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Faszination Fledermäuse: Warum sie so schützenswert sind und was man von ihnen lernen kann

Sie sind die einzigen Säugetiere, die den aktiven Flug beherrschen. Sie sind von essentieller Bedeutung für unsere Ökosysteme. Und ein Beispiel dafür, wie die Natur der Technik als Ideengeberin dienen kann: Fledermäuse. Dr. Ralph Simon, Biologe und Wissenschaftler im Tiergarten Nürnberg, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Tieren. Bei seinem Vortrag vergangene Woche im Naturkundehaus zeigte er unter anderem auf, welche außergewöhnlichen Anpassungen Fledermäuse hervorgebracht haben und warum sie so wichtig für intakte Ökosysteme sind. Dabei gab er auch Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte. Den nächsten Vortrag von Dr. Ralph Simon gibt es am Dienstag, 22. März um 18:30 Uhr im Rahmen des "Ideenforum Bionicum 2022" – dieses Mal im Online-Format. Interessierte können sich über diesen Link kosntelos teilnehmen.

Die Gruppe der Fledertiere

Mit mehr als 1.400 Arten sind Fledertiere die zweit artenreichste Gruppe der Säugetiere. Bis auf die Antarktis und andere polare Regionen sind sie weltweit verbreitet und kommen sogar auf den entlegensten Inseln vor. Die ältesten fossilen Funde stammen aus dem Erdzeitalter Eozän und sind rund 50 Millionen Jahre alt. Zur Ordnung der Fledertiere gehören Fledermäuse (Yangochiroptera), Flughunde (Pteropodidae) und Hufeisennasen (Rhinolophoidea). Darunter gibt es wiederum mehrere Familien mit zahlreichen unterschiedlichen Arten. In Deutschland kommen 25 Fledermausarten vor. Der Tiergarten Nürnberg hält die Blütenfledermaus (Glossophaga soricina). Sie kann im Manatihaus beobachtet werden.

Wichtige Dienstleister der Ökosysteme

"Mit meinen Vorträgen möchte ich zum einen zeigen, wie wichtig Biologische Grundlagenforschung ist und welche interessanten Anwendungen sich aus ihr ergeben können. Zum anderen möchte ich meine Faszination für Fledermäuse teilen. Wir können viel von den Tieren lernen und müssen sie schützen, weil sie essentielle Funktionen in den weltweiten Ökosystemen einnehmen", sagt Simon. Jede Nacht können Fledermäuse 80 bis 100 Prozent ihres eigenen Körpergewichts an Insekten fressen. Eine Kolonie von 150 Fledermäusen vertilgt jede Nacht beispielweise an die 800.000 Käfer und 500.000 Zikaden oder Wanzen. Das macht sie nicht nur zu wichtigen Dienstleistern für natürliche Ökosysteme sondern auch für Agrarlandschaften. In Spanien werden Fledermäuse beispielsweise gezielt in der Nähe von Reisfeldern angesiedelt, damit sie dort Schädlinge bejagen können. In den USA sparen insektenfressende Fledermäuse den Landwirten jährlich etwa 23 Milliarden US-Dollar ein.

Fledermäuse dienen dem Ökosystem auch in anderer Hinsicht: In tropischen Regionen sind sie wichtige Samenverbreiter und Bestäuber, beispielsweise von Banane oder Durian Frucht. Viele Pflanzenarten haben ganz spezielle Signale entwickelt, um Fledermäuse anzulocken. Bei einer kubanischen Liane ist Simon beispielsweise aufgefallen, dass die Laubblätter direkt über dem Blütenstand wie Hohlspiegel geformt sind. Verschiedene Versuche und Verhaltenstests zeigten: Die Pflanze nutzt das Orientierungssystem der Blütenfledermäuse, die sogenannte Echoortung. So macht sie akustisch auf sich aufmerksam wird leichter von den Tieren bestäubt. Eine Anpassung, aus der sich auch für die Technik interessante Anwendungen ergeben können.

Wie ein angepasster Betrieb von Windrädern Fledermäuse schützt

Viele Fledermauspopulationen sind inzwischen aber stark gefährdet. Die Ursachen sind vielfältig: Verlust von Lebensraum, Einsatz von Pestiziden, Straßenverkehr oder Windenergieanlagen. Mit Letzterem beschäftigte sich Simon intensiv in mehreren Forschungsprojekten. Fledermäuse halten sich oft in der Nähe von Windrädern auf, weil sie dort viele Insekten finden. Dabei werden sie aber immer wieder von den drehenden Rotorblättern erwischt oder verenden an inneren Blutungen, die durch den enormen Druckunterschied entstehen. So sterben pro Windrad jährlich bis zu zwölf Tiere, auf ganz Deutschlag gerechnet sind das mehrere hunderttausend Tiere pro Jahr. Die Forscherinnen und Forscher konnten herausfinden, dass die Aktivität der Fledermäuse an Windrädern mit der Windgeschwindigkeit zusammenhängt. Bei geringen Windgeschwindigkeiten wurden weniger Fledermäuse gezählt. Basierend auf dieser Erkenntnis entwickelten sie einen fledermausfreundlichen Betriebsalgorithmus: Ausgewählte Windräder wurden bei geringen Windgeschwindigkeiten abgeschaltet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zählten so nur noch zwei statt zwölf tote Tiere pro Windrad. In vielen Bundesländern wurde dieser fledermausfreundliche Betrieb bereits in die Praxis überführt.

Weiterer Vortrag am 22. März

Den nächsten Vortrag von Dr. Ralph Simon gibt es am Dienstag, 22. März um 18:30 Uhr im Rahmen des "Ideenforum Bionicum 2022" – dieses Mal im Online-Format. Unter dem Titel "Und ewig lockt der Nektar: Wie Pflanzen mit Fledermäusen kommunizieren. Ein Vorbild für selbstfahrende Autos?" geht der Biologe insbesondere auf die speziellen Fähigkeiten der Fledermäuse in Bereich der Echoortung ein und berichtet von Forschungen aus dem Tiergarten. Simon erklärt, wie genau die Pflanzen die Fledermäuse anlocken und warum man sich dieses Prinzip beim autonomen Fahren zunutze machen kann. Der Vortrag findet über die Plattform Webex statt und ist kostenlos. Interessierte können sich über diesen Link einwählen. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

Vortragsreihe im Naturkundehaus

Auch die Vortragsreihe im Naturkundehaus geht in den nächsten Monaten weiter. Am Donnerstag, 14. April ist Dr. Wolfram Rietschel zu Gast. Er arbeitete viele Jahre als Zootierarzt in der Wilhelma in Stuttgart und berichtet über Menschenaffenkinder als Patienten. Das komplette Programm der Vortragsreihe ist hier zu finden. Interessierte können sich unter 0911–5454833 anmelden. Der Eintritt ist frei.