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Afrikanische Schweinepest: Sorge um gefährdete Hirscheber im Tiergarten

Schweinehalter in Deutschland fürchten sich derzeit vor der für ihre Tiere tödlichen Afrikanischen Schweinepest (ASP). Auch der Tiergarten gehört dazu. Mit seinen Hirschebern (Babyrousa celebensis) hält er eine Schweineart, die mit dem Rücken zur Wand steht: Sie gilt als vom Aussterben bedroht. Der Verlust eines jeden Tieres erschwert die Bemühungen, die Art zu retten. Die ASP bedroht sowohl die wildlebenden Hirscheber in ihrer Heimat – Sulawesi – als auch diejenigen in den Tiergärten.

"Mit der ASP haben wir zum ersten Mal eine Bedrohung, die zeitgleich die Wildpopulation und die sogenannte Reservepopulation in den Zoos betrifft", sagt der stellvertretende Direktor des Tiergartens Nürnberg Jörg Beckmann. Er ist zugleich Vorsitzender der EAZA Fachgruppe für Tapire, Flusspferde und Schweineartige und Mitglied der Expertengruppe für wildlebende Schweinearten der Weltnaturschutzunion (IUCN).

Zoos des Europäischen Zooverbandes EAZA züchten im Rahmen des EEP (EASA ex situ-Programm, früher Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) gefährdete Arten, um einen gesunden Bestand der Tiere außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes zu bewahren und im schlimmsten Fall – wie bei den Hirschebern – ihr komplettes Verschwinden von diesem Planeten zu verhindern.

Neun Zoos beherbergen derzeit 42 Hirscheber, ein Pärchen lebt im Tiergarten Nürnberg. Auch Bartschweine (Sus barbatus) und Visayas-Pustelschweine (Sus cebifrons) leben in EAZA-Zoos, auch sie sind gefährdete Arten – und von der ASP bedroht. Zwölf Bartschweine leben in drei EAZA-Zoos, 163 Visayas-Pustelschwein haben in 42 EAZA-Zoos ein Zuhause.

Die Besonderheit bei diesen asiatischen Schweinearten besteht auch darin, dass eine Art häufig nur in einem sehr begrenzten Gebiet, zum Beispiel einer Insel, vorkommt - sonst nirgendwo. Sie sind sogenannte endemische Arten.

Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, haben der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ), die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP), die Deutsche Tierpark Gesellschaft (DTG) und die Gemeinschaft der Zooförderer (GdZ) das Visayas-Pustelschwein zum Zootier des Jahres 2022 gewählt.

Denn wo wenig ist, kann viel verloren gehen: Entsprechend groß ist die Sorge der Zoos einschließlich des Tiergartens Nürnberg, dass die Afrikanische Schweinepest sie erreicht.

Hochansteckendes Virus

Die ASP ist eine Viruserkrankung, die für Menschen und andere Tierarten ungefährlich, für Schweine aber tödlich ist. Ursprünglich trat sie bei wildlebenden Schweinearten in Afrika auf. 2007 gelangte das auslösende Virus vermutlich über Zecken nach Georgien und hat sich von dort bis nach Russland, Weißrussland und die Ukraine ausgebreitet.

2014 erreichte es die Europäische Union, im September 2020 bestätigte sich der erste Fall bei einem Wildschwein in Brandenburg – im Juli 2021 dann auch bei Hausschweinen im selben Bundesland. Inzwischen ist die Seuche zusätzlich in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern angekommen.

Übertragen wird das Virus zum Beispiel durch direkten Kontakt mit einem infizierten Tier, über Blut oder wenn die Schweine Fleischprodukte fressen, die von infizierten Tieren gewonnen wurden – etwa weggeworfene Wurstbrötchen im Wald.

Das Virus kann aber auch mehrere Wochen auf einem Tierkadaver überleben oder über Werkzeuge, Schuhe und andere Kleidungsstücke oder über Fahrzeugreifen zu einem neuen Wirt gelangen.

Kurzum, die Gefahr, dass auch Schweine in menschlicher Obhut mit dem Virus in Kontakt kommen, ist groß. Entsprechend streng sind die Vorgaben der zuständigen Behörden, wenn es in einem Betrieb zu einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest kommt. In der Regel führt dies dazu, dass Hunderte bis Tausende Tiere getötet werden müssen.

Hunderte bis Tausende: Von diesen Zahlen kann in Zoos keine Rede sein. Gerade deswegen wöge jeder Verlust eines Tieres durch die Afrikanische Schweinepest hier schwer – sei es, dass Tiere direkt an der Krankheit sterben oder dass sie zur Eindämmung der Seuche getötet werden müssten.

Zusammen mit der Schweineexpertengruppe der Weltnaturschutzunion (IUCN) und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) arbeiten die Tiergartenteams an Vorschlägen, wie sie die Schweine, die in ihren Zoos leben, schützen können.

Verschiedene Schutzstrategien

Eine Strategie besteht darin, die wenigen Tiere auf verschiedene Standort zu verteilen. "Wegen Seuchen und Gefahren wie der ASP achten wir darauf, dass wir den Bestand der Tiere auf verschiedene Tiergärten und Länder verteilen, um das Verlustrisiko zu minimieren", sagt Jörg Beckmann.

Ein Ausbruch der ASP in der Nähe von Zoos muss nicht zwangsläufig die Tötung der dort gehaltenen Schweine bedeuten, denn der Gesetzgeber sieht eine Ausnahmeregelung vor, wenn es darum geht, eine Art zu erhalten.

Dem Virus dürften Ausnahmen allerdings egal sein – ebenso wie es sich nicht um Ländergrenzen und Gehegezäune schert. Um ihm seinen Schrecken und seine tödliche Schlagkraft zu nehmen, arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FLI auch an einem Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest – mit dem Ziel, sie über eine Schluckimpfung für wildlebende Schweine einzudämmen. Eine Strategie, die beim letzten Ausbruch der Gewöhnlichen Schweinepest im Jahr 2009 aufgegangen ist.

Für den Hirscheber, das Visayas-Pustelschwein und andere gefährdete Schweinearten könnte die Impfung ein wesentlicher Baustein sein, um deren Aussterben zu verhindern – in Zoos wie in der Natur. Denn alle Bemühungen, eine Art zu retten, sind vergebens, wenn ein Virus in kürzester Zeit die letzten Tiere tötet.