postoperativer Schmerztherapie durchgeführt werden.

Ein weiterer Punkt im Entwurf der Novelle des Tierarzneimittelgesetzes ist, dass alle im Zoo lebenden Rinder- und Schweineartigen sowie andere Arten wie Alpakas, grundsätzlich als lebensmittelliefernde Tiere gelten. Dies wiederum bedeutet, dass viele Medikamente, sei es für Diagnose, Therapie oder Narkose, nicht eingesetzt werden dürfen, obwohl diese Zootiere nie dem menschlichen Verzehr dienen werden.

Doch für beide Probleme gibt es Lösungen: In anderen europäischen Ländern gilt die Regelung des Therapienotstandes, dies ermöglicht es dem zuständigen Tierarzt Medikamente aus Drittländern zu importieren, sofern sie anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Damit könnten auch weiterhin notwendige Narkosemittel importiert werden. Was die Bezeichnung lebensmittelliefernde Tiere betrifft, so könnte es gelöst werden, indem der „Zweck“ eines Tieres nicht durch die Spezies, sondern durch die Zuordnung durch den Besitzer bestimmt wird. Dies könnte erfolgen, indem es als nicht lebensmittelliefernd deklariert und durch eine spezielle Markierung so auch gekennzeichnet wird. So wie es derzeit auch schon bei Hauspferden und Hauskaninchen der Fall und gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bei den Wildtieren ist einerseits seit den 2000er Jahren zu beobachten, dass einst bei uns heimische Großsäuger wieder einwandern, zum Beispiel Wölfe und Elche, aber auch Braunbären. Erst 2018 durchschwamm ein Wisent von polnischer Seite aus die Oder. Andererseits gibt es im selben Zeitraum Auswilderungsprojekte, im Harz und Pfälzerwald wurden beispielsweise Luchse erfolgreich ausgewildert. Parallel dazu gewinnt wildbiologische Freilandforschung, besonders in Verbindung mit modernen Methoden wie GPS-Telemetrie, immer mehr an Bedeutung. Insbesondere die Auswirkungen des Klimawandels auf Wildtiere und Wechselwirkungen verschiedener Arten sind hier entscheidende Fragestellungen. Die überwiegende Anzahl wildbiologischer und -ökologischer Forschungseinrichtungen in Deutschland sind an Landesanstalten und Universitäten angegliedert und liegen damit in öffentlicher Hand. Dennoch werden solche Gesetze auf den Weg gebracht, die das Potenzial haben „zu einem Sargnagel für Wildtierforschung in Deutschland zu werden“, ergänzt Jörg Beckmann, der selbst Wildbiologe ist.